Kommentar Wirecard muss die eigene Reputation höher gewichten

Der Wirecard-CEO will nun die Giganten der digitalen Wirtschaft als Kunden gewinnen.
Markus Braun ist ein kühler Rechner. Der studierte Wirtschaftsinformatiker hat in 18 Jahren aus einer gescheiterten New-Economy-Bude einen potenziellen Weltkonzern geformt: Wirecard. Ja, Zahlungsabwicklung ist nicht sexy, verglichen mit der Magie des Silicon Valley.
Aber das war die Buchhaltungssoftware von SAP, dem bisher einzigen deutschen Technologieriesen, auch nicht. Und der Trend zum bargeldlosen Bezahlen spricht für Wirecards Erfolg. Allerdings nur, wenn Braun die Gleichung neu adjustiert.
Der Anstieg digitaler Transaktionen, der Aufstieg Asiens, die Macht der Daten – all das findet sich in Brauns Erfolgsgleichung.
Nur eine Variable fehlt: das Risiko durch halbseidene Geschäftspartner. Mit ihnen ist Wirecard gewachsen. Der Konzern wickelte über Jahre Zahlungen für Porno- und Casinoseiten ab. Das war nicht immer appetitlich, aber profitabel – und hat Geld gebracht für die Zukunft.
Diese bestimmen andere Namen. Die Variablen heißen Uber, Amazon und Co.: Es sind die Giganten der digitalen Wirtschaft, die Wirecard nun als Kunden gewinnen will. Die Verbindung zu dubiosen Tradingseiten und anderen Problempartnern, die eine Strafanzeige Wiener Anlegerschützer erneut in grelles Licht taucht, stört die Gleichung nur.
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Angesichts hoher Margen glaubt Wirecard bislang, nicht auf die Partner verzichten zu können. Doch das ist ein Rechenfehler. Will Braun mit dem Abschluss der Bilanzsonderprüfung reinen Tisch machen, muss er den Rotstift auspacken.
Es ist für Wirecard höchste Zeit, eine Variable am höchsten zu gewichten: die eigene Reputation. Die Folge kann nur sein, sich von manchen Partnern endlich konsequent zu verabschieden, selbst von solchen der ersten Stunde – und auch, wenn dadurch kurzfristig der Ertrag einbricht.
Kein Tech-Konzern muss jedes Jahr um 30 Prozent wachsen, nicht einmal Wirecard. Eine um Altlasten bereinigte Gleichung wäre das beste Zukunftskonzept.
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