Kommentar Warum sich Leuchttürme im Marketing lohnen

Auf den Tikots der Manchester-United-Spieler steht ab der nächsten Saison Teamviewer statt Chevrolet.
Düsseldorf Teamviewer hat die Börse geschockt. Vor einigen Tagen kündigte das deutsche Softwareunternehmen an, ab der nächsten Saison Hauptsponsor des britischen Fußballklubs Manchester United zu werden. Die Nachricht an sich war nicht spektakulär. Spektakulär allerdings war aus Sicht der Finanzmärkte der Preis, den Teamviewer dafür zahlt: rund ein Zehntel seines Umsatzes. Ein irrwitziger Marketingcoup. Der Aktienkurs, der bei 42 Euro lag, sackte zeitweise auf unter 36 Euro ab. Eine Erholung in den Folgetagen blieb aus.
Teamviewer ist es nicht gelungen, die Marketingausgabe als sinnvolle Investition in die Zukunft darzustellen. Die Finanzmärkte sehen in den 46 Millionen Euro, die das Unternehmen bezahlt haben soll, ein Abenteuer. Tatsächlich hat es eine solche Dimension in der Marketingwelt noch nicht gegeben.
Gerade in der Vermarktung gilt allerdings nicht selten: Die Größenwahnsinnigen ziehen die Aufmerksamkeit und zuweilen auch den Erfolg auf sich. Wer nichts wagt, kann nicht gewinnen. Und tatsächlich gibt es gute Gründe, warum das Manchester-United-Sponsoring von Teamviewer eine gute Entscheidung war.
Erstens, die Marketingwelt lechzt nach Leuchttürmen. Zu viele Medienkanäle, zu viel Content, zu viele Unternehmen, die ihre Botschaften aussenden, erschöpfen die Konsumenten zusehends. Eine wahre Reklame-Sintflut. Die Konsequenz: Die Menschen hören einfach weg. Sie stehen auf, wenn der Werbeblock im TV läuft, sie installieren Adblocker, um die digitale Werbung auszuschalten. Der größte Feind der Werbung ist sie selbst geworden.
Unternehmen müssen Wege finden, wie sie dennoch zu den Konsumenten durchdringen. Dabei hilft tatsächlich eine gute Portion Gigantomanie. „Think big“, denke groß, nach diesem Prinzip ist schon so manche erfolgreiche Marketingaktion entstanden.
Allein der PR-Effekt ist viel wert
Beispiel Super Bowl: Zum Finale des weltgrößten Einzelsportereignisses überbieten die Unternehmen sich mit aberwitzig teuren Spots. Dieses Jahr lag der Preis für eine halbe Minute Sendezeit bei 5,6 Millionen Dollar. Dabei sind noch nicht die hohen Produktionskosten eingerechnet. Eine Ausgabe, die sich aber oft genug gerechnet hat.
Als legendär gilt der Werbespot „1984“, den Apple während des Super Bowls schaltete und darin seinen Macintosh bewarb. Rund 900.000 Dollar kostete der Spot 1984. Zu viel Geld, befand der Verwaltungsrat von Apple seinerzeit und wollte die Sendezeit zurückgeben. Doch das gelang nicht. Danach startete der Siegeszug der Marke, deren Wert heute laut der Beratung Interbrand bei 323 Milliarden Dollar liegt.
Nun ist Teamviewer nicht Apple. Weder hat das deutsche Unternehmen derartige Designprodukte im Programm, noch inszeniert es Produktpräsentationen im Stil von „One more thing“, womit der Gründer Steve Jobs die Vorstellung neuer Endgeräte einst einleitete. Vielen Menschen ist das Unternehmen Teamviewer noch nicht einmal ein Begriff. Aber darf man deswegen keinen Leuchtturm in die Werbelandschaft setzen? Doch, man sollte es sogar.
Allein der Effekt, den die Berichterstattung über solche Marketingaktionen erzeugt, ist Millionen Euro wert. Der Marke Teamviewer hat es sicherlich nicht geschadet, dass seit Tagen über deren vermeintlichen Größenwahn diskutiert wird. Werber gehen in der aufgeregten Medienwelt sogar so weit, dass sie bestimmte Marketingaktionen nur deshalb machen, damit die Medien darüber berichten. Das Food-Start-up Followfood lässt von Influencern Babydelfine verspeisen oder Tattoos ins Gesicht stechen, alles nur Show, alles gefakt, aber der Gesprächsstoff soll angeheizt werden.
Teure Marketing-Coups gelingen nur mit festen Zielen
Wer einen Marketingleuchtturm baut, sollte allerdings handfeste Ziele verfolgen. Denn am Ende zählt, ob sich die Investition in den Verkaufszahlen der nächsten Jahre widerspiegeln wird. Teamviewer, 2005 gegründet, seit 2019 an der Börse, hat angekündigt, seinen Umsatz in den nächsten zwei Jahren auf eine Milliarde Euro verdoppeln zu wollen. Dabei hat es vor allem die Wachstumsmärkte Amerika und Asien im Visier – in denen man viele Manchester-Fans vermutet. Viele Entscheider sind fußballaffin – sie sehen nun regelmäßig das Firmenlogo auf der Brust der Spieler.
Nach der Aufmerksamkeit kommt die Aktivierung: Unternehmen sollten kostspielige Marketingaktionen breitflächig ausnutzen. Im Fall von Teamviewer könnte das zum Beispiel eine Einbeziehung der eigenen Technologie, die auch mit Augmented Reality arbeitet, in das Stadiongeschehen sein. Mit eigenen digitalen Tools könnten die Fans neue Perspektiven auf das Spiel bekommen. Das wäre nur eine der Möglichkeiten.
„Die Hälfte meiner Werbung ist hinausgeworfenes Geld – ich weiß nur nicht, welche Hälfte.“ Dieser oft zitierte Spruch von Henry Ford bleibt auch heute noch aktuell. Ob ein Marketingcoup funktioniert, lässt sich trotz aller Datengläubigkeit der Branche nicht vorher berechnen. Das wird die Zeit zeigen. Aber mutig sein ist schon mal ein erster Schritt in die richtige Richtung.
Mehr: Das Fußball-Sponsoring missfällt den Teamviewer-Aktionären
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