Kommentar: Wer nur „die Starken“ belastet, riskiert die Solidarität


Es klingt nach sozialer Gerechtigkeit – und ist doch vor allem Ausdruck politischer Ideenarmut. Die SPD will Gutverdiener stärker an den Kosten des Gesundheitssystems beteiligen. Zuerst brachte ihr Gesundheitsexperte Christos Pantazis eine Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze um rund 2500 Euro ins Spiel.
Jetzt steigt auch Generalsekretär Tim Klüssendorf in die Debatte ein und bringt erneut eine Anhebung ins Gespräch. Ein Vorschlag, der dem SPD-Parteitag am Wochenende geschuldet sein mag. In in einer alternden Gesellschaft auf den ersten Blick mag er plausibel erscheinen. Doch wer ein strukturell defizitäres System stabilisieren will, sollte sicher nicht reflexhaft am oberen Rand der Lohnskala eingreifen.
Pantazis warnte selbst vor Denkverboten – doch seine Antwort auf das Finanzierungsproblem bleibt reflexhaft: Umverteilung. Es ist ein vertrautes Muster, das die SPD zunehmend zur Karikatur ihrer selbst macht.
Während die Linkspartei als Original sozialistischer Forderungen in Umfragen aufholt, bleibt der SPD oft nur die Rolle der ideenlosen Kopie. Warum die Kopie wählen, wenn das Original lauter und konsequenter agiert?
SPD greift in schweren Zeiten zu einfacher Formel
In Zeiten schwacher Konjunktur greifen die Sozialdemokraten zur einfachsten Formel: Starke Schultern sollen mehr tragen. Dabei haben viele Gutverdiener schon seit Jahresbeginn wegen der stark steigenden Sozialbeiträge weniger Geld in der Tasche. Doch diese Logik blendet die Ursachen der Misere aus.
Deutschland gibt 12,8 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts für Gesundheit aus – mehr als jedes andere Land Europas. Trotzdem ist das System ineffizient, überreguliert und digital rückständig. Noch mehr Geld ins System zu pumpen, ohne die Strukturen zu modernisieren, ist, wie Wasser in ein löchriges Fass zu gießen. Ganz davon abgesehen, dass Arbeit immer teurer wird, was dem Wirtschaftsstandort schadet.
Wer immer weiter nur auf die Leistungsträger zielt, riskiert die Akzeptanz des gesamten Systems. Denn auch Solidarität hat eine Belastungsgrenze. Die SPD manövriert sich in eine Position, in der sie nicht mehr gestaltet, sondern nur noch verteilt – und damit genau jene entfremdet, auf deren Zustimmung sie angewiesen ist. Der Mittelstand, die gut ausgebildeten Fachkräfte, die Selbstständigen – sie fühlen sich nicht mehr vertreten, sondern zur Kasse gebeten. Viele von ihnen haben einmal die SPD gewählt.
Die Wahrheit bleibt unausgesprochen
Arbeitsministerin Bärbel Bas schlug jüngst in dieselbe Kerbe: Beamte und Selbstständige sollten in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen. Was auf den ersten Blick nach Gerechtigkeit klingt, verkommt zur symbolpolitischen Ersatzhandlung. Denn die entscheidende Wahrheit bleibt unausgesprochen: Wir werden mehr arbeiten müssen, länger arbeiten müssen – und wir werden akzeptieren müssen, dass auch im Gesundheitssystem nicht alles Wünschenswerte finanzierbar ist.




Die SPD riskiert, sich aus Mangel an Alternativen zur reinen Umverteilungspartei zu degradieren. Dabei wäre gerade jetzt eine Reformkraft gefragt, die Antworten auf die Herausforderungen der Zeit gibt. Doch wer strukturell nichts wagt, endet in der Symbolpolitik – und macht am Ende Politik gegen jene, die das System tragen. SPD-Chef Lars Klingbeil sollte deshalb so schnell wie möglich den Vorstoß seines Parteifreundes beerdigen. Sonst erweckt er noch den Eindruck, er wäre damit einverstanden.
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Erstpublikation: 09.06.2025 11:36 Uhr






