Morning Briefing Armin Laschets Europa-Karte
Guten Morgen liebe Leserinnen und Leser,
in Sachen Europa, insbesondere in der Frankreich-Politik, ist die Union zuletzt regelmäßig mit einem Mix aus Ignoranz und Pflichterfüllung zu kurz gesprungen. Für den Kanzlerkandidaten Armin Laschet, der heute in Paris auf Olaf-Scholz-Spuren im Élysée-Palast wandelt, besteht hier Profilierungschance. Schon immer war der Frankophile ein viel leidenschaftlicherer Europäer, als es die in der DDR sozialisierte Pfarrerstochter aus der Uckermark je war. In einem Handelsblatt-Gastbeitrag spricht sich Laschet nun für EU-Mehrheitsentscheidungen in der Außen- und Sicherheitspolitik aus sowie für eine gemeinsame Klimaaußenpolitik. Schön und gut. Aber man liest nichts zur nötigen europäischen Armee oder zum Wiederaufbaufonds.
Wie auf einer Parteiveranstaltung beschwört der CDU-Chef die Partei-Urahnen Konrad Adenauer und Helmut Kohl, unterschlägt dabei aber Helmut Schmidt von der SPD, der das franko-deutsche Bündnis mit Valéry Giscard d’Estaing zementiert hat. Das Urteil zu Monsieur Lasché (wie er in Paris ausgesprochen wird): Absicht gut, Ausführung steigerbar.
Dass die Noch-Kanzlerin in den gestrigen Redestunden im Bundestag dem Prätendenten Laschet wie bei einer ordinären Wahlkampfveranstaltung auf einem Marktplatz vor dem Karstadt beigesprungen war, zeigt, wie groß die Not bei der Union inzwischen ist. Das wird auch durch eine ziemlich antike „Rote-Socken“-Kampagne belegt. Natürlich ist der amtierende NRW-Ministerpräsident um einiges besser, als es das gegenwärtige Umfragetief nahelegt. Aber um wieviel er wirklich über den beschämenden 19 Prozent liegt, kann derzeit auch keiner schlüssig begründen. Selbst treue Anhänger kleben keine Armin-Plakate. Und das ist ein Problem, das ihm kein Emmanuel Macron lösen kann.
Weiter leben mit Null- und Negativzinsen – darauf stellt Sparkassenverbandschef Helmut Schleweis sich ein. Seine Hoffnung auf Konsolidierung im eigenen Lager – etwa per Fusion der Landesbank Hessen-Thüringen mit dem Fondsanbieter Deka – hat er inzwischen aufgegeben. Im Einzelnen sagt der 67-Jährige im Handelsblatt-Gespräch über
- Geldvernichtung: „Die Rückkehr der Inflation müssen wir aufmerksam beobachten. Es wird Zeit, die Anleihekäufe zurückzufahren und die Zinslandschaft allmählich wieder zu normalisieren. Inflation vernichtet Tag für Tag Vermögen unserer Kunden.“
- Das eigene Vermögen: „Zu meinen Ersparnissen gehören eine eigengenutzte Immobilie und Wertpapiere. Ich halte mich an die Ratschläge, die wir auch unseren Kunden geben.“
- Europäische Einlagensicherung: Schon jetzt sind in Europa alle Einlagen gesetzlich geschützt, es gibt allgemeingültige Regeln über die Höhe der Sicherungsmittel und die Verfahren in Krisenfällen. Die Bankenunion ist damit vollendet. Wenn aber Großbanken unter Europa verstehen, dass wir ihre Geschäfte mit den Sicherungstiteln für unsere Sparer absichern, dann machen wir nicht mit.“
Seitenhiebe auf die Konkurrenz dienen auch in diesem Fall zunächst einmal dem eigenen Geschäft.
