Morning Briefing 24. Januar Der Goldmann der AfD
Guten Morgen liebe Leserinnen und Leser,
die „Neue Weltordnung“ ist ein angebliches Machtkartell der Globalisten, über das Peter Boehringer genauso gern geredet hat wie über die Notwendigkeit, die Goldreserven der Bundesbank aus New York und Paris nach Frankfurt zu verlagern („Holt unser Gold heim“). Nun ist der Ex-Unternehmensberater mit dem Goldschimmer Top-Kandidat der AfD für einen Renommierposten im Bundestag, den die anderen Parteien zugestanden haben: für den Vorsitz im Haushaltsausschuss.

Eine Zusammenschau von Boehringers Äußerungen in Social Media bietet das Bild eines Wutökonomen, der fast kein Wort auf die Goldwaage legt: von „Merkelnutte“ (wegen der Flüchtlingspolitik) über „System-Journalismus“ bis hin zum „höchst kriminellen und für unsere Nation suizidalen System“. Er ist offenbar ein Systemfeind, der rechnen kann – aber nicht jede Gleichung geht auf.

Am Freitag nach Mittag, wenn die Hälfte der Teilnehmer am Weltwirtschaftsforum längst abgereist ist, wird Donald Trump noch reden. Er hat dabei die Rolle des bösen Krokodils, das zum Schluss mit der Klatsche vertrieben wird. Den Part des Helden in Davos hat schon am Dienstag Justin Trudeau übernommen: Kanadas Premierminister, dessen Land 2018 den G7-Vorsitz hat, verkündete einen neuen transpazifischen Freihandelsdeal mit Staaten wie Vietnam, Australien und Mexiko. Er heißt jetzt CPTPP statt TPP. Auf die Antwort des angelernten Protektionisten Trump muss man nicht bis Freitag warten. Der US-Präsident verkündete just an Trudeaus Tag Sonderzölle auf Waschmaschinen (ab 20 Prozent) und Solarprodukte (ab 30 Prozent). Gerichtet an China und Korea.

Die Eheanbahnungsspezialisten von Union und SPD machen ein paar Tage Pause, die Kanzlerin Angela Merkel für einen selten gewordenen europolitischen Ausflug nutzen kann. In Davos redet sie an diesem Mittwoch Grundsätzliches, worunter nichts anderes als die lange ausstehende Antwort auf die Europa-Initiativen von Emmanuel Macron gemeint sein kann. Der französische Staatspräsident äußert sich übrigens am selben Tag. „Das Glück ist gemacht, um geteilt zu werden“, dämmerte Macrons Landsmann Jean Baptiste Racine schon vor mehr als drei Jahrhunderten.
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Für Einsätze im Syrien-Krieg hat die Bundeswehr die Türkei längst verlassen, aber deutsche Panzer leisten offenbar dem Erdogan-Regime treue Dienste. Jedenfalls rollen Geräte des Typs Leopard 2 A4 allem Anschein nach mit türkischen Truppen in Nordsyrien im Krieg gegen Kurden. Dagegen gibt es hierzulande Proteste – so wie gegen eine geplante Nachrüstung der Panzer durch Deutsche zum Schutz gegen Minen. Eine dem Handelsblatt vorliegende Übersicht aus dem Bundeswirtschaftsministerium zeigt, dass die Rüstungsexporte entgegen amtlicher Versprechung auf hohem Niveau verharren – 2017 bei 6,24 Milliarden Euro.

Carsharing für Carsharing: Car2go (Daimler) und Drive Now (BMW) fusionieren offenbar in Kürze nach einem Bericht der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ ihre betriebswirtschaftlichen Aktivitäten. Für die Markenführung bleiben die beiden Autokonzerne separat zuständig. Erich Sixt, der an der Seite von BMW als 50-Prozent-Partner fuhr, wird demnach als Minderheitsaktionär beobachten, wie die neue deutsche Auto-Allianz Marktrowdys à la Uber oder Didi Chuxing abhält.

Zu ihrem ersten Neujahrsempfang lud die Handelsblatt Media Group nach Berlin ins Gewölbe des Französischen Doms. Obwohl das Hauptstadt-Establishment solche Termine kennt, herrschte doch Heiterkeit. Unter den Anwesenden waren etwa FDP-Chef Christian Lindner oder Grünen-Veteran Jürgen Trittin. Herausgeber Gabor Steingart sah die Bundesregierung in guter Flughöhe auf Autopilot schalten und befand: „Die Welt beneidet uns – auch um unsere Probleme.“

Die Schweizer Kabarettistin Hazel Brugger wiederum räsonierte unter anderem über „die Postkarte als Twitter des 18. Jahrhunderts – mit einem Follower“, während Poetry-Slammerin Julia Engelmann „Grüner wird's nicht“ zum Besten gab.
Hans-Jürgen Jakobs
Senior Editor / Handelsblatt-Autor
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