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Morning Briefing Alarmismus vor dem neuen Covid-Gesetz?

22.04.2021 - 06:00 Uhr 2 Kommentare

Guten Morgen liebe Leserinnen und Leser,

ärztliche Kritik an der Corona-Politik ist sehr selten. Schließlich hängen die Kliniken von staatlichen Geldern und Gesetzen ab. Umso überraschender der Vorstoß von Thomas Hermann Voshaar, Chefarzt der Lungenklinik Bethanien, in der „Bild“-Zeitung.

Der Alarmismus der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) bezüglich eines unmittelbar bevorstehenden Super-Notstands auf den Intensivstationen sei unverantwortlich, sagt Voshaar: „Nicht mal ein Viertel der 22.000 Intensivbetten in Deutschland sind mit Covid-19-Patienten belegt.“

Offensichtlich ist die Lage im Land viel differenzierter, als es DIVI-Vertreter und die Bundespolitik darstellen. Dazu passen Informationen, wonach 10 bis 15 Prozent der Intensivpatienten zwar Covid haben, aber wegen anderer gravierender Probleme – zum Beispiel Herzinfarkt – auf Station liegen. Die DIVI weist alle Vorwürfe zurück.

Quelle: dpa
Mehrere Verfassungsbeschwerden sind wegen der Ausgangssperre bereits angekündigt.

Ungeachtet solcher Relativierungen kommt die Verschärfung des Infektionsschutzgesetzes heute in den Bundesrat. Im Bundestag ist es nach heftigen Debatten verschiedet worden – zu einem Zeitpunkt, an dem 20 Prozent der Deutschen geimpft sind.

Ab dieser Quote hat sich in Großbritannien das Problem auf den Intensivstationen peu à peu verkleinert. Dass nun in Deutschland mit starrem Blick auf Inzidenzwerte sogar eine einheitliche, wenn auch zuletzt modifizierte Ausgangssperre gilt, dürfte vor dem Verfassungsgericht kaum Bestand haben.

Die FDP tut gut daran, die aktuellen Gefährdungen der Freiheit durch eine zu grobe Bundespolitik an höchster Stelle prüfen zu lassen. Unterm Strich: Es ist gut möglich, dass man dieses Gesetz eines Tages als gravierende Fehlleistung der Merkel-Ära einstuft.

Er macht es wie Joe Biden in den USA: Mit einem riesigen Ausgabenprogramm will Premier Mario Draghi sein Italien generalsanieren. Das Geld kommt größtenteils aus dem Corona-Wiederaufbaufonds der EU.

Insgesamt will Draghi 221 Milliarden Euro investieren: für schnellere Züge, saubere Energie, eine digitalisierte Verwaltung zum Beispiel. So soll das zuletzt schwache Wachstum der Republik beschleunigt werden.

Der frühere Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) bringt den Plan bis zum Ende der Woche durch das Kabinett und in der nächsten Woche ins Parlament. Auch ist in Planung, das umständliche Rechtssystem des Landes zu reformieren.

Die Weltbank hat einmal ausgerechnet, dass es in Italien durchschnittlich 1100 Tage brauche, um einen Geschäftsvertrag in Kraft zu setzen. Man hält es hier mit der orientalischen Weisheit: „Gehe langsam, du kommst doch immer wieder nur zu dir selbst.“

Quelle: imago images/Patrick Scheiber
Die deutschen Geldhäuser haben 2020 rund 2,7 Milliarden Euro an Strafzinsen an die EZB überwiesen. Immer mehr Banken verlangen ihrerseits Minuszinsen auch von Privatkunden.
(Foto: imago images/Patrick Scheiber)

Wer über Geld verfügt, kann sich etwas leisten. Wer noch mehr Geld hat, kann sich sogar exotische Wünsche erfüllen. Aber wer richtig viel Geld hat, hat ein gigantisches Problem – die Bank verlangt Strafzinsen oder weist ihn des Weges.

Manche Finanzinstitute empfinden Guthaben der früher so begehrten Privatkunden inzwischen als arge Belastung, da sie selbst der EZB für überschüssige Liquidität negative Zinsen überweisen müssen.

2020 fiel hier für die Banken eine Last von 8,5 Milliarden Euro an – Rekord. Die Pandemie verschärft die Lage, weil viele Bürger ihren Verbrauch drosseln, wie unser Titelkomplex erläutert. Immerhin sind die Guthaben auf Giro- und Sparkonten im vergangenen Jahr um 585 Milliarden gestiegen.

Die Anleger werden daraus ihre Schlüsse ziehen, wenn man Bertolt Brecht richtig versteht: „Geldleute lesen gründlicher als Bücherliebhaber – sie wissen besser, was für Nachteile aus flüchtiger Lektüre entstehen.“

Mit der oft gebrauchten, reichlich diffusen Metapher von den „westlichen Werten“ beschäftigt sich Handelsblatt-Chefökonom Bert Rürup im Gastkommentar. Gemeint ist ein ideelles Gegengewicht zu Diktatur und Autokratie, also zu China, Russland und der Türkei.

