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Morning BriefingKann sich dieser Staat überhaupt noch aus seiner Selbstfesselung befreien?

Christian Rickens 15.07.2025 - 06:16 Uhr
Morning Briefing

Abschlussbericht: TKKG und die Staatsreform

15.07.2025
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Guten Morgen liebe Leserinnen und Leser,

in den großen Zeiten der „TKKG“-Jugendromane, als man „Political Correctness“ und „Body Shaming“ noch für die Namen von Synth-Pop-Bands gehalten hätte, sah die Idealbesetzung für eine coole Detektiv-Clique so aus: ein Starker, ein Kluger, ein Dicker und ein Mädchen.

Ich bin nicht sicher, ob die Medienmanagerin und Aufsichtsrätin Julia Jäkel, die ehemaligen Bundesminister Thomas de Maizière und Peer Steinbrück sowie der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, schon einmal darüber gesprochen haben, wer von ihnen welchen Teil der TKKG-Besetzung verkörpert. Ihren Fall gelöst haben sie auf jeden Fall.

In den vergangenen Monaten haben die Vier als „Initiative für einen handlungsfähigen Staat“ darüber nachgedacht, wie Deutschland seine bürokratische Selbstfesselung überwinden kann. Gestern haben sie in ihrem 160 Seiten starken Abschlussbericht 35 konkrete Empfehlungen abgegeben.

„Würde nur die Hälfte dieser Vorhaben umgesetzt, wäre dieses Land ein anderes Land“, heißt es im Bericht, und dem lässt sich schwerlich widersprechen. So fordert die Kommission zum Beispiel, dass die Zuständigkeit für alle Sozialleistungen in einem, maximal zwei Bundesministerien gebündelt werden sollte und alle Regelleistungen des Sozialstaats über eine einheitliche Dienstleistungsplattform bereitgestellt werden.

Allein das wäre schon eine kleine Revolution und würde dafür sorgen, dass die Bezieher von Sozialleistungen nicht mehr mit Dutzenden verschiedenen Behörden zu tun haben, die alle ihre eigenen Definitionen von Bedürftigkeit haben, ihre eigenen Überprüfungen durchführen und ihre eigenen Auszahlungsmodalitäten pflegen.

Expertenkommission des Bundespräsidenten: (v. l.)  Peer Steinbrück, Andreas Voßkuhle, Julia Jäkel und Thomas de Maizière. Foto: Michael Kappeler/dpa

Auch an den anderen 34 Empfehlungen lässt sich wenig Falsches finden, allerdings auch wenig bislang Ungehörtes. Und da könnte genau das Problem liegen. Es hat in der Vergangenheit nicht an klugen Vorschlägen gefehlt, wie der deutsche Staat seine Handlungsfähigkeit zurückgewinnen könnte.

Solche Vorschläge ernten in der Regel wenig Widerspruch – bis es an die Umsetzung geht. Spätestens dann merken Ministerien oder andere Behörden, um beim konkreten Beispiel zu bleiben, dass die eigene Zuständigkeit für eine Sozialleistung auch ein Stück Macht und Daseinsberechtigung bedeutet. Und ruckzuck finden sich gute Gründe, warum doch besser alles so bleibt wie bisher.

Das Abenteuerbuch „TKKG und die Staatsreform“ ist an sein natürliches Plot-Ende gekommen. Was jetzt gebraucht wird, ist ein starker politischer Mentor, der sich um die rasche Umsetzung zumindest einiger Empfehlungen der Vier kümmert. Karsten Wildberger könnte sich dafür zuständig fühlen, der Name seines Hauses lässt jedenfalls darauf schließen: Bundesministerium für Digitales und Staatsmodernisierung.

Der Unions-Politiker war gestern dabei, als die Initiative ihren Abschlussbericht an Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier überreichte. Mal sehen, ob wir mit Wildberger endlich „ins Handeln kommen“. So nennt man es im Politikjargon ja neuerdings, wenn man tatsächlich was macht.

Hier finden Sie den vollständigen Abschlussbericht der „Initiative für einen handlungsfähigen Staat“.

Und hier geht es zum Kommentar von Politik-Reporter Martin Greive, der sich angesichts des Abschlussberichts der Initiative an eine andere kulturelle Ikone des späten 20. Jahrhunderts erinnert fühlt: die Filmkomödie „Und täglich grüßt das Murmeltier“.

Trump stellt Putin Ultimatum

Erstaunlich wenig Probleme damit, ins Handeln zu kommen, hat dieser Tage Donald Trump. In einer Abkehr von seiner bisherigen eher Kreml-freundlichen Ukraine-Politik hat der US-Präsident Russland gestern ein Ultimatum gestellt: Er forderte Russlands Staatschef Wladimir Putin auf, den Krieg gegen die Ukraine innerhalb von 50 Tagen zu beenden. Andernfalls würden die USA „sekundäre Zölle“ in Höhe von 100 Prozent gegen alle Länder einführen, die Geschäfte mit Russland machen. Das würde China, Indien, Brasilien und womöglich auch EU-Staaten wie Ungarn treffen.

Donald Trump und Mark Rutte (vorne): Der Nato-Generalsekretär begrüßte die Ankündigungen des US-Präsidenten. Foto: REUTERS

Mit Blick auf die erfolglosen Gespräche für einen Waffenstillstand in der Ukraine sagte Trump:

Ich bin enttäuscht von Präsident Putin, weil ich dachte, wir hätten vor zwei Monaten eine Einigung erzielt, aber es scheint nicht so zu sein.

