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KommentarWenn der Sozialstaat doch ein Panzer oder eine Brücke wäre

Bei der Bundeswehr oder der maroden Infrastruktur hat die Politik den Handlungsbedarf erkannt. Im Sozialbereich gilt dagegen: nichts sehen, nichts hören, nichts sagen.Frank Specht 21.03.2025 - 16:30 Uhr
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Wenn Geld aus den Schuldentöpfen auch in Krankenhäuser fließen soll, entlastet das die Beitragszahler. Es nimmt aber den Reformdruck aus dem System.. Foto: Westend61/Getty Images

Schade, dass der deutsche Sozialstaat keine Brücke oder kein Panzer ist. Denn sonst würde er vielleicht endlich die Aufmerksamkeit bekommen, die er verdient. Während die Politik angesichts der zerbröselnden Infrastruktur und des beklagenswerten Zustands der Bundeswehr endlich den Handlungsdruck erkannt und akzeptiert hat, agiert sie im Sozialbereich wie die drei sprichwörtlichen weisen Affen: nichts sehen, nichts hören, nichts sagen.

Der imperialistische Aggressor Putin, gesperrte Autobahnen, verspätete Züge oder langsames Internet zeigen täglich die Schwächen bei Militär, Verkehrsnetzen und Digitalisierung. Der Reformdruck in der Sozialpolitik ist weniger offensichtlich, aber nicht weniger groß.

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Und die Schwächen lassen sich – anders als im Fall der Bundeswehr und der Infrastruktur – auch nicht mit viel Geld zukleistern. Im Gegenteil. Hier sind echte Strukturreformen gefragt, die Geld sparen helfen. Doch die wahrscheinlichen nächsten Koalitionsparteien CDU, CSU und SPD lassen dazu bislang keinen Willen erkennen.

Bei der Rente hatte die Ampel mit dem geplanten Einstieg in die teilweise Kapitaldeckung immerhin eine zaghafte Antwort auf die Herausforderungen der alternden Gesellschaft versucht. Union und SPD planen nun mit der Stabilisierung des Rentenniveaus und der Mütterrente nur Leistungsausweitungen, ohne sich um die Finanzierung der Ruhegelder für die Babyboomer zu scheren.

Mehr als ein Viertel des Bundeshaushalts fließt in Rente und Krankenversicherung

Im Gesundheitsbereich zahlen die Bürgerinnen und Bürger rekordhohe Krankenversicherungsbeiträge, sind aber mit den Leistungen des Systems immer weniger zufrieden. Wenn nun Geld aus den geplanten Schuldentöpfen auch in Krankenhäuser fließen soll, entlastet das zwar die Beitragszahler.

Es nimmt aber zugleich wieder den Reformdruck aus dem System. Die Pflegekrise, deren Bewältigung sich in der Methusalem-Republik zur Jahrhundertaufgabe auswachsen dürfte, findet sich im Sondierungspapier von Union und SPD nur als Randnotiz.

In der Arbeitsmarktpolitik will die voraussichtliche nächste Koalition beim Bürgergeld kürzen und mehr Leistungsempfänger in Arbeit bringen, was angesichts der einschlägigen Verfassungsgerichtsurteile zum Existenzminimum und zu zulässigen Kürzungen schon schwierig genug wird.

Erst recht, wenn Union und SPD durch einen höheren Mindestlohn und immer höhere Sozialabgaben die Schaffung von Arbeitsplätzen gerade für Geringqualifizierte oder Menschen mit geringen Sprachkenntnissen weiter erschweren.

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Die Zuschüsse an die Renten- und Krankenversicherung machten im vergangenen Jahr mehr als ein Viertel des Bundeshaushalts aus. Schwarz-Rot sollte jetzt nicht der Versuchung erliegen, hier noch mehr draufzulegen, nur weil sich durch die Kreditfinanzierung von Investitionen in Verteidigung und Infrastruktur neue Spielräume ergeben.

Wie die Bundeswehr und die Straßen und Brücken muss jetzt auch der Sozialstaat zukunftsfest gemacht werden. Von der Oppositionsbank aus immer wieder nachdrücklich darauf aufmerksam zu machen, wird dann vor allem Aufgabe der Grünen sein. Denn der AfD fällt zu diesem Thema nicht viel mehr ein, als allen Ausländern einfach die Sozialleistungen zu streichen.

Investitionen in Panzer und Brücken sind richtig und wichtig. Aber es wäre unlauter, sie über Schulden allein den jüngeren oder kommenden Generationen aufzubürden. Ohne Zumutungen auch im sozialen Bereich wird es nicht gehen.

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Dass jetzt Milliardenschulden für Bundeswehr und Infrastruktur gemacht werden, hat auch damit zu tun, dass die Vorgängerregierungen nicht den Mut hatten, im Haushalt Prioritäten zu setzen. Diesen Fehler dürfen Union und SPD nicht wiederholen.

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