Ein positiver Gegenpol mit Demokratie, Rechtsstaat, Gewaltenteilung, Meinungs- und Pressefreiheit sowie Menschenwürde. Rürup verweist darauf, dass der europäische Imperialismus vom Ende des 15. bis weit ins 20. Jahrhundert hinein eine ganz andere Sprache gesprochen hätte.

Westliche Werte? Die USA unter Donald Trump seien als „Fackelträger der Freiheit“ genauso unmöglich geworden wie Ungarn und Polen in Europa, analysiert Rürup. Seine Schlussfolgerung: Die EU müsse mit gutem Beispiel vorangehen – die Mitgliedsstaaten sollten weitere nationale Souveränitätsrechte an die EU-Kommission abtreten, bei gleichzeitiger Stärkung des Europäischen Parlaments. Deutschland und Frankreich müssten den Impuls geben für ein Europa der „zwei Geschwindigkeiten“, von dem so oft die Rede war.

Quelle: ZF
Stephan von Schuckmann ist seit Anfang des Jahres im Vorstand von ZF.
(Foto: ZF)

Am Bodensee, in Friedrichshafen, planen sie den ganz großen Angriff. Der Autozulieferer ZF sagt Bosch und Continental den Kampf an. Für die Elektromobilität habe man schon Milliardenaufträge gewonnen, erklärt Stephan von Schuckmann im Handelsblatt-Interview. Im Einzelnen sagt der neue Antriebs-Vorstand über…

  • ein asiatisches Schlüsselland: „China ist der weltweit wichtigste Markt für Elektromobilität mit weiterwachsender Bedeutung. Deshalb erweitern wir gerade unser Werk in Shenyang für rund 130 Millionen Euro.“
  • die aktuelle Lage: „2021 ist ein Schlüsseljahr. Es geht um die nächste Generation der Elektroautos. Wer ab 2025 auf den Markt kommt, muss jetzt die Technologien dafür auf den Weg bringen.“
  • den hohen Jahresverlust von mehr als 700 Millionen Euro: „Operativ hat der Konzern trotz der schwierigen Rahmenbedingungen eine Milliarde erwirtschaftet. Wir haben sehr hohe Vorleistungen auch für die Elektrifizierung erbringen müssen und stark investiert, was sich auf das Jahresergebnis ausgewirkt hat.“

Was wir hier erleben, ist eine mutige Doppelwette: auf Elektromobilität und auf China.

Und dann ist da noch Deutschlands glückloser Verkehrsminister Andreas Scheuer, der als Freund alter Autos bekannt wurde und etwa den BMW von Franz Josef Strauß fuhr. Gegen Ende der Amtszeit sucht der Mann aus Passau nach positiven Schlagzeilen und wurde fündig.

Nun will der CSU-Politiker ein Verkehrsmittel fördern, das bei den Grünen hoch im Kurs steht: das Fahrrad. Scheuer brachte jetzt den Nationalen Radverkehrsplan 3.0 durchs Kabinett, der zwar recht vage ist und keine konkreten Summen benennt, aber eine Botschaft hat: Das Fahrrad hat künftig Vorfahrt.

Radler bekommen in der Stadt und auf dem Land mehr Platz, auch zulasten der Autos. Die langfristige Finanzierung ist zwar nicht gesichert und es wirkt alles in allem wie eine PR-Rundfahrt für einen Minister, der nur noch singen muss: „Ja, mir san mit’m Radl da.“ Lob vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club gibt‘s dennoch: Das sei eine „kleine Revolution“.

Ich wünsche Ihnen einen trittsicheren Tag.

Es grüßt Sie herzlich

Ihr

Hans-Jürgen Jakobs
Senior Editor

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2 Kommentare zu "Morning Briefing : Alarmismus vor dem neuen Covid-Gesetz?"

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

  • "gut möglich, dass man dieses Gesetz eines Tages als gravierende Fehlleistung der Merkel-Ära einstuft" ... klingt als wäre das Merkels einzige gravierende Fehlleistung: unüberlegter Atomausstieg, unüberlegte Energiewende, Kaputtregulierung der deutschen Industrie, offene Grenzen ... ist da der Bundesnotstand die Spitze oder eines unter vielen?

  • Ein einzelner Chefarzt sagt, dass alle Warnungen seiner Kollegen übertrieben sind? In der Bild Zeitung? Na das nenne ich Alarmismus.

    Wenn langsam auch das Handelsblatt mal verstehen würde, dass nicht die Intensivbetten der Flaschenhals sind, sondern das geschulte (Pflege-)Personal, dann könnte man eventuell mal ernsthaft über das neue Gesetz sprechen. Vielen Dank für diesen "Journalismus".

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