Kommentar: Warum das neue Wüstenstrom-Projekt wirklich Hoffnung macht


Wer sich noch an das „Desertec“-Projekt erinnert, der weiß: Anfangs herrschte Euphorie, am Ende war „Desertec“ zu ein paar regionalen Projekten zusammengeschrumpft.
Die Initiatoren von „Sila Atlantik“ planen auf den ersten Blick ein „Desertec 2.0“. Sie wollen in großem Maßstab Strom in Marokko produzieren und nach Deutschland leiten. Aber das Projekt steht unter anderen Vorzeichen.
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Der größte Trumpf von „Sila Atlantik“ ist die Stetigkeit der Stromerzeugung. Wind- und Sonnenstrom lassen sich in Marokko zusammen mit einem Batteriespeicher zu 7.000 Jahresstunden mit kontinuierlicher Erzeugung kombinieren.
Zur Einordnung: In Deutschland kommt eine Photovoltaik-Anlage meist nicht über den Wert von 1.000 Volllaststunden hinaus, bei Windrädern an Land sind in Deutschland 3.000 Stunden ein guter Wert. Doch das Jahr hat 8.760 Stunden.
Die lückenhafte und volatile Erzeugung in Deutschland wird mit wachsendem Anteil von Wind- und Sonnenstrom zur Herausforderung. Es muss ein Back-up-System aus Kraftwerken und Speichern her, die Netze müssen massiv ausgebaut werden.
Alle Beiträge zur Verstetigung der Erzeugung haben daher hohen Wert. Genau hier setzt „Sila Atlantik“ an. Die Stromerzeugung in Marokko ist gut planbar, das Back-up-System wird nicht stark beansprucht.
Anreize für neue Gaskraftwerke
Zwar stand auch „Desertec“ für eine stetige Stromerzeugung. Aber das war damals nicht von so hoher Bedeutung wie heute. Vor über 20 Jahren gab es in Deutschland noch keinen Mangel an verlässlicher, jederzeit verfügbarer Kraftwerksleistung.
Das hat sich mit dem Abschied von der Atomkraft und dem in Teilen vollzogenen Ausstieg aus der Kohleverstromung geändert. Seit Jahren versucht die Politik, Anreize für den Bau neuer Gaskraftwerke zu schaffen, um die entstandenen Lücken zu füllen. Bislang ohne Erfolg. „Sila Atlantik“ kommt da wie gerufen.
Ein weiterer Unterschied: Desertec setzte insbesondere auf solarthermische Kraftwerke („Concentrated Solar Power“, kurz CSP). In solchen Anlagen wird Sonnenstrahlung über Spiegel gebündelt und damit Dampf erzeugt, der eine Turbine antreibt, um dann mit einem Generator Strom zu erzeugen. Das ist kühn, aber viel zu teuer.
„Sila Atlantik“ will dagegen Photovoltaik-Anlagen installieren. Die Photovoltaik hat eine rasante Kostendegression hingelegt. Das gilt auch für die Windkraft.
Die Initiatoren müssen noch viele Fragen beantworten. Etwa die, warum das Kabel zur Stromübertragung keinen Abzweig in Portugal, Spanien oder Frankreich hat. Aber sie haben eine wohlwollende Begleitung verdient, auch durch die Bundesregierung.


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Erstpublikation: 19.09.2025, 16:55 Uhr.