EU-Haushaltskommissar Johannes Hahn sieht die EU schon bald als „weltgrößten Ausgeber von grünen Anleihen“ sowie als „Weltmarktführer in nachhaltigen Finanzen“. Diesem Ziel dient, dass die EU rund ein Drittel des Corona-Wiederaufbaus über sogenannte Green Bonds finanziert – bis zu 250 Milliarden Euro. Schon heute hätten elf Mitgliedsstaaten grüne Anleihen ausgegeben, weitere vier hätten das angekündigt, sagt Hahn: „Wir Europäer sind wieder mal die Speerspitze dieser Bewegung, und ich bin tief überzeugt, dass dies weltweite Auswirkungen hat.“ Nach all der Kritik an Brüssel, etwa in der Impfmittelbeschaffung, kann etwas Autosuggestion nicht schaden.

In England können Boulevardblätter wie „The Sun“ einen beliebten Trick des publizistischen Rotlicht-Blaulicht-Gewerbes anwenden – und den amtierenden Premier horizontal als „Umfaller“ auf Seite Eins darstellen. Tatsächlich hatte Boris Johnson ja die letzte Wahl auch gewonnen, weil er versprochen hatte, Einkommenssteuer, Mehrwertsteuer und Sozialversicherungsbeiträge nicht zu erhöhen.
Nun aber macht der konservative Politiker genau dies: Vom kommenden April an steigen die Beiträge zur „National Insurance“ um 1,25 Prozentpunkte. Die Mehreinnahmen sollen dem durch Corona geplagten Gesundheitssystem helfen. Von George Bernhard Shaw kann Johnson lernen: „Die Strafe des Lügners ist nicht, dass ihm niemand mehr glaubt, sondern dass er selbst keinem mehr glauben kann.“
Wie oft haben wir gehört, dass die US-Internetriesen jedes Geschäft angreifen können, so wie im Ozean der Hai jeden Badenden mit offener Wunde. Was aber ist, wenn einer aus der „Old Economy“ einfach geeignetes Fachpersonal abwirbt? Das geschieht jetzt bei Ford. Der Konzern aus Detroit holt von Apple den Manager Doug Field, der dort das geheime Projekt eines autonom fahrenden Autos betrieb. Der Überläufer wird nun die Entwicklungsabteilung von Ford für die Cloud-basierte Plattform leiten, die Basis für die nächste Auto-Generation. „Titan“ heißt Apples Auto-Projekt bisher – vielleicht wäre „Ikarus“ besser.
Bei der Automesse IAA in München geht es in diesen Tagen um die Zukunft der Mobilität. Auch viele unserer Leserinnen und Leser bewegt dieses Thema. Welchen Beitrag können aus Ihrer Sicht E-Autos im Kampf gegen die Klimakatastrophe leisten? Oder sehen Sie in der Entwicklung eine Gefahr für die deutsche Autoindustrie? Wir möchten wissen, was Sie zum möglichen Ende des Benziners denken. Schreiben Sie mir an [email protected] – ausgewählte Beiträge veröffentlichen wir mit Namensnennung im Handelsblatt.

Und dann ist da noch der philanthropische Spekulant George Soros, bei dem man nie weiß, was überwiegt: Geld oder Geist? Als Investor hat er sich längst aus China zurückgezogen und ist seitdem zum großen Warner vor Peking geworden. Weil das Regime dort alle Firmen, egal ob staatlich oder privat, als Instrumente seiner Politik betrachte, sollte der US-Kongress mit neuen Gesetzen den Geldfluss in die Volksrepublik verhindern, schreibt der 91-Jährige im „Wall Street Journal“.
Konkret geht Soros den weltgrößten Vermögensverwalter Blackrock an. Die New Yorker Finanzfirma hatte jüngst die Genehmigung erhalten, selbst eine Fondsgesellschaft in China betreiben zu können – mit eigener Mehrheit. Blackrock führt aus, nur politisch geschlossene Verträge in die Tat umzusetzen. Noch liege der Anteil chinesischer Wertpapiere in ausländischer Hand bei kümmerlichen drei Prozent.
Ich wünsche Ihnen einen kraftvollen Start in den Tag.
Herzliche Grüße
Ihr
Hans-Jürgen Jakobs
Senior Editor
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