Morning Briefing 21. Februar VW beschließt Moralkatalog
Guten Morgen liebe Leserinnen und Leser,
der Affen-Zirkus rund um Abgastests führt im Volkswagenkonzern zur Entdeckung von Moral. Der Aufsichtsrat will am Freitag beschließen, dass fortan jeder Mitarbeiter Kriterien zum richtigen juristischen und ethischen Verhalten an die Hand bekommt.

Zur Seite steht dabei laut „Bild“ Ökonomie-Professor Bernd Irlenbusch von der Universität Köln. Intern spricht man in Wolfsburg bereits von den „VW-Geboten“. Schaut man sich 30 Monate „Dieselgate“ einmal in Ruhe an - dieses Abwiegeln nach der Drei-Affen-Methode Nichts-Hören, Nichts-Sehen, Nichts-Sagen - wäre vielleicht auch ein Blick auf die Zehn Gebote hilfreich. Zum Beispiel auf den Satz „Du sollst nicht stehlen“ oder „Du sollst nicht falsch reden über Deinen Nächsten“.

Eine Zentralfigur in der Abgasaffäre ist Rupert Stadler, Chef der VW-Tochter Audi, wo die Idee mit den „Defeat Devices“ (besser „Cheat Devices“) ihren Anfang nahm. Der Mann nimmt die periodisch auftretenden Gerüchte über seine Ablösung hin wie den jüngsten Wetterbericht und erklärt im Handelsblatt-Interview zur Lage in Wolfsburg: „Ja, ich spüre den Rückhalt deutlich.“ Nur dass Daimler und BMW in der automobilen Oberklasse vorangefahren sind, findet er „schmerzlich“. Helfen soll ein engerer Konzernverbund mit den Marken Porsche und VW. Eine Nachrüstung der Schmu-Dieselfahrzeuge lehnt der standhafte Stadler im Übrigen strikt ab. Er setzt offenbar darauf, dass das Bundesverwaltungsgericht am Donnerstag Diesel-Fahrverbote in Städten nicht erlaubt.

Roland Koch hatte als hessischer Ministerpräsident einige gute Jahre, auch eine Bundeskarriere schien möglich. Jetzt aber wird der einstige CDU-Politiker auf einmal von seinem alten Arbeitgeber Bilfinger auf Schadensersatz verklagt. Der Mannheimer Baukonzern geht gegen den Ex-CEO und weitere elf Manager vor, die zwischen 2006 und 2015 Verantwortung getragen haben. Sie hätten nicht genug gegen Korruption getan und kein taugliches Compliance-System etabliert. Bestochen hatte Bilfinger etwa in Nigeria und Brasilien. Gesamtschaden: rund 100 Millionen Euro. Koch, heute als Wirtschaftsanwalt aktiv, registriert die Vorwürfe „mit Befremden“.
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Foto: Axel Schmidt/dapd
Wäre die Bundeswehr ein Wirtschaftsunternehmen, wäre sie ein Fall für den Konkursrichter. Der aktuelle Bericht des Wehrbeauftragten Hans-Peter Bartels liest sich jedenfalls wie eine einzige Katastrophenmeldung. 14 A400M-Airbus-Maschinen, die nicht fliegen. Sechs U-Boote, die nicht tauchen. 244 Leopard-2-Kampfpanzer, von denen nur jeder Dritte rollt. Dazu Lücken im Personal und Mängel beim Material. Die von Ursula von der Leyen immer wieder besungenen „Trendwenden“ bei der Bundeswehr wirken angesichts der Fakten wie Meditationsmusik, die einzig beruhigen soll. Zum Truppenbericht gehört, dass auch die Verteidigungsministerin nur bedingt einsatzfähig ist. Das Zitat dazu gibt es auch schon: „Wir haben 40 Millionen Gründe für das Versagen, aber nicht eine einzige Entschuldigung“ (Rudyard Kipling).

In Frankreich will sich der talentierte Emmanuel Macron an diesem Mittwoch mit einem neuen, schärferen Asylgesetz politischen Freiraum verschaffen. Über Asylanträge soll demnach innerhalb eines halben Jahres entschieden werden, Schutzsuchende bekommen weniger Zeit für einen Widerspruch gegen einen Negativbescheid und die mögliche Dauer der Abschiebehaft soll mehr als verdoppelt werden. Das könnte dem Präsidenten sogar Zuspruch bei Anhängern des Front National verschaffen, das rechte Lager ist längst verbürgerlicht. Eine Galionsfigur dieser Partei, Marion Maréchal-Le Pen, erhält nun sogar die Ehre, in dieser Woche auf einem hochkarätigen Forum der Konservativen in den USA aufzutreten. Sie redet direkt nach US-Vizepräsident Mike Pence.

Eine unternehmerische Legende ist der Musikgeräte-Produzent Gibson aus Nashville, Tennessee. Immerhin haben sich Stars wie Jimmy Page (Led Zeppelin) oder Keith Richards (Rolling Stones) mit den E-Gitarren aus diesem Haus einen gewissen Ruhm erspielt. Doch die besten Zeiten des Gitarren-Rocks sind vorbei, und Gibson geht es auch nicht besonders gut. Eine halbe Milliarde Dollar Schulden sind aufgelaufen, weshalb ein neuer Finanzchef und ein Investmentbanker bei der 116 Jahre alten Firma nach dem Rechten sehen. Wahrscheinlich spielen sie sich zur Beruhigung Richards' „You Can't Always Get What You Want“ vor.
Ich wünsche Ihnen einen schwungvollen Start in den Tag. Es grüßt Sie herzlich
Hans-Jürgen Jakobs
Senior Editor / Handelsblatt-Autor
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