Kommentar Strengere Regeln für Reiserückkehrer sind längst überfällig

Härtere Regeln für Reiserückkehrer: Der Bundesgesundheitsminister hofft, durch neue Maßnahmen mehr Menschen zur Corona-Impfung zu bewegen.
Der sorglose Sommer, den die Politik zum Ende der dritten Welle vorhersagte – er löst sich immer weiter in Luft auf. Denn Urlauber müssen sich auf strengere Reiseregeln einstellen. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will, dass künftig alle Ungeimpften bei der Einreise einen Test vorlegen – egal, mit welchem Verkehrsmittel und aus welchem Gebiet sie ins Land kommen.
Bislang gilt die Testpflicht nur für Einreisende aus Hochrisikogebieten und für Flugpassagiere. Künftig müssten sich auch Polen- oder Österreichurlauber mit dem Auto auf die Regel einstellen. Und wer genesen ist oder einen Impfschutz hat, muss sich zumindest damit abfinden, kontrolliert zu werden – und darf seinen Nachweis nicht vergessen.
Dass der Vorstoß nicht ohne Tücken ist, liegt auf der Hand: Von Grenzkontrollen ist bislang beispielsweise keine Rede. Die aber wären nötig, wenn Spahn es ernst meint – Staus an der Grenze inklusive. Außerdem hält Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) die Pläne für unverhältnismäßig und hat ihren Ressortkollegen abblitzen lassen. Sonst hätte es die Maßnahme längst geben können.
Spahn schleppt den Vorschlag bereits seit Anfang Juli in einem Referentenentwurf mit sich herum, stieß im Kabinett aber auf Widerstand. Wie er hier einen Kompromiss erzielen will, ist noch offen. Es gibt ja gute Gründe für die Pläne.
Im vergangenen Sommer zählten Reiserückkehrer zu den größten Pandemietreibern. In diesem Jahr ist es nicht anders. Der Anteil der Reiserückkehrer an den Infektionen nimmt laut Robert Koch-Institut (RKI) wieder spürbar zu. Zwischen Ende Juni und Mitte Juli steckte sich bereits jeder Zehnte im Ausland an. In dem Zeitraum davor war es nur ein Prozent.
Eigentlich kommt die Regel also sogar schon zu spät. In einigen Bundesländern enden die Sommerferien darüber hinaus bereits Anfang August. Wenn die Regel aber dazu führt, dass mehr solcher Fälle entdeckt werden, hat sie sich gelohnt.
In der Pandemie sind verschärfte Regeln für Reiserückkehrer das kleinere Übel, wenn man bedenkt, was sonst alles auf dem Spiel steht: offene Schulen, Geschäfte und Restaurants beispielsweise, die einen weiteren Lockdown nicht verkraften würden. Außerdem erhoffen sich einige von der Maßnahme einen in Sommer, Sonne, Strand verpackten Impfanreiz.
Wenn die Reise mit dem Vakzin unkomplizierter wird, lassen sich impfzögerliche Urlaubswillige eventuell doch noch immunisieren, so die Hoffnung.
Mehr: Reiserückkehrer, Impfunwillige, Inzidenz: Länder wollen neue Corona-Strategie
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Ein Redakteur des Handelsblatts meint ernsthaft die Einführung von Grenzkontrollen an den deutschen Landesgrenzen - "Staus an der Grenze inklusive" - wäre "das kleinere Übel"?! Freier Warenverkehr, kritische Lieferketten und hunderttausende betroffene Berufspendlern - anscheinend alles egal… Man könnte meinen Sie haben den Verstand verloren!