Kommentar: Wehrpflicht - Warum Deutschland auf Profis setzen sollte


Die Debatte um die Rückkehr zur Wehrpflicht ist neu entfacht – und sie führt in die falsche Richtung. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) benötigt 60.000 zusätzliche Soldaten, das liegt an neuen Planungszielen der Nato. Doch sein Zwei-Stufen-Modell, das am Ende auf eine Reaktivierung der Wehrpflicht hinausläuft, verkennt die Realität moderner Streitkräfte. Die Bundeswehr benötigt Profis, keine halb fertigen Soldaten – und schon gar kein „Kanonenfutter“. Die jungen wehrpflichtigen Männer und Frauen hätten in einem Hightech-Krieg kaum eine Chance.
Das zugrunde liegende Kalkül scheint klar: Wenn möglichst viele junge Menschen mit der Bundeswehr in Berührung kommen, bleibt vielleicht ein Teil als Zeit- oder Berufssoldaten. Doch dieser Gedanke entspringt einem veralteten Verständnis von militärischem Personalmanagement. Moderne Streitkräfte basieren nicht auf Masse, sondern auf Qualität.
Es geht nicht mehr um das Ausheben von Schützengräben, sondern um Hightech, Drohnenoperationen und Cyberabwehr. Spindkontrolle und Gewaltmärsche wirken in diesem Kontext wie aus der Zeit gefallen.
Der Versuch, innerhalb eines Jahres aus einem jungen Menschen einen kampffähigen Soldaten zu machen, ist illusionär. Stattdessen sollten wir die digitalen Kompetenzen junger Menschen als Ressource begreifen – insbesondere in Bereichen wie Aufklärung, Drohnensteuerung oder IT-Sicherheit.
Bevor der Wehrpflichtige die Kaserne wieder in Richtung Zivilleben verlässt, sind bereits zwei neue Drohnengenerationen entwickelt worden. Statt die Wehrpflicht wieder einzuführen, sollte sich Minister Pistorius genau darauf konzentrieren: auf die Weiterentwicklung moderner Waffensysteme.
Kanzler schwelgt in Nostalgie – doch die hilft nicht
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) erinnerte sich kürzlich öffentlich an seine Wehrdienstzeit und an die Kameradschaft in der Truppe. Doch Nostalgie taugt nicht als Leitmotiv für moderne Sicherheitspolitik. Die Herausforderungen von heute lassen sich nicht mit den Antworten von gestern lösen.
Statt einer Rückkehr zur Wehrpflicht muss die Bundeswehr attraktiver werden – beginnend mit einer besseren Bezahlung und der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Warum verdient ein U-Boot-Soldat nicht deutlich mehr als jemand, der im Innendienst arbeitet? Leistung und Risiko müssen sich lohnen. Wer mit Hightech umgehen soll, muss dafür auch entsprechend ausgebildet und entlohnt werden.
Andere Länder wie die USA zeigen, wie eine schlagkräftige, freiwillige Armee funktionieren kann: mit hochqualifiziertem Personal, das den Beruf des Soldaten ernst nimmt – mit allen Konsequenzen.






Die Wehrpflichtdebatte hat letztlich auch eine politische Komponente. Weder Union noch SPD gewinnen junge Wähler zurück, indem sie ihnen ein Jahr Zwangsdienst verordnen. Wer echte Lösungen für die Bundeswehr will, muss auf Freiwilligkeit, Attraktivität und Professionalität setzen – nicht auf Zwang.






