1. Startseite
  2. Meinung
  3. Kommentare
  4. Kommentar: Überregulierung im Urheberrecht kann nicht die Antwort auf KI sein

KommentarÜberregulierung im Urheberrecht kann nicht die Antwort auf KI sein

KI-Unternehmen trainieren ihre Modelle mit geschützten Werken. Urheber fühlen sich betrogen. Strengere Gesetze dürften daran wenig ändern – und könnten ungewollte Folgen haben. Jürgen Klöckner 06.12.2023 - 13:15 Uhr
Artikel anhören
Ein durch KI erschaffenes Bild: Datenkrake bei der Arbeit. Foto: Michel/Midjourney

Aus Sicht von Autoren, Künstlern und Designern handelt es sich um einen großen Betrug. Seit einem Jahr herrscht ein globaler Hype um Unternehmen wie OpenAI und deren Technologien, die mithilfe Künstlicher Intelligenz (KI) alle Arten von Texten und künstlerische Bilder erzeugt. Die Firmen machen damit ein Vermögen. Mit einer Milliarde Euro Umsatz im Jahr rechnet OpenAI.

Ein Teil dieses Erfolgs beruht darauf, dass die Unternehmen ihre KI-Systeme mit den Inhalten der Kreativen und Kunstschaffenden trainieren – mit Fotografien, Texten, Liedern, Grafiken und Filmen. Die Modelle sind heute schon so gut und so günstig, dass ganze Berufszweige um ihre Existenz fürchten.

So ist es kein Wunder, dass manch Kreativer den rasanten Fortschritt als den  größten „Diebstahl der Geschichte" wahrnimmt. Wann wurde schon einmal so viel Gedankengut, so viel kreatives Schaffen verwertet – ohne die Urheber zu fragen, geschweige denn dafür zu entlohnen? Bedient werden Urängste von Mensch gegen Maschine, die jenen von vor über 100 Jahren sehr ähneln, als Fotografie und Film aufkamen.

Der Philosoph Walter Benjamin beschrieb sie am Vorabend des Zweiten Weltkriegs als „Zertrümmerung der Aura“ des Kunstwerks. Die Reproduktion löse die klassische Malerei von dem „Hier und Jetzt“, eine „weltgeschichtliche Umwälzung“. Diese Umwälzung ereignet sich nun erneut, und sie ist eine der brennendsten Fragen in der heiß laufenden Debatte um schärfere Gesetze durch die KI-Verordnung auf europäischer Ebene.

Brüssel soll diese Ungerechtigkeit nämlich in die Schranken weisen. Die EU arbeitet an einer KI-Verordnung, die auch die Interessen der Kreativbranche schützen soll. Am Mittwoch kamen die Verhandler erneut zusammen, Ergebnisse standen bislang noch aus. Die große Frage dabei ist, wie stark Brüssel die Urheber schützen wird.

>> Lesen Sie hier: Verleger und KI-Unternehmen liefern sich Lobby-Showdown in Brüssel

Verlage und große Rechteinhaber lobbyieren für Transparenzpflichten. Sie wollen wissen, welche Werke die Unternehmen verwendet haben, um ihre Modelle zu trainieren. KI-Unternehmen wiederum fürchten um ihr Geschäft – Sorgen, die auch die Bundesregierung teilt und sich für eine möglichst lasche Regulierung einsetzt. Dafür gibt es – trotz der hitzigen Debatte – auch gute Gründe.

Zum einen schützt das Urheberrecht keinen Stil und keine Schreibmuster, sonst wäre es das Ende jeden kreativen Schaffens. Schließlich können sich auch Künstler im Museum andere Bilder anschauen oder nach der Lektüre literarischer Klassiker ein Buch schreiben. Sehr vereinfacht gesagt funktioniert so auch das Training großer KI-Modelle.

Handelsblatt Disrupt

Tech-Optimistin Nicole Büttner: „KI ist wie Doping, wie ein persönlicher Assistent“

01.12.2023
Abspielen 55:24

Jetzt könnte man einwenden, dass das Ausmaß viel gewaltiger ist – und darüber hinaus damit Milliarden verdient werden. Nun, das stimmt, und das ist auch eine Frage, mit der sich Juristen auseinandersetzen. Die Kreativwirtschaft aber wird das nicht retten.

