Kommentar: Union und SPD haben die gedrückte Corona-Stimmung im Land auf Zuversicht gedreht

Das ermutigende Konjunkturpaket hatte kaum jemand mehr der oft so erschöpft wirkenden Großen Koalition zugetraut.
Überraschendes, viel Geld und Pragmatismus: Mit diesen Zutaten für ihr Konjunkturpaket haben Union und SPD auf einen Schlag die gedrückte Corona-Stimmung im Land auf Zuversicht gedreht. Genau das hatte kaum jemand mehr der oft so erschöpft wirkenden Großen Koalition zugetraut.
Erwartet worden war das Übliche, in diesem Fall: Ein Strukturen konservierender Unions-Plan – Autoprämie für Verbrenner – würde mit einem langfristigen Nebenziel der SPD – Altschuldenfonds für Kommunen – addiert.
Danach würde dann weiteres Geld – wegen der Konjunkturpaket-Obergrenze der CSU – für Zukunftsprojekte fehlen. Von diesem Muster haben sich die führungsstarken Politiker Angela Merkel (CDU), Olaf Scholz (SPD) und Markus Söder (CSU) zum Glück gelöst und den Weg freigeräumt für ein tatsächlich mutiges Programm.
Die befristete Mehrwertsteuersenkung hatte kein Beobachter erwartet, und genau deshalb wirkt sie als starkes Signal an alle: Geht jetzt einkaufen! Ob das funktioniert oder ob die Händler die Preise nicht senken und den Steuervorteil einstreichen, wissen die Ökonomen mangels entsprechender Forschung nicht.
Die Hoffnung besteht aber, dass die Verbraucher in den Läden auf der Preissenkung beharren und dann auch langlebigere Konsumgüter anschaffen. Die Mehrwertsteuersenkung wird jedenfalls überall Gesprächsthema sein, und zwar ein positiveres als das Lamento über Corona-Einschränkungen.
Und: Die Steuersenkung bevorteilt keine Branche, auch der Luxus-SUV bekommt wie jedes Produkt indirekt eine Kaufprämie. Ganz nebenbei treten die Volksparteien dem Eindruck entgegen, sich abhängig zu machen von der stärksten Industrielobby. Eine höhere Kaufprämie gibt es nur für Elektroautos.
Auch darüber hinaus ist das Konjunkturpaket gut ausbalanciert. Familien mit niedrigen und mittleren Einkommen hilft der Kinderbonus zumindest ein wenig. Für Unternehmen wird die Mittelstandslücke bei den Überbrückungshilfen geschlossen, großzügigere Abschreibungen und Verlustrückträge sorgen für dringend benötigte Liquidität.
Koalitionsvertrag 2.0
Das Paket erfüllt auch die Kriterien für ein Konjunkturprogramm: Es muss schnell kommen, gezielt wirken und befristet sein (timely, targeted, temporary). Für den Wachstumsschub braucht es den Zeitdruck durch Befristung, damit das Geld den Wirtschaftskreislauf sofort in Schwung bringen kann.
Die Gefahr von Konjunkturpolitik ist immer, so viel Geld auszugeben, dass danach für Zukunftsinvestitionen nichts mehr übrig ist. Den Fehler macht die Koalition nicht: Sie stockt gleichzeitig die Programme für Zukunftstechnologien, für die Energiewende und die Digitalisierung auf.
Das gibt dem Konjunkturimpuls die Richtung vor. Nebenbei schüttelt die Koalition den Staub ihrer langen Regierungszeit ab und zeigt: Wir gehen die Modernisierung ab sofort sehr entschieden an.
Nicht zufällig liest sich die 15-Seiten-Liste wie ein Koalitionsvertrag 2.0 für die verbleibende Regierungszeit, diesmal entschlackt von Parteienideologie. Sogar die Rüstungsindustrie darf hoffen, dass lange geplante Bestellungen für die Bundeswehr jetzt entgegen allen SPD-Bedenken zügig den Bundestag passieren werden.
Psychologisch ist der Blick nach vorn von unschätzbarem Wert. Jede Krise lässt sich leichter überstehen, wenn es Ziele für die Zukunft gibt anstelle eines öden Immer-weiter-so.
Eine Chance für stärkeres Wachstum eröffnet das Konjunkturpaket also. Je stärker die Wirtschaft wieder wächst, desto weniger werden die neuen Staatsschulden nach der Krise zur Last. Weitere 130 Milliarden Euro: Das klingt zunächst nach viel.
Alternative: Verzicht auf das Paket
Der zweite Blick auf die Kosten der einzelnen Punkte zeigt aber: Das Paket wurde in Teilen großgerechnet. 25 Milliarden Euro für Überbrückungshilfen an Unternehmen etwa liegen noch aus dem ersten Corona-Hilfsprogramm bereit, sie werden derzeit also in beiden Programmen gezählt.
Die temporären Steuerentlastungen für Unternehmen wiederum verschieben Steuereinnahmen des Staates großenteils nur auf spätere Jahre.
Und öffentliche Investitionen refinanzieren sich über die Jahre zu großen Teilen selbst. Wenn Söder es wollte, könnte er also das 130-Milliarden-Programm ganz seriös unter seine Obergrenze von 100 Milliarden rechnen.
Die Schulden vermeidende Alternative wäre der Verzicht auf das Paket. Zu befürchten wären dann eine in Angst erstarrte Wirtschaft und Gesellschaft, die aus der Rezession in eine Depression rutschen könnten.
Der Staat könnte sich dann bei schwindenden Steuereinnahmen und höheren Sozialkosten nicht mehr aus laufenden Einnahmen finanzieren. Auch in diesem Szenario müsste er hohe Schulden aufnehmen – oder der Krise hinterhersparen. Das Ergebnis ist seit den 1930er-Jahren bekannt.
Mehr: Steuersenkung, Autoprämien und Kinderbonus: Das steckt im „Kraftpaket“ für die Konjunktur





