Künstliche Intelligenz: OpenAI-Bewertung ist ein Vorbote radikalen Wandels


Eine erstaunliche Nachricht: Ganze 500 Milliarden Dollar Unternehmenswert messen Investoren dem Start-up OpenAI offenbar zu. Der Wert des Entwicklers von ChatGPT ist damit so hoch wie das Bruttoinlandsprodukt von Norwegen.
Nicht nur die Höhe der Bewertung erscheint irrwitzig, auch das Tempo der Wertentwicklung ist es. Noch im März dieses Jahres wurde der Entwickler von ChatGPT mit 300 Milliarden Dollar bewertet. Rein rechnerisch legte das Unternehmen seitdem jeden Tag knapp 1,7 Milliarden Dollar an Wert zu, jede Stunde 70 Millionen Dollar, jede Minute 1,2 Millionen Dollar.
Viel Geld für ein Unternehmen, das jetzt GPT-5 eingeführt hat. Nach erster Einschätzung von Experten ist das lange erwartete Sprachmodell besser als seine Vorgänger, aber nicht der „Gamechanger“, als den es OpenAI-Chef Sam Altman immer wieder angekündigt hatte.
Wie passt das zusammen?
Es gibt zwei Gründe, die beide gravierende Folgen für uns alle haben könnten.
Big Tech ist bald so wertvoll wie China
Die plausibelste Erklärung könnte sein, dass Investoren sich vom Silicon-Valley-Hype hinreißen lassen und viel zu viel Geld für Künstliche Intelligenz zahlen. Das gilt nicht nur für OpenAI, das jetzt zum wertvollsten privaten Unternehmen der Welt aufgestiegen ist.

Auch KI-Chiphersteller Nvidia oder KI-Cloud-Anbieter wie Microsoft sind in den vergangenen Jahren in nahezu absurde Bewertungen gewachsen. Die sechs größten Tech-Riesen kommen zusammen auf einen Börsenwert von etwa 15 Billionen Dollar – was nur noch ein Viertel unter der Größe der Volkswirtschaft Chinas liegt.
Jetzt könnte man es mit Börsenguru André Kostolany halten: „Die ganze Börse hängt nur davon ab, ob es mehr Aktien gibt als Idioten – oder umgekehrt.“ Irgendwann wird der Trend sich umkehren und es zu einer Kurskorrektur kommen.
Die allerdings hätte massive Folgen. Big Tech würde seine Kapitalinvestitionen kappen, was einen harten Einschnitt für die Realwirtschaft bedeuten würde. Nach Schätzung von Morgan Stanley sollen bis 2028 weltweit 2,9 Billionen Dollar in Rechenzentren und Datenverarbeitung investiert werden.
Noch heftiger wären wohl die finanzwirtschaftlichen Folgen. Bricht die Marktkapitalisierung von Big Tech in sich zusammen, wäre eine Finanzkrise unvermeidlich. Eine Orientierung bietet der letzte große Crash 2007 und 2008, als die Börsen um gut die Hälfte einbrachen und laut US-Notenbank insgesamt 16 Billionen Dollar an Vermögen vernichtet wurden.
Einen Markt von 50 Billionen Dollar disruptieren
Nehmen wir einmal an, die KI-Investoren hätten sich nicht einnebeln lassen. Kühl hätten sie den Cashflow der KI-Anbieter für die nächsten fünf bis zehn Jahre diskontiert.
Das würde angesichts der bereits heutigen Bewertungen eine Veränderung historischen Ausmaßes bedeuten. Die KI-Konzerne müssten in unvorstellbare Größen wachsen, die sie nur mit einer menschenähnlichen Leistungskraft von KI erreichen können. Denn in dem Fall könnte sie viele Aufgaben von Menschen übernehmen – und deren Jobs gleich mit.
Das würde große ökonomische Kräfte freisetzen. Denn Arbeitskräfte sind nicht nur begrenzt verfügbar, sondern kosten auch viel Geld – laut dem amerikanischen Forschungsinstitut EpochAI jährlich weltweit 50 Billionen Dollar.
Wirtschaftswachstum von 20 Prozent – jährlich
Ein lohnendes Ziel für das Silicon Valley; der Austauschprozess lässt sich bereits beobachten. So stellen Unternehmensberatungen weniger Nachwuchskräfte ein, Callcenter werden automatisiert oder Software-Entwickler sind weniger gefragt, weil KI auch gut programmieren kann.
In welchem Umfang KI Menschen ersetzen kann, ist noch völlig unklar. Manche Ökonomen wie Nobelpreisträger Daron Acemoglu vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) sehen die Auswirkungen wenig dramatisch. Sie gehen von einem zusätzlichen Wirtschaftswachstum durch KI von ein bis zwei Prozent weltweit aus – in einem Jahrzehnt. Allerdings beruht dies auf der Annahme, dass KI nur fünf Prozent der Arbeitskräfte ersetzt.

Wird KI so intelligent wie ein Mensch, ist es nicht unwahrscheinlich, dass diese Rate höher ausfällt, argumentiert etwa EpochAI – was zu einem „explosiven Wachstum“ führen würde. Die Non-Profit-Organisation hält ihren Berechnungen zufolge nicht für unwahrscheinlich, dass KI perspektivisch 30 Prozent der menschlichen Arbeit ersetzen kann, um ein Wirtschaftswachstum von 20 Prozent zu erzielen – pro Jahr. Eine unglaubliche Vorstellung.
Eine Goldmedaille für KI in Mathematik
Aber wie wahrscheinlich ist eine Superintelligenz?
Man sollte sich von der moderaten Leistungssteigerung von GPT-5 nicht täuschen lassen. So gewannen Deepmind von Google und OpenAI vor wenigen Tagen mit neuartigen Modellen eine Goldmedaille bei der internationalen Mathematik-Olympiade in Australien.






Die Olympiade ist weltweit einer der anspruchsvollsten Mathematikwettbewerbe. Dass die Modelle dort selbstständig mathematische Überlegungen anstellen konnten, verblüffte die Experten. Die waren noch 2021 davon ausgegangen, dass dieser Meilenstein erst 2039 erreicht wird.
Die ökonomischen, sozialen und gesellschaftlichen Auswirkungen einer Superintelligenz wären enorm. Dass das keine Science-Fiction mehr ist, darauf deutet die OpenAI-Bewertung hin. Investoren mögen übertreiben, aber eins ist klar: Die nächsten Jahre werden unruhig.
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