Kommentar Windows 11: Die Kritik von Microsoft an Apple und Google ist scheinheilig

Trotz Cloud-Strategie bleibt das Betriebssystem Windows für den Konzern wichtig.
Als Satya Nadella an diesem Donnerstag das neue Betriebssystem Windows 11 vorstellte, wurde der Microsoft-Chef grundsätzlich: „Die Welt braucht heute eine offenere Plattform“, erklärte der Manager im feierlichen Ton. Windows 11 ermöglicht Nutzern, Programme aus verschiedenen Quellen zu installieren, zudem können Softwareanbieter eigene Bezahlmechanismen verwenden. Auch ohne die Nennung von Apple und Google war klar, von wem sich Nadella abgrenzen wollte.
Diese Kritik ist berechtigt und gleichzeitig scheinheilig. Denn die Fairness von Microsoft endet dort, wo die eigenen strategischen Interessen betroffen sind: In der gleichen Präsentation kündigte der Immer-noch-fast-Monopolist an, Windows 11 mit der Kommunikationssoftware Teams zu bündeln. Millionen von Nutzern bekommen das Produkt so täglich zu Gesicht, was einen enormen Vorteil gegenüber der Konkurrenz bedeutet.
Das Microsoft-Management hat seit dem Amtsantritt von Satya Nadella Anfang 2014 die Strategie maßgeblich verändert, das Cloud-Computing steht seither im Mittelpunkt. Azure statt Windows, lautet die Devise.
Trotzdem ist das Betriebssystem, das den Konzern weltweit bekanntgemacht hat, immer noch wichtig – gerade in der Corona-Pandemie, wo es eine Rückbesinnung auf den PC gibt, weil Arbeit, Schule und Unterhaltung zu Hause stattfinden.
Der Windows Store spielt bislang allerdings keine Rolle. Wer sich dorthin verirrt, stellt schnell fest: Der Versuch, eine Alternative zu den Plattformen von Apple und Google aufzubauen, ist weitgehend gescheitert, parallel mit dem Betriebssystem Windows Mobile für Smartphones und andere mobile Geräte. Kurz: Microsoft hat wenig zu verlieren.
Erinnerungen an die 1990er-Jahre
Wenn das Unternehmen nun zur Renovierung des Windows Store ansetzt und einen offenen Zugang samt günstigen Konditionen für Entwickler anbietet, ist das begrüßenswert. Im besten Fall kommt ein Wettbewerb in Gang – daran mangelt es im Duopol von iOS und Android bislang, wie die geringen Veränderungen bei den Provisionen zeigen. Gesetzgeber und Aufsichtsbehörden werden die Entwicklung dankbar beobachten.
Allerdings ist es einfach, sich moralisch überlegen zu geben, wenn es um das Geschäft anderer Unternehmen geht. Mit der engen Einbindung von Teams zeigt Microsoft, dass es die eigenen Interessen knallhart vertritt. Man fühlt sich erinnert an die 1990er-Jahre, als der Konzern Produkte wie den Internet Explorer über sein Betriebssystem in den Markt drückte.
Schon jetzt ist bei der EU-Kommission eine Beschwerde des Kommunikationsdienstes Slack anhängig, der sich durch die Bündelung des Konkurrenzproduktes Teams mit Office benachteiligt sieht. Auch dazu hätte man gerne etwas von Nadella gehört.
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