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Kommentar Wie Lagarde mit der Bevölkerung kommunizieren muss

Die neue EZB-Präsidentin verspricht, Geldpolitik verständlich zu machen. Das kann ihr nur gelingen, wenn sie einige Regeln einhält.
23.01.2020 - 19:58 Uhr Kommentieren
Die Präsidentin der EZB ist sehr vorsichtig geworden. Quelle: Tim Wegner/laif
Christine Lagarde

Die Präsidentin der EZB ist sehr vorsichtig geworden.

(Foto: Tim Wegner/laif)

Darauf angesprochen, was sich voraussichtlich mit Christine Lagarde an der Spitze der Europäischen Zentralbank (EZB) ändert, haben die meisten Experten geantwortet: die Kommunikation. Sie selbst hat diese Erwartung geweckt. Anders als ihr oft zurückhaltender Vorgänger Mario Draghi will sie sich nicht hinter analytischen Betrachtungen verstecken, sondern geradeaus reden, sodass es möglichst jeder versteht. In Deutschland künftig vielleicht auch auf Deutsch – sie lernt die Sprache.

Dazu soll auch die am Donnerstag offiziell gestartete Überprüfung der EZB-Strategie dienen. Vorbild dafür ist ein ähnlicher Prozess, den die US-Notenbank (Fed) unter der Überschrift „Die Fed hört zu“ durchlaufen hat. Dabei ging es darum, mit Ökonomen außerhalb der Notenbank ins Gespräch zu kommen – aber auch mit weiten Teilen der Bevölkerung.

Lagarde möchte ganz ähnlich auch die nationalen Notenbanken, die zum EZB-System gehören, einspannen und den breiten Dialog in allen Sprachen des Euro-Raums führen.

Ein hehres Ziel, wie auch das Beispiel der USA zeigt. Dort sind bei dem Prozess einige geldpolitische Erkenntnisse herausgekommen, die sich aber schon vorher angedeutet haben. Diese beruhten zudem auf den Gesprächen mit den Fachleuten. In den anderen Gesprächen zeigte sich vor allem, dass viele Amerikaner Geldpolitik nicht verstehen. Und das, obwohl dort Aktienbesitz, auf den die Geldpolitik großen Einfluss hat, viel verbreiteter ist als in Europa.

Das Beispiel der USA zeigt: Im Grunde gibt es zwei Prozesse, die wenig miteinander zu tun haben und sich im schlimmsten Fall sogar behindern. Einmal geht es um das Fachgespräch über die beste Geldpolitik – das wird mit Sicherheit sehr kompliziert. Dann geht es darum, der breiten Bevölkerung verständlich zu machen, was die Notenbank tut und warum sie manchmal nicht verhindern kann, sich unbeliebt zu machen. Das ist weniger kompliziert, aber im Endeffekt trotzdem noch schwieriger als das Fachgespräch.

Nachdenklich stimmt auch eine Erfahrung, von der Andy Haldane, der Chefökonom der Bank of England, gerne berichtet. Er besuchte eine Schulklasse und bemühte sich dort redlich zu erklären, wozu die britische Notenbank da ist. Gegen Ende der Schulstunde meldete sich schüchtern jemand und fragte: „Wer sind Sie? Was machen Sie eigentlich hier?“

Die Reaktionen aus Deutschland sind auch nicht gerade ermutigend. Hier reden sogar manche Spitzenmanager der Finanzbranche über Geldpolitik, als hätten sie nie einen Blick in ein volkswirtschaftliches Lehrbuch geworfen. Ähnlich wie einige Politiker ist die Geldpolitik für sie eine bequeme Ausrede, wenn es im eigenen Haus nicht richtig rundläuft.

Jobs sind besser verständlich als Prozente

Hat Lagarde eine Chance, trotzdem anzukommen? Vielleicht. In dem Zusammenhang gibt es einige wichtige Punkte.

  1. Die fachliche Auseinandersetzung innerhalb der Expertenkreise darf die Notenbanker nicht so sehr in Anspruch nehmen, dass sie die Darstellung nach außen vernachlässigen. Gerade im ersten vollen Amtsjahr von Lagarde wäre das fatal.
  2. Lagarde muss konsequent nicht nur Geldwertstabilität als Mandat der EZB nennen, sondern auch die untergeordneten Ziele der Vollbeschäftigung und eines ausreichenden Wirtschaftswachstums. Die meisten Leute interessiert nicht, ob die Inflation bei ein oder zwei Prozent liegt, aber sehr wohl, ob ihr Job in Gefahr ist.
    Draghi hat sich sehr auf das übergeordnete Mandat Preisstabilität konzentriert, um sich unangreifbar zu machen. Aber die EZB muss deutlich machen, dass sie nicht einem abstrakten Ziel verpflichtet, sondern für alle da ist.
    Es hilft nicht, jemandem, der wegen der niedrigen Zinsen Angst um seine Pension hat, zu sagen: „Unser Mandat ist die Preisstabilität“ – wenn die Preise im historischen Vergleich ohnehin sehr stabil sind. Eindrucksvoller wäre, darauf hinzuweisen, dass letztlich jeder von einer gut funktionierenden Wirtschaft abhängt und dass die leider zurzeit nur mit sehr niedrigen Zinsen funktioniert.
  3. Die EZB muss den Mut haben, sehr einfache Bilder für das zu finden, was sie tut. Etwa, dass es ihr Job ist, mit ausreichend Geld die Wirtschaft in Schwung zu halten, damit die Jobs sicher bleiben.
  4. Zuletzt ist es wichtig, einmal gefundene einfache Erklärungen immer und immer wieder zu wiederholen.

Besteht die Gefahr, dass die Kommunikation der EZB so zu platt wird? Ja, die besteht. Aber wenn es nicht gelingt, wenigstens einem Teil der Bevölkerung deutlich zu machen, worum es bei der Geldpolitik geht, gibt das Verschwörungstheorien eine Chance, und die Diskussionen werden noch platter.

Mehr: Die EZB hat angekündigt, ihre Strategie zu überprüfen – das hat sie zuletzt vor 17 Jahren gemacht. Dabei geht es vor allem um das Inflationsziel. Die Gründe auf einen Blick.

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