Jede technische Revolution hat bestehende Geschäftsmodelle herausgefordert. Das können aber auch selbst die strengsten Gesetze aus Brüssel nicht aufhalten. Als das Internet aufkam, setzten Verlage viel zu lange auf das klassische Zeitungsgeschäft. Zwanzig Jahre dauerte es, bis sie in der Neuzeit ankamen. In der KI-Revolution bleiben ihnen vielleicht wenige Jahre. Die Kreativbranche muss sich auch dieses Mal neu erfinden. 

Überregulierung kann nicht die Antwort sein

Zumal Regulierung auch einen hohen Preis hat. Es geht um Technologien, die nicht nur Kultur schaffen, sondern ganze Industrien umwälzen, neue Medikamente erforschen und von denen sich viele einen nie da gewesenen zivilisatorischen Fortschritt erhoffen. Unternehmen in den USA und China sind bereits mit riesigen KI-Modellen enteilt. Sie müssen schärfere Gesetze weniger fürchten, da sie im Zweifel in einem anderen Rechtsraum agieren und viel Geld haben, die Anforderungen zu erfüllen.

Wenn Europa in diesem technologischen Wettrennen aufholen oder gar mithalten will, darf es die hiesigen Unternehmen nicht mit zu strengen Regularien einbremsen. Darunter sind schließlich auch Rechteinhaber, die KI als neues Geschäftsfeld entdeckt haben, um ihre Zukunft abzusichern. Überregulierung kann also auch aus Sicht der Urheber nicht die Antwort sein. 

Künstliche Intelligenz

Berlin, Paris und Rom einig über Prinzipien von KI-Regulierung in EU

Aus der Verantwortung kann man die Unternehmen aber nicht entlassen, das wäre zu einfach. Seit 2019 müssen sie mit einer Novelle des Urheberrechts rechnen. Sie erlaubt Data-Mining zwar für kommerzielle Zwecke. Gleichzeitig müssen Urheber aber die Möglichkeit haben, der Nutzung ihrer Werke zu widersprechen.

Deswegen pochen sie nun auch auf die Transparenzpflicht. Denn derzeit gibt es für sie keine Möglichkeit, zu erfahren, welche ihrer Werke verwendet wurden. Als Unternehmen wie Aleph Alpha und OpenAI ihre Modelle trainiert haben, bewegten sie sich in einer rechtlichen Grauzone. 

Das Urheberrecht muss angepasst werden

Sie nahmen in Kauf, dass Rechteinhaber Ansprüche geltend machen, die sogar ihr Geschäftsmodell bedrohen könnten. Mögliche Klagen können die Folge sein, die wiederum auch KI-Unternehmen vor existenzielle Fragen stellt. Deswegen müssen gerade sie ein Interesse an rechtlicher Klarheit haben, die Regulierung schaffen kann. Nur so können sie ihr Geschäft absichern.

Sich gegen die Regulierung von Urheberrecht in der KI-Verordnung zu stellen greift also zu kurz und wäre naiv. Das Urheberrecht muss über kurz oder lang auch in ihrem Sinne an die neue Zeit angepasst werden.

Verwandte Themen OpenAI Künstliche Intelligenz Ferrari Aleph Alpha Europa Software

Hinzu kommt ein zweiter Grund: Schon jetzt kommt das Training von KI-Modellen an seine Grenzen. Es fehlt schlicht an Daten. Wenn Rechteinhaber künftig keinen Zugriff mehr auf ihre Werke erteilen wollen, schneiden sie KI-Unternehmen von qualitativ hochwertigen Daten ab – einem extrem wertvollen Rohstoff für noch bessere Modelle.

Ein Ferrari, dessen Karosserie aus Plastik gebaut ist, kommt schließlich auch nur wenige Kilometer weit. Unternehmen sollten also ein ureigenes Interesse daran haben, sich den Zugang zu möglichst viele Rohstoffen zu sichern. Und dies geht nur mit der Kreativbranche – und nicht ohne.

Mehr: Warum die nächsten 14 Tage über Deutschlands KI-Zukunft entscheiden.

Mehr zum Thema
Unsere Partner
Anzeige
remind.me
Jetziges Strom-/Gaspreistief nutzen, bevor die Preise wieder steigen
Anzeige
Homeday
Immobilienbewertung von Homeday - kostenlos, unverbindlich & schnell
Anzeige
IT Boltwise
Fachmagazin in Deutschland mit Fokus auf Künstliche Intelligenz und Robotik
Anzeige
Presseportal
Direkt hier lesen!
Anzeige
STELLENMARKT
Mit unserem Karriere-Portal den Traumjob finden
Anzeige
Expertentesten.de
Produktvergleich - schnell zum besten Produkt