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Pro & ContraSollte die Autoindustrie das Kurzarbeitergeld zurückzahlen?

Die Automobilbranche vermeldet wieder Gewinne. Schaden gab es also nicht – dafür aber Hilfen. Muss das Geld zurückfließen? Ein Pro & Contra.Stefan Menzel, Roman Tyborski 21.04.2021 - 20:15 Uhr Artikel anhören

Der Konzern hat in der Krise – und auch im jetzigen Chipmangel – vom Kurzarbeitsmodell profitiert.

Foto: dpa

Pro: Versicherungsleistungen sollte es nur im Schadenfall geben

Kurzarbeit ist eine Versicherungsleistung. Auch wenn der Staat in der Coronakrise die Kurzarbeitskassen mit Steuergeldern aufmotzen muss, heißt das: Versicherungsleistungen können und sollten eigentlich nur dann in Anspruch genommen werden, wenn ein Schadensfall eingetreten ist. Doch für die Autoindustrie gilt diese Logik in der Coronakrise offenbar nicht.

Volkswagen, BMW und Daimler haben 2020 Milliardengewinne geschrieben. Und in den ersten drei Monaten des laufenden Jahres übertreffen sie ihre Prognosen zum Teil um das Neunfache. Hilfsbedürftige Unternehmen sehen anders aus.

Stellen Sie sich vor, Sie sehen im Wetterbericht, dass ein Sturm aufziehen wird. Sie warnen Ihre Autoversicherung vor und nehmen noch vor Eintreffen des Unwetters Versicherungsleistungen in Anspruch. Einen Tag später aber zeigt sich: Der Sturm zieht vorüber, das Auto ist heile geblieben. Das Versicherungsgeld aber behalten Sie. Ist das gerecht?

Auch das Argument, dass die Autoindustrie wegen der Disruption auf das Geld angewiesen sei, zieht nicht. Wenn Geld bei Daimler, BMW und VW Mangelware wäre, warum planen sie dann, eine Dividende an ihre Aktionäre auszuzahlen, statt das Geld zu investieren? Geld ist nicht das Problem der Autoindustrie, sondern ihre Trägheit. Deswegen hinkt die Branche in Deutschland bei der Elektromobilität und der Software-Entwicklung hinterher. Und unnötige Subventionen – nichts anderes ist grundloses Kurzarbeitergeld – ändern daran nichts. Im Gegenteil, sie zementieren ineffiziente Strukturen.

Deutsche Konzerne können sich glücklich schätzen, dass der Staat für jedes Unternehmen einspringt, das in einer Krise unverschuldet in Probleme gerät. Doch deutsche Autohersteller verstehen den Staat teilweise offenbar als Selbstbedienungsladen, der auch beim aktuellen Chipmangel herhalten muss. Der Umgang der Autoindustrie mit dem Kurzarbeitergeld ist genauso kultiviert, wie einen Euro in einen Zeitungsautomaten zu werfen, um dann alle aufgestapelten Zeitungen herauszunehmen, die sich im Automaten befinden – nur weil es möglich ist.

Dass die Autobauer jetzt ihre Milliardengewinne feiern, macht es noch schlimmer. Denn währenddessen siechen ganze Wirtschaftszweige in Deutschland dahin: Gastronomie, Einzelhandel, Kultur – sie alle können im Gegensatz zur Industrie nicht öffnen. Die Autoindustrie sollte die Summen, die sie durch das Kurzarbeitergeld erhalten hat, denjenigen Wirtschaftszweigen zur Verfügung stellen, die wirklich leiden. Roman Tyborski

Contra: Eine Erstattung wäre absurd

Ein Geschäftsmann baut vor und sichert sich gegen mögliche Risiken ab. Manchmal greift der Staat noch zusätzlich regulierend ein und sorgt dafür, dass weitere Rücklagen für schlechte Zeiten gebildet werden. Nichts anderes ist das Kurzarbeitergeld. Wie in eine Versicherung zahlen Unternehmen ein, um für Situationen wie plötzlich ausfallende Aufträge oder Produktionsstopps gewappnet zu sein.

Genau das ist im vergangenen Jahr passiert, als in der Automobilindustrie die Bänder wegen der Corona-Pandemie angehalten werden mussten. Damals haben die Beschäftigten der betroffenen Unternehmen das Kurzarbeitergeld als eine Art Versicherungsleistung bezogen.

Deshalb wäre es völlig absurd, von den Unternehmen die Rückzahlung des Kurzarbeitergelds zu verlangen. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die großen Automobilhersteller im Corona-Jahr 2020 recht ordentlich verdient haben. Kurzarbeitergeld und Ertragslage haben nichts miteinander zu tun.

Beispiel Volkswagen: In den zurückliegenden zehn Jahren hat der Autokonzern etwa fünf Milliarden Euro in die Kurzarbeitskassen abgeführt. Wegen der Pandemie ist davon gerade einmal ein niedriger dreistelliger Millionenbetrag an die VW-Beschäftigten zurückgeflossen.

Bei den anderen Autoherstellern sieht es ähnlich aus. Kein einziger Konzern ist bevorteilt worden und hat 2020 mehr aus der Kurzarbeitskasse bezogen, als in den Vorjahren eingezahlt worden war. Mit ihren Milliardenüberweisungen aus der Vergangenheit haben die Autohersteller vielmehr für größere Rücklagen bei der Bundesagentur für Arbeit gesorgt, die damit härter von der Pandemie betroffenen Branchen helfen konnte.

Bei den Autokonzernen hat das Kurzarbeitergeld voll und ganz seine Funktion erfüllt. Als sich die Nachfrage zur Jahresmitte 2020 stabilisiert hatte, kehrte in den Autofabriken die Normalität zurück. Damit waren die Konzerne in der Lage, ihren gewöhnlichen Geschäften nachzugehen, nämlich Autos zu produzieren und zu verkaufen. Ein Konzern wie VW konnte auch wieder ansehnliche Steuerbeträge überweisen. Für 2020 sind das trotz der Pandemie immerhin 2,8 Milliarden Euro gewesen.

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