Morning Briefing Plus: Wenn der Zweck die Freundschaft heiligt

Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,
herzlich willkommen zu unserem Blick auf die wichtigsten Themen der Woche. Ich weiß nicht, in wie viele Kategorien Sie Freundschaften unterteilen, bei mir sind es zwei:

In dieser Woche hat mich eine dritte Art von Freundschaft beschäftigt: die politische. Auch sie kennt Nähe, aber sie ist instabil, weil sie meist auf Zweckmäßigkeit basiert, selten auf Vertrauen. Ein besonders lehrreiches Beispiel bietet derzeit die Beziehung zwischen Donald Trump und Elon Musk.
Man hatte meinen können, sie hätten einander wirklich gefunden: Musk über Wochen in Mar-a-Lago, gemeinsames Thanksgiving, fast unzertrennlich im Oval Office, vereint gegen das Establishment. Fast wirkte es wie Vater und Sohn.

Doch nun der Bruch. Er hatte sich angebahnt, den letzten Auslöser gab ein Gesetz, das Trump den „One Big Beautiful Bill Act“ taufte. 900 Seiten, 3 Billionen Dollar neue Schulden und Elon Musk, der Tesla-Chef, als erbitterter Gegner.
Es geht um Kürzungen bei der Förderung von E-Autos, aber auch um die gigantische Staatsverschuldung. Musk wetterte und warnte, schließlich drohte er, sich künftig in Wahlkämpfe einzumischen, um die Unterstützer des Gesetzes abzustrafen. Trump, der verletzte Patriarch, spielte mit der Idee, Musk nach Südafrika zurückzuschicken.

Seifenoper? Othello auf modern? Auf jeden Fall hoffnungslos.
Vielleicht hätte beiden ein Blick in Thomas Hobbes’ Schriften geholfen, der die Freundschaft nicht als Streben nach Vertrautem, sondern nach Nutzen beschrieb, was wohl besonders für die politische Freundschaft gilt. Fällt der Nutzen weg, ist auch die Freundschaft dahin.
Was bleibt, ist eine Geschichte, die Sie lesen sollten. Über Trump, über Musk, vor allem aber über das, was in diesem Mammutgesetz steht – und was es für die mehr als 340 Millionen Amerikanerinnen und Amerikaner bedeutet. Aufgeschrieben von meiner Kollegin Annett Meiritz.
Was uns diese Woche noch beschäftigt hat:
1. So langsam stellt sich Gewohnheit ein, wenn Donald Trump wieder eruptive, schriftliche Monologe hält auf seiner Plattform Truth Social, wenn er sich verächtlich über seine Gegner äußert, seine Kontrolleure, die Demokratie, wenn er wieder neue Aktionen etwa gegen Migranten verkündet. „Was wirklich verblüfft, ist etwas anderes“, schreibt mein Kollege Jens Münchrath in einem Essay über Trump. „Nämlich mit welch atemberaubender Geschwindigkeit Trump es schafft, der noch vor Kurzem erstaunlich widerstandsfähigen Volkswirtschaft der USA Schaden zuzufügen.“
2. Die Wächter am Bondmarkt warnen vor Trumps „Big Beautiful Bill“, die Zins- und Schuldenlast der USA befinde sich an einem kritischen Punkt. Die Hoffnung ruht nun auf einer „unsichtbaren Macht“, die auch schon einmal Präsidenten wie Bill Clinton zum Umdenken gezwungen hat. Was hinter der Rückkehr der „Anleihebürgerwehr“ steckt.
3. In einigen Tagen, am 9. Juli, will der US-Präsident darüber entscheiden, wie es mit den Zöllen weitergeht, dann läuft das 90-Tages-Moratorium aus. Die Idee hinter den Strafzahlungen: Trump will das Handelsdefizit damit ausgleichen und erzwingen, dass mehr ausländische Unternehmen in den USA investieren. Geht Trumps Rechnung auf? Daran kann man Zweifel haben, wenn man die Geschichte von Bert Fröndhoff liest. Statt nach Washington blicken deutsche Unternehmer und CEOs eher nach Warschau, wenn es um neue Investitionen geht. Warum Osteuropa attraktiver ist als die USA, lesen Sie hier.
4. Ich kann mich noch gut erinnern, als der Name IBM für etwas Großes stand. Mit viel Respekt sprach man vor vielen, vielen Jahren über das Unternehmen, es war wie ein Sinnbild für die Zukunft der Informationstechnologie. Irgendwann war der Name verblasst, manchmal fragte ich mich, ob es die Firma überhaupt noch gab. Über ein bemerkenswertes Comeback des einstiges Tech-Pioniers schreiben meine Kollegen Philipp Alvares de Souza Soares und Felix Holtermann, die auch eines der seltenen Interviews mit IBM-Chef Arvind Krishna führen konnten.

