Handelspolitik: Was Europa im Zollkrieg mit den USA von China lernen kann


Nun trifft es auch Europa: Allgemeine Strafzölle in Höhe von 25 Prozent auf Stahl- und Aluminiumimporte hat der neue US-Präsident angekündigt. Das ist wenig überraschend. Es war nur eine Frage der Zeit, bis Donald Trump hier zur Tat schreitet.
Aus zweierlei Hinsicht ist das Vorgehen dennoch erstaunlich. Erstens handelt Trump Europa zunächst unter „ferner liefen“ ab. Das heißt, die Europäische Union (EU) trifft es zunächst im Rahmen eines Strafzolls gegen den Rest der Welt, also gegen alle Länder, die mit den USA Handel treiben. Das war insofern nicht zu erwarten, als dass Trump die Europäische Union und insbesondere Deutschland wegen ihrer Exportüberschüsse wiederholt als handelspolitische Betrüger am amerikanischen Volk dargestellt hatte.
Zweitens weicht der US-Präsident von seiner bisherigen Strategie ab, zuerst den Gegner mit brachialer Gewalt zu schockieren, um dann später Zugeständnisse zu erpressen, die durchaus außerhalb des handelspolitischen Kontextes liegen können. Das haben die Beispiele Mexiko und Kanada gezeigt, wo Trump mit Strafzöllen in Höhe von 25 Prozent auf alle Importe der Freihandelspartner Zusagen im Bereich Migrations- oder Drogenkontrolle erzielen wollte. Diese Zölle setzte Trump dann tatsächlich aus, nachdem die mexikanische und kanadische Regierung Maßnahmen angekündigt hatten. Auch wenn diese eher symbolischer Natur waren, Trump konnte sich als siegreicher Dealmaker präsentieren.
Dass die EU mit den Strafzöllen auf Stahl- und Aluminiumimporte scheinbar glimpflich davonkommt, ist kein Grund zur Entwarnung. Trump wird nachlegen. In welcher Form – das ist unklar, Unberechenbarkeit ist Teil seines handelspolitischen Kalküls.
Europa kann von China lernen
Die Frage ist nun, wie eine europäische Reaktion aussehen könnte. Die Verhandlungsposition der Europäer ist trotz der Größe ihres Binnenmarktes wegen der sicherheitspolitischen Abhängigkeit von den USA und eines möglichen Nato-Austritts nicht die beste. Vielleicht lohnt sich eine Orientierung an der chinesischen Strategie. Die Volksrepublik handelte auf den zehnprozentigen Strafzoll auf chinesische US-Importe nach der Maxime: unaufgeregt Klage bei der Welthandelsorganisation einreichen, mit Gegenzöllen reagieren, ohne freilich eine Eskalation zu riskieren.
Langfristig geht es darum, umso entschlossener auf die Suche nach Freihandelspartnern zu gehen – in Lateinamerika, in Asien und Afrika. Natürlich können diese Länder die größte Volkswirtschaft nicht ersetzen – zumal es auch eine Ära nach Trump geben wird und die USA unser wichtigster Wertepartner bleiben werden. Solange aber der US-Präsident so unberechenbar, willkürlich und erpresserisch selbst mit Partnern umgeht, ist eine Diversifizierung der Handelsstrukturen kein schlechtes Konzept.
So folgenreich es auch ist, dass die westliche Führungsmacht sich von einem regelgebundenen Handelssystem verabschiedet, für Europa besteht zumindest die Chance, sich als zuverlässiger und offener Partner der ökonomischen Vernunft zu inszenieren.

In einer besonders heiklen Lage befindet sich einmal mehr die größte Volkswirtschaft des Kontinents: Deutschland ist wesentlich exportabhängiger als seine europäischen Partner Länder und es befindet sich in der schwierigsten ökonomischen Situation seit Jahrzehnten.




Im transatlantischen Handelskonflikt ist die deutsche Wirtschaft jetzt wie selten zuvor auf die Solidarität der EU-Staaten angewiesen. Nicht zuletzt deshalb ist die Bundesregierung gut beraten, auch in der Migrationspolitik keine Sonderwege zu gehen, ohne die Nachbarländer zu konsultieren. Für die gesamte EU gilt: Geschlossenheit ist eine notwendige Bedingung, um gegen einen zunehmend unberechenbar agierenden US-Präsidenten zu bestehen.
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