Kommentar Wirecards Bilanz-Verschiebung ist auch ein Kampf um die Deutungshoheit

Der Zahlungsdienstleister muss die Analysten vertrösten.
Es ist die dritte Verschiebung auf den vierten Termin. Sollte die 2019er-Bilanz des Zahlungsdienstleisters Wirecard ursprünglich am 8. April präsentiert werden, so ist jetzt der 18. Juni geplant. Auch die Hauptversammlung rückt um knapp zwei Monate nach hinten auf Ende August.
In der mehr als 30-jährigen Geschichte des Dax ist das so ungewöhnlich wie die vielen wiederkehrenden Vorwürfe um Betrug, Geldwäsche und Bilanzfälschung, mit denen Wirecard immer wieder konfrontiert wird. Aktionäre des Dax-Konzerns sind es deshalb gewohnt, dass viele Dinge hier anders laufen als gewöhnlich.
Dass nun die Bilanz des abgelaufenen Jahres erst mit einer weiteren Verzögerung präsentiert werden kann, liegt allerdings auch am zunehmenden Kampf um die Deutungshoheit, der sich seit einigen Monaten zwischen den beiden großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften EY und KPMG abspielt.
EY kontrolliert die Bilanzen von Wirecard seit mehr als einem Jahrzehnt. Stets wurde dabei ein Testat erteilt. Erst im vergangenen Jahr wurde die Bilanzprüfung neu ausgeschrieben, der Zuschlag ging wieder an EY. KPMG wurde im Herbst für eine kurzfristig angesetzte Sonderprüfung mandatiert. Wirecard sah sich zu dieser Zeit mit erheblichen Vorwürfen zu seiner Zusammenarbeit mit Drittpartnern konfrontiert. Die wickeln für Wirecard den Zahlungsverkehr in Ländern ab, in denen das Unternehmen keine eigenen Lizenzen besitzt.
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Das Urteil von KPMG war nach siebenmonatiger Prüfung in Teilen vernichtend. Weil von Mängeln in der internen Organisation und schlechter Zusammenarbeit die Rede war. Das war bei EY nie zu lesen.
Die Prüfer von EY blicken deswegen in der aktuellen Prüfung besonders genau hin. Auch um die eigene Reputation nicht weiter zu gefährden. Das Prüfmandat für das laufende Jahr, das kürzlich ausgeschrieben wurde, dürfte EY dennoch verlieren. Es geht nur noch darum, die ohnehin verfahrene Situation zu einem vernünftigen Ende zu bringen.
Mehr: „Keine umfassende Absolution“: Anlegerschützer und Analysten kritisieren Wirecard
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Die Vorwürfe in dem KPMG-Bericht sind teils so schwerwiegend, dass es EY in der verbleibenden Zeit bis zum 18. Juni sehr schwer möglich sein wird, einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk für den Geschäftsbericht 20129 zu erteilen. Ein erneuter Kurssturz der Wirecard-Aktie ist bei einem eingeschränkten Bestätigungsvermerk zu erwarten. Andererseits kann bei einem wider Erwarten doch uneingeschränkten Bestätigungsvermerk der Kurs sehr stark ansteigen. Es ist spannend!