5. Es war vor 14 Jahren, als der damalige Mercedes-Chef Dieter Zetsche das „Jahrhundert des Wasserstoffs“ ausrief. Und damals lag die große Zukunftshoffnung auf einem Auto, das eine Brennstoffzelle unter der Haube hat. Heute aber muss man feststellen: Der Traum vom Wasserstoffauto ist geplatzt, die Antriebstechnologie stirbt einen langsamen Tod. Warum das so ist – und wie es den großen H2-Fans heute geht, hat meine Kollegin Kathrin Witsch aufgeschrieben.
6. Heute sind sich die meisten einig: Die Zukunft gehört dem Batterieauto. Doch der chinesische E-Auto-Marktführer BYD produziert derzeit deutlich mehr Fahrzeuge, als er verkauft, berichteten meine Kollegen Lazar Backovic, Roman Tyborski und Sabine Gusbeth exklusiv. Dabei wächst der Heimatmarkt von BYD, die dortige Konkurrenz legt bei den Verkäufen zu. Was in Europa für BYD gerade läuft, warum der Konzern seine Produktion überhaupt drosseln musste und mit welcher Strategie er reagiert, lesen Sie hier.

7. Wie sicher ist meine Arbeit vor KI? Der Chef des KI-Unternehmens Anthropic, Dario Amodei, prophezeit, dass KI die Zahl der Einstiegsjobs für Wissensarbeiter in den USA bald schon halbieren könnte. Aber welche Berufsgruppen genau könnten überdurchschnittlich betroffen sein? Wie unterscheidet sich die Situation in den USA von Deutschland? Und für welche Jobs sind KI-Skills heute schon wichtig? Meine Kollegen aus dem Datenteam begegnen in diesem Text der Angst mit Fakten, Zahlen, Grafiken.
8. Was haben Mainz und Tuttlingen gemeinsam? Moment – Tuttlingen? Kurzer Exkurs: Mittelstadt, Baden-Württemberg, 37.000 Einwohner, Region Schwarzwald-Baar-Heuberg. Besonderheit: Bei der Bundestagswahl erzielte die AfD ihr stärkstes Erststimmenergebnis in Westdeutschland. Das Verbindende mit Mainz ist nicht die politische Lage, sondern die Tatsache, dass beide Städte und ihre Umgebung zu den Aufsteigern im diesjährigen Zukunftsatlas der Wirtschaftsforscher von Prognos zählen, die wieder die Zukunftsfähigkeit von 400 deutschen Städten und Landkreisen untersucht haben. Die Details stehen hier. Und was die AfD damit zu tun hat, lesen Sie hier.

9. Früher Warenhaus, heute Start-up-Zentrum. In einem früheren Schnäppchen-Center in Berlin-Neukölln entsteht gerade ein neuer Hotspot für Tech, Kultur und Gastronomie – inklusive Infinity-Pool auf dem Dach. Der Umbau zeigt, was aus alten Benko-Kaufhäusern werden kann – wenn man radikal denkt und konsequent umsetzt. Die Inspirationsquelle liefert mein Kollege Florian Kolf.
Und damit wünsche ich Ihnen ein schönes Wochenende. Bleiben Sie zuversichtlich!
Herzlichst,






Ihr
Martin Knobbe





