Kommentar: Trauzeugenaffäre: Habeck will mit dem Kopf durch die Wand


„Ich habe entschieden, dass Patrick Graichen wegen dieses Fehlers nicht gehen muss.“
Es nötigt einem auch Respekt ab, wie der Bundeswirtschaftsminister zu seinem Staatssekretär steht. Der gemeinsame Auftritt vor den Ausschüssen Wirtschaft und Klima/Energie im Bundestag zeigt: Robert Habeck verbindet sein politisches Schicksal mit Patrick Graichen.
Das würden nicht viele Minister oder Ministerinnen so machen. Immerhin vergeht kaum ein Tag, an dem nichts Neues bekannt wird, wo Graichens Verwandtschaft oder seine Freunde mit Posten oder Aufträgen bedacht wurden. Man könnte es allerdings auch weniger positiv sehen und sagen: Habeck will in der sogenannten Trauzeugenaffäre mit dem Kopf durch die Wand.
Dabei hat eine bekannte Altkanzlerin schon gesagt: „Mit dem Kopf durch die Wand wird nicht gehen. Es siegt zum Schluss immer die Wand.“
Viel Neues hat die Befragung der beiden durch die Abgeordneten nicht gebracht. Dass Graichen nichts dabei fand, seinem Trauzeugen den lukrativen Job des Chefs der Deutschen Energie-Agentur (Dena) zu geben, sei ein Fehler gewesen. Der werde nun behoben. Ein Rücktritt Graichens sei kein Thema.
Ein paar neblige Erklärungen dazu, wie es denn mit der Personalpolitik im Ministerium weitergehen soll, das war es dann schon. Offenbar soll alles so weitergehen wie gehabt.
Vetternwirtschaft untergräbt Habecks Glaubwürdigkeit
Es scheint für Habeck keine Rolle zu spielen, dass die Vetternwirtschaft und das sonstige Amtsgebaren von Graichen die Glaubwürdigkeit in die Energiewende untergräbt. Vor Kurzem bezeichnete Habeck seinen Staatssekretär als „robusten Politiker“.
Das offenbart eine etwas schräge Auffassung von dessen Job. Graichen ist politischer Beamter und damit von niemandem gewählt. Er hat aber einen Eid auf die Verfassung abgelegt und damit unter anderem auf den Rechtsstaat geschworen. Sein Handeln beweist das Gegenteil.

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An jeder Stelle, an der ihm der rechtliche Rahmen nicht gepasst hat, wollte er ihn passend machen. Das ging los bei der Bestellung seines Trauzeugen zum Chef der Dena und setzte sich in dem Versuch fort, 60 Mitarbeiter von der Energieagentur als Leiharbeiter im Wirtschaftsministerium einzusetzen. Das alles sollte am Bundestag lautlos vorbei passieren.



Graichens Glaubwürdigkeit ist dahin. Selbst den Grünen gegenüber Wohlmeinende fragen sich inzwischen, warum er nicht von sich aus seinen Rücktritt anbietet. Damit würde er dem Wirtschaftsminister die Chance einräumen, die Energiewende voranzutreiben.
Wenn es ihm um die Sache ginge, müsste er von sich aus gehen. Wahrscheinlich braucht es für diesen Schritt erst eine empfindliche Niederlage der Grünen bei der Landtagswahl am Sonntag in Bremen.
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