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  4. USA Wahlen 2020: Donald Trump zweifelt die US-Wahl 2020 an

KommentarTrump sorgt für seine Zeit als Ex-Präsident vor – und delegitimiert mehrere Institutionen auf einmal

Donald Trumps Auflehnen ist destruktiv. Im Grunde trifft er nicht mal seine politischen Gegner. Stattdessen greift er Tausende Menschen an, die sich für die Gesellschaft aufopfern.Annett Meiritz 05.11.2020 - 06:00 Uhr Artikel anhören

Make America Great Again – über Monate hatte er Warnzeichen gegeben.

Foto: AFP

Washington. Kommt ein Präsident ins Weiße Haus und will nicht wieder raus. Was klingt wie der Beginn eines schlechten Witzes, ist in den USA nicht erst seit der dramatischen Wahlnacht Realität.

Es war eine Sache, in der Theorie darüber nachzudenken, dass Donald Trump die Wahlen nicht anerkennen will. Über Monate hatte er Warnzeichen gegeben: Er wollte die Wahlen verschieben, zweifelte sie im Vorfeld an, rief seine Anhänger zur Sabotage auf.

Es ist eine andere Sache, dem Präsidenten der größten Industrienation dabei zuzusehen, wie er seinen Sieg ausruft, obwohl noch Auszählungen laufen. Erschütternd ist das, einer Demokratie unwürdig. Aber aus Trumps Sicht ist es nur die konsequente Fortsetzung dessen, wie er sein Amt betrachtet. „Ich bin nicht präsidial, deshalb mögen mich die Leute“, sagte er oft auf Kundgebungen.

In knapp vier Jahren etablierte er sich als prominentester Gegner des Systems, eingebettet in ebenjenes System. Er nutzte es, wenn es seinen Zielen diente, er torpedierte es, wenn es ihm schadete. Es war naiv, auch nur ansatzweise zu glauben, dass Trump damit aufhören würde, nur weil Wahltag ist.

Inwiefern nutzt ihm nun seine Kampagne des Misstrauens? Kann sie ihn im Weißen Haus halten? Wahrscheinlich nicht. Theoretisch ist es zwar noch immer möglich, dass die Wahlen vor dem Supreme Court landen. Allerdings geht das nur dann, sollten Trumps Juristen konkrete Unstimmigkeiten geltend machen können.

So geschah es in Florida im Rennen zwischen George W. Bush und Al Gore. Erfolgschancen hätte das Unterfangen nur dann, wenn das Ergebnis in einem bestimmten Bundesstaat besonders knapp wäre, wonach es im Moment nicht aussieht.

Warum tut Trump dann das, was er tut? Er gewinnt Zeit, die das Feuer seiner Anhänger am Brennen hält. Zeit, die eigentlich notwendig wäre, ein Hilfspaket gegen die Corona-Pandemie zu beschließen. Zeit, die die Erzählung untermauert, der Sieg sei ihm gestohlen worden.

Es ist eine Erzählung, die sich bei einem nicht unbeträchtlichen Teil der US-Bürger festsetzen wird. So wie bis heute manche Amerikaner glauben, Barack Obama sei kein US-Staatsbürger und die Mondlandung ein Fake.

Trump sorgt damit für seine Zeit außerhalb des Weißen Hauses vor, und er delegitimiert parallel gleich mehrere Institutionen auf einmal. Zum einen spannt er die Gerichte für seine Zwecke ein, indem er Klagen in Michigan, Wisconsin und Pennsylvania eingereicht hat.

Dass er in seiner Amtszeit zahlreiche Gerichte konservativ besetzte, war sein gutes Recht – und ein Hauptgrund, warum so viele Republikaner zu ihm halten. Wenn er sie aber nun für seinen Feldzug gegen die politische Konkurrenz nutzt, bislang ohne konkreten Verdachtsmoment, kommt das einem Missbrauch der Gewalten gleich.

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Auch spricht er Millionen Bürgern ihr Wahlrecht ab, indem er Formfehler unterstellt, ohne Vorfälle benennen zu können. Seine Behauptung, dass Briefe, die später als in der Wahlnacht ausgezählt würden, ungültig seien, ist jedenfalls falsch.

Bundesstaaten dürfen sich legal mehrere Wochen dafür Zeit nehmen. Bemerkenswert ist zudem, dass ihm niemand das Mikrofon wegnimmt. Indem sie schweigend zusehen, tragen seine Mitarbeiter und Berater dazu bei, das Gerüst der Demokratie zur bedeutungslosen Hülle zu entwerten.

Trumps Auflehnen ist destruktiv, ohne das höhere Ziel einer Verbesserung von Missständen. Er scheint niemandem helfen zu wollen, außer kurzfristig sich selbst. Im Grunde trifft er nicht mal seine politischen Gegner, die einfach nur die Auszählungen abwarten müssen. Stattdessen greift er Tausende Menschen an, die sich für die Gesellschaft aufopferten, die mit Masken, Abstand und schlechtem Kaffee Umschläge aufrissen und für Transparenz sorgten.

Denn allen, die die USA als „failed state“ brandmarken, sei gesagt: Diese Nation hat inmitten einer historischen Pandemie eine logistische Höchstleistung hingelegt. Binnen weniger Wochen wurden mehr als 100 Millionen Briefwahlen und weitgehend reibungslose Abläufe ermöglicht. Von diesem Enthusiasmus fürs politische Ehrenamt und dieser Fülle an Graswurzelbewegungen kann man in Europa nur träumen.

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Sollte Joe Biden diese Wahlen gewinnen, wird er sich mit den Nachwirkungen von Trumps vermeintlicher Heldengeschichte auseinandersetzen müssen. Der Demokrat trat mit dem Versprechen an, das Land zu einen. Doch er müsste das Präsidentenamt übernehmen in dem deprimierenden Wissen, dass Millionen Trump-Anhänger seinen Sieg für gestohlen halten. 

Mehr: Warum so viele US-Bürger für Trump stimmten - eine Analyse.

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