Kommentar Verkorkster Neustart: Schulen öffnen ohne überzeugendes Konzept

Mecklenburg-Vorpommern ist das erste Bundesland, das den landesweiten Regelbetrieb an den Schulen wieder aufnimmt.
Es ist ja nicht so, als würde sich der Staat nicht für das Schicksal der Kinder und Jugendlichen in Coronazeiten interessieren. Vor wenigen Tagen hat die Drogenbeauftragte der Bundesregierung eine Kampagne gegen Onlinesucht angekündigt. Zusammen mit „vielen tollen Partnern“, mit bunten Flyern und natürlich einer Website will Daniela Ludwig (CSU) dafür werben, dass Kinder zwischen sechs und zehn Jahren pro Tag höchstens 60 Minuten vor Bildschirmmedien verbringen.
In den vergangenen Wochen hätten Politiker aller Parteien reichlich Gelegenheit gehabt, die Bildschirmzeit von Jugendlichen nachhaltig zu reduzieren: mit einem überzeugenden Konzept, wie sich Präsenzunterricht auch in Coronazeiten sicher organisieren lässt.
Stattdessen gehen in diesen Tagen in den meisten Bundesländern die Sommerferien zu Ende, die Schüler kehren in die Klassenzimmer zurück, und es regiert das Prinzip Hoffnung: ein bisschen Maske tragen auf dem Schulflur (aber nicht flächendeckend im Unterricht), ein paar Ermahnungen zum Händewaschen, und dann mal abwarten. Angesichts erneut steigender Corona-Fallzahlen in Deutschland eine ziemlich riskante Strategie.
Wobei es sich nicht wirklich um eine Strategie handelt. Die hätte zum Beispiel so aussehen können: Die Klassen werden geteilt, die Schulen dehnen die Unterrichtszeiten aus, um die Schülerzahl in den Klassenzimmern zu reduzieren und so die Abstandsregeln einzuhalten.
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Um den dann steigenden Lehrerbedarf zu decken, werden alle in den Behörden verfügbaren Pädagogen vorübergehend ausschließlich im Unterricht eingesetzt, andere Beamte übernehmen ihre Aufgaben. Die Zahl der Unterrichtsstunden, die jeder Lehrer leisten muss, wird bis zum Ende der Coronakrise deutlich angehoben. Ach ja, und auch im Unterricht gilt Maskenpflicht.
Ein Konzept fehlt
Völlig naiv? Rechtlich unmöglich? Politisch nicht durchsetzbar? Nun, in den vergangenen Monaten war in Deutschland sehr vieles plötzlich möglich, was wir bislang für ausgeschlossen hielten. Aber ausgerechnet im Schulwesen, der vielleicht wichtigsten Kernaufgabe des Staates, regiert vielerorts das wurstige Klein-Klein.
Im Frühjahr wurden die Schulen geschlossen, danach blieb es vor allem dem Engagement der einzelnen Lehrkraft überlassen, inwieweit sie sich weiterhin um die ihr anvertrauten Kinder kümmerte. Dann musste man sich in den Sommerferien erst einmal erholen.
Nun öffnen die Schulen wieder, weil es politisch so gewollt ist, aber vielerorts ohne überzeugendes Schutzkonzept. Die wahrscheinlichste Folge: Nach den ersten Corona-Infektionsfällen werden einzelne Schulen wieder schließen, womöglich sogar flächendeckend.
Die Schüler müssen erneut stundenlang vor dem Bildschirm lernen. Wen die Eltern dabei nicht unterstützen können, der fällt noch weiter zurück. Da helfen dann auch keine bunten Flyer mehr.
Mehr: Verfolgen Sie die aktuellen Entwicklungen in der Coronakrise in unserem Newsblog.
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