Pro und Contra Gehört Huawei vom Aufbau des 5G-Netzes ausgeschlossen?

Der Technologiekonzern bestreitet die Vorwürfe gegen ihn.
Die Bundesregierung will hierzulande den neuen schnellen Mobilfunkstandard 5G einsetzen. Doch gegen den Einsatz von Huawei-Technik gibt es Bedenken. Zu groß ist die Angst, dass Huawei mit den chinesischen Sicherheitsbehörden zusammenarbeitet und Zugriff auf kritische Infrastruktur erhält. Ein Pro und Contra.
Pro: Kampf der Systeme
China setzt wirtschaftliche Abhängigkeit als Druckmittel ein. Um sich nicht noch erpressbarer zu machen, muss Europa Huawei enge Grenzen setzen., sagt Moritz Koch.
Die Huawei-Debatte ist voller Missverständnisse. Wer den Streit aus wirtschaftspolitischer Sicht betrachtet, kann die Position der Huawei-Gegner nur verstörend finden. Ein Unternehmen, das von seinen Kunden geschätzt wird, soll als Sicherheitsrisiko gebrandmarkt, von wichtigen Geschäften in Deutschland ausgeschlossen werden. Das käme einem Verrat marktwirtschaftlicher Prinzipien gleich, deren Verteidigung sich die Bundesregierung verschrieben hat.
Doch die wirtschaftliche Perspektive reicht nicht, um die Tragweite der anstehenden Entscheidungen richtig einzuschätzen. Nur vordergründig geht es in der Huawei-Debatte um Huawei. Letztlich geht es um viel mehr: den Erhalt industrieller Kompetenzen und technologischer Souveränität. Das 5G-Netz soll mit Echtzeitverbindungen den Alltag revolutionieren, der Telemedizin und dem autonomen Fahren zum Durchbruch verhelfen.
Wer die Technologie nicht beherrscht, die zum Betriebssystem der Volkswirtschaft wird, macht sich abhängig – und erpressbar. China nutzt wirtschaftliche Interdependenz als Druckmittel, Huawei kooperiert mit Chinas Sicherheitsorganen: Der Bundesregierung liegen genug Belege dafür vor. Dennoch kann sie sich nicht darauf einigen, chinesische Bauteile aus sensiblen Netzbereichen zu verbannen. Das ist ein Armutszeugnis.
Anders als die Große Koalition weiß die chinesische Führung ganz genau, was sie will. Die Kommunistische Partei hat das Ziel ausgegeben, den Cyberraum zu beherrschen. Wie? Durch die Förderung von Schlüsseltechnologien und die industriepolitische Schöpfung nationaler Champions wie Huawei. China will eben nicht nur Waren und Dienstleistungen exportieren, sondern auch ein anderes Verständnis von Politik, ein alternatives Herrschaftsmodell: die datengestützte Diktatur.
Diesem Systemwettbewerb muss Europa sich stellen – statt der KP bei ihrem Streben nach digitaler Dominanz noch zu assistieren. Europas Regierungen haben den Mobilfunkmarkt lange als bloße Einnahmequelle gesehen. Die Telekommunikationsbetreiber mussten sich ruinöse Bieterschlachten um Frequenzen liefern – mit der Folge, dass sie in die Arme der Chinesen getrieben wurden und Europas technisches Know-how abnahm.
Die gute Nachricht ist, dass es noch nicht zu spät ist, den Niedergang zu stoppen. Mit Ericsson und Nokia verfügt Europa über eigene 5G-Anbieter, die jedoch faire Wettbewerbsbedingungen brauchen. China setzt ausländischen Unternehmen bei 5G enge Grenzen. Europa sollte schleunigst dazu übergehen, das Gleiche zu tun.
Contra: Falscher Aktionismus
Wir brauchen einen vernünftigen Plan für sichere Netze und Cybersicherheit. Der Ausschluss von Huawei erreicht das nicht, meint Stephan Scheuer.
Der 5G-Mobilfunk wird unsere Wirtschaft und Gesellschaft stark verändern. Künftig soll alles mit allem vernetzt werden können. Die Technik kann als Turbo für die Industrie 4.0 fungieren. Dafür muss sie jedoch wirklich sicher sein. Wir brauchen ein umfassendes Konzept. Die Verschlüsselung sollte an vorderster Stelle stehen. Gleichzeitig sollen Komponenten von allen Herstellern genau geprüft werden – ganz egal, ob sie aus China, den USA oder Europa stammen. Das Aussperren von Huawei wäre der falsche Weg.
Unsere digitale Infrastruktur wird nicht allein dadurch sicherer, dass wir Komponenten von einer Firma nicht länger zulassen. Stattdessen sollten drei Kernthemen behandelt werden, die unser Netz sicherer machen.
Erstens: Verschlüsselung. Lange war vorgesehen, dass die Einführung von 5G besser gesicherte Datenverbindungen bringt. Doch ausgerechnet europäische Sicherheitsbehörden arbeiten gegen eine Verschlüsselung.
Sie würde nämlich dazu führen, dass niemand mehr so einfach Daten abgreifen kann – weder Peking noch die deutsche Polizei. Das wollen viele Sicherheitsbehörden nicht zulassen. Sie fordern Möglichkeiten zur Kommunikationsüberwachung etwa für die Terrorabwehr. Der Preis für dieses Ziel ist jedoch zu hoch. Eine Hintertür für Behörden kann auch von anderen Staaten oder Verbrechern ausgenutzt werden.
Zweitens: strenge Prüfungen. Huawei legt die Quellcodes seiner Produkte gegenüber deutschen Behörden offen. Die europäischen Konkurrenten Ericsson und Nokia machen das nicht. Das darf nicht sein. Alle Geräte, ganz egal, aus welchem Land sie stammen, sollten sehr genau geprüft werden.
Nur weil wir gute Beziehungen zu Finnland und Schweden haben, heißt das nicht, dass wir auch automatisch Produkten aus den Heimatländern von Nokia und Ericsson blind vertrauen dürfen. Die Prüfungen müssen zudem immer weitergehen. Wenn Technik von Huawei heute keine Hintertüren hat, heißt das nicht, dass das auch in Zukunft so bleibt.
Drittens: offene Standards. Eigentlich gelten für alle Komponenten im Telekommunikationsbereich dieselben Vorschriften. In der Praxis lässt sich ein Funkmast mit Technik von Nokia jedoch nicht einfach mit Komponenten von Huawei oder Ericsson kombinieren. Das muss sich ändern. Der Staat muss im Zweifel die Firmen dazu zwingen, wirklich offen zu sein. Nur dann lassen sich auch kurzfristig Komponenten tauschen – etwa, falls Huawei durch die Sicherheitsprüfung fallen sollte.
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