Kommentar Trotz Daimler und VW: Die Musterklage ist gescheitert

Öffentlichkeitswirksame Verfahren gegen die großen Autobauer können nicht über die Mängel hinwegtäuschen.
Erst Volkswagen, jetzt Daimler: Der Verbraucherzentrale Bundesverband geht wegen der Abgasmanipulation gegen den nächsten Autobauer vor. Die Musterfeststellungsklage soll Tausenden Diesel-Besitzern den Weg zum Schadensersatz ebnen.
Auf den ersten Blick könnten die Klagen gegen die Konzerne als Beleg dafür dienen, dass die Ende 2018 eingeführte Musterklage funktioniert. Der mit einem Vergleich beendete Streit mit Volkswagen brachte ein gutes Ergebnis: Mehr als 200.000 Diesel-Besitzer erhielten eine Entschädigung zwischen 1350 Euro und 6257 Euro. Volkswagen schüttete mehr als 800 Millionen Euro an Kunden aus.
Hat die Musterklage also erreicht, was man sich von ihr versprochen hat? Im Wesentlichen wollte die Politik den Verbrauchern ein effizientes und kostengünstiges Instrument an die Hand geben, um ihre Rechte gegen oft übermächtige Konzerne durchzusetzen. Durch die Bündelung von Ansprüchen sollte die Justiz entlastet werden.
Diese Ziele wurden verfehlt. Seit Einführung gab es ganze 15 Verfahren dieser Art. Dies spiegelt nicht die wirtschaftliche Realität wider, in der klagende Konsumenten, Versicherungsnehmer und Kleinsparer auf ihren Tag vor Gericht warten. Die Justiz ist bleibt überlastet, die Musterklage hat daran nichts geändert.
Selbst das öffentlichkeitswirksame Verfahren gegen Volkswagen kann nicht über die Mängel hinwegtäuschen. In dem Fall lag die Schuld offen auf dem Tisch, der Konzern hatte seine Fehler in den USA schon zugegeben, bevor die erste Klage in Deutschland auch nur geschrieben war. Bei Daimler, obwohl in denselben Dieselskandal wie Volkswagen verstrickt, liegt die Sache schon ganz anders.
Selbst im Erfolgsfall müssten Verbraucher weiter klagen
Der Mercedes-Hersteller beharrt darauf, den Dieselfahrern keinen Schadensersatz zu schulden. Die Beweislage in Stuttgart ist dünner als in Wolfsburg. Zudem sind mit der Musterklage nur ein Bruchteil der Mercedes-Fahrzeuge erfasst, die vom Kraftfahrt-Bundesamt zurückgerufen wurden. Die große Mehrzahl der Diesel-Besitzer kann an der Musterklage nicht teilnehmen.
Wer daran teilnimmt, braucht viel Geduld. Es könnte Jahre dauern, bis rechtskräftig entschieden ist, ob überhaupt Ansprüche bestehen. Selbst im Erfolgsfall würden Musterkläger eine böse Überraschung erleben: Die Höhe des Schadensersatzes müsste jeder von ihnen selbst einklagen.
Wer da nicht am Sinn des Instruments zweifelt, muss schon sehr gutmütig sein. Anderen drängt sich ein Gedanke auf: Die Musterfeststellungsklage ist ein Muster ohne Wert. Sie gehört dringend reformiert.
Mehr: Warum die Verbraucherschützer Daimler im Dieselskandal verklagen
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