Ölexporte sind zentral für die russische Wirtschaft und Putins Kriegsfinanzierung. Seit dem Einmarsch 2022 versuchen westliche Staaten, diese Einnahmen zu drosseln. Sekundäre Sanktionen gegen Russlands Handelspartner könnten hier den Durchbruch bringen.

Auch bei den US-Waffenlieferungen an die Ukraine zeichnet sich eine Lösung ab, die ganz nach Trumps Geschmack sein dürfte: Die USA liefern, die Europäer zahlen die Rechnung.

VW-Vorstand Brandstätter: Eigenständigkeit als Kern der Strategie. Foto: Volkswagen

Volkswagens neue China-Strategie

Rabattschlachten, neue Wettbewerber und technologische Rückstände setzen Volkswagen in China zunehmend unter Druck – das schlägt sich auch in den Absatzzahlen nieder, wie unsere Grafik zeigt. Unter dem Label „In China für China“ verfolgt Volkswagens China-Chef und Konzernvorstand Ralf Brandstätter eine Neuausrichtung mit lokaler Entwicklung, deutlich geringeren Kosten und China-eigenen Plattformen.

Bislang waren für die Strategie Partnerschaften zentral, etwa mit dem chinesischen E-Autohersteller Xpeng. Künftig will VW verstärkt auf eigene Ressourcen setzen. Im Gespräch mit unserem Volkswagen-Flüsterer Lazar Backovic sagt Brandstätter:

Heute haben wir bei den wichtigen Zukunftstechnologien Zugriff auf eigene Lösungen.

So lässt Brandstätter derzeit eine neue Auto-Software für China selbst entwickeln. Ein besonders preiswertes E-Auto für den chinesischen Markt ist ebenfalls in Planung.

Helaba prüft Kauf der Aareal Bank

Am Markt für Gewerbeimmobilienfinanzierung bahnt sich eine mögliche Übernahme an: Die Hessische Landesbank (Helaba) prüft den Kauf der Wiesbadener Aareal Bank. Das bestätigten drei Personen mit Kenntnis der Gespräche dem Handelsblatt-Finanzteam in Frankfurt. Die Verhandlungen befinden sich demnach in einem frühen Stadium und könnten auch noch scheitern.

Zentrale der Aareal Bank in Wiesbaden: Der Immobilienfinanzierer erregt das Interesse aus dem Landesbankensektor. Foto: aarealbank

Die Aareal Bank wird derzeit mehrheitlich von verschiedenen Finanzinvestoren gehalten. Deren Konsortium hatte die Aareal 2023 zu einer Bewertung von rund zwei Milliarden Euro übernommen. Aareal wie Helaba sind auf die Finanzierung von Gewerbeimmobilien spezialisiert.

Staatseinstieg beim Leopard-Bauer?

Und noch eine Meldung aus dem Bereich Merger & Acquisition, diesmal mit dem deutschen Staat als potenziellem Investor: Die Bundesregierung prüft laut „Börsen-Zeitung“ einen Einstieg beim deutsch-französischen Panzerbauer KNDS. Dem Bericht zufolge wollen sich die Eigentümerfamilien Bode und Braunbehrens schrittweise aus dem „Leopard“-Hersteller zurückziehen und ihre Aktien verkaufen. Deshalb bereite sich die Bundesregierung auf die Notwendigkeit eines Einstiegs vor, um das deutsch-französische Machtgefüge in der Balance zu halten. Der Wert von KNDS werde auf rund 20 Milliarden Euro geschätzt. Die Wegmann-Unternehmens-Holding hält aktuell 50 Prozent der KNDS-Anteile, die staatliche französische Beteiligungsholding APE die übrigen 50 Prozent.

Aufklärungs- und Kampffahrzeug Jaguar vor einem KNDS-Werk: Der Wert von KNDS soll bei rund 20 Milliarden Euro liegen. Foto: AFP

Portofinos strikte Einschränkungen

Eine neue Verordnung der Gemeinde Portofino an der italienischen Riviera untersagt in weiten Teilen des Zentrums nicht nur das Herumlaufen ohne Oberteil oder Schuhe, sondern auch den Konsum von Alkohol auf öffentlichen Straßen. Auch das Sitzen oder Liegen auf Straßen, Mauern, Gehwegen oder in Parks ist künftig untersagt. Wer mit Koffern, Picknick-Ausrüstung oder Musikboxen an öffentlichen Plätzen verweilt, riskiert ebenfalls ein Bußgeld – je nach Verstoß zwischen 25 und 500 Euro.

Portofino Foto: Marta Carenzi/Zuma Press/dpa

Die Einschränkungen gelten bis zum 30. September. Schon 2023 machte der Touristenmagnet Portofino Schlagzeilen, als er das Stehenbleiben an besonders beliebten Aussichtspunkten untersagte.

Wenn dieses Briefing schon wenig hochkulturell mit TKKG begann, dann soll es wenigstens mit Goethe enden. Der schrieb in seiner „Italienischen Reise“:

Wenn ich bei meiner Ankunft in Italien wie neu geboren war, so fange ich jetzt an, wie neu erzogen zu sein.

Ich wünsche Ihnen einen Dienstag voller Dolce Vita.

Herzliche Grüße,

Verwandte Themen China Donald Trump Aareal Bank Ukraine Wladimir Putin Peer Steinbrück

Ihr

Christian Rickens

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