Morning Briefing Ausgehverbot in der Republik?
Guten Morgen liebe Leserinnen und Leser,
diese Woche beginnt, wie so viele Wochen vorher, mit der Lockdown-Frage. Zu erleben ist wieder die Corona-Videoschalte zwischen den Spitzen der Bundesländer und dem Kanzleramt. Das Besondere diesmal: Vorab zirkulieren zwei Entwürfe. Gestern Abend wurde bekannt, was Angela Merkel will: auf jeden Fall eine Verlängerung des bisherigen Lockdowns light bis zum 18. April. Und dazu eine drastische Verschärfung der Maßnahmen bei einer Inzidenz von 100 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner (was bundesweit derzeit erreicht wird).

Sogar Ausgangsbeschränkungen bis fünf Uhr früh sind jetzt vorgesehen. Die Gefahren durch die in Großbritannien entdeckte Virusvariante B.1.1.7. schrecken die Regierungschefin. Mit einem solchen Hausarrest für das Volk präsentiert sich Merkel als „eiserne Kanzlerin“, die die Vorschläge ihres sozialdemokratischen Regierungspartners übertrifft.
Den ersten Akzent vor der Bund-Länder-Konferenz hatte diesmal die demonstrativ selbstbewusste SPD gesetzt. Olaf Scholz, frühester Kanzlerkandidat aller Zeiten, legte die moralische Latte hoch: Sollten viele Menschen jetzt im großen Stil Urlaub machen, „gefährdet das den Sommerurlaub von uns allen“, lautete sein kategorischer Imperativ in „Bild am Sonntag“.
In der bekannt gewordenen Beschlussvorlage der SPD-regierten Bundesländer ist geplant, für Reiserückkehrer aus dem Ausland eine allgemeine Test- und Quarantänepflicht einzuführen. Die würde auch für all jene gelten, die aus keinem Risikogebiet kommen. Diesem Trend steht entgegen, dass Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern ihren Bürgern den Osterurlaub an Nord- und Ostsee erlauben wollen.
Die Grundlinie: Verschärfen ja, Lockern nein – aber wie? Fehlt eigentlich nur noch eine Beschlussvorlage der unionsregierten Länder.
Ohnehin ist mehr und mehr fragwürdig, warum sich die Politik so auf den allgemeinen Inzidenzwert fixiert. In einer Studie kommt die Covid-19 Data Analysis Group der Universität München zum Schluss, man solle die Gesamtinzidenz „nicht als Maß aller Dinge betrachten“. Es müssten auch andere Größen beachtet werden, etwa wie viele Covid-Kranke im Hospital sind, wie die Inzidenz in verschiedenen Altersgruppen ausfällt oder wie es mit dem R-Wert und der Sterblichkeit aussieht.
Die kritischen Stimmen häufen sich. Burkhard Jung, Leipziger Oberbürgermeister und Präsident des Städtetags, fürchtet beispielsweise, dass die Corona-Politik von Bund und Ländern „die Unterstützung vor Ort verliert – auch bei den Oberbürgermeistern.“ Frustriert haben ihn zuletzt die Ideen zu Tests: Es könne doch nicht sein, so Jung, dass die Corona-Runde „irgendwelche Festlegungen trifft, ohne vorher nach der Infrastruktur zu fragen“. Heute Morgen wird der SPD-Politiker erklären, wie er mit Tests und Zugangskontrollen 999 Zuschauer beim Bundesliga-Spitzenspiel zwischen RB Leipzig und Bayern München am 3. April ins Fußballstadion lassen will.
Wie ein zahnloser Tiger mit Arthritis wirkte die Finanzaufsicht Bafin bei den Skandalen um die Pleitefirmen Wirecard und Greensill. Mehr Personal werde gegen eine Wiederholung solcher Fehlleistungen helfen, glaubt die Behörde. Auf einer Verwaltungsratssitzung sollen am heutigen Montag 158 neue Stellen bewilligt werden, fanden meine Kollegen Andreas Kröner und Martin Murphy heraus. Um diese Zahl aber gibt es intern heftigen Streit. Ursprünglich wollte die Bafin nämlich rund 300 neue Mitarbeiter, beantragte dann aber nach Rücksprache mit der Politik nur 189. Und auch dieser Wunsch wurde vom zuständigen Bundesfinanzministerium nach unten korrigiert.
Doch viele Finanzfirmen, die die Bafin qua Umlageverfahren finanzieren, protestieren gegen diese Aufrüstung ihrer Kontrolleure. Die Bafin solle vielmehr intern besser zusammenarbeiten und Ressourcen effektiver nutzen. SPD-Experte und Bafin-Verwaltungsrat Jens Zimmermann hält den Widerstand für unglaubwürdig: Nach Wirecard seien sich alle einig gewesen, die Behörde aufzurüsten – „doch jetzt, da es zum Schwur kommt, wollen Banken und Versicherer auf einmal nichts mehr davon wissen.“

Hoher Besuch unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen in der Düsseldorfer Handelsblatt-Zentrale: Denys Schmyhal, Premier der Ukraine, kam zum Interview. Sein Land sieht sich, immer und überall, von Russland bedroht. Der Politiker sagte im Einzelnen über...
- den Spruch des US-Präsidenten, Wladimir Putin sei ein „Killer“: „Vor dem Hintergrund, dass sich die Ukraine bereits seit sieben Jahren der russischen Aggression erwehren muss, kann ich nur sagen: Ich unterstütze die Formulierungen von Joe Biden.“
- die Russlandstrategie der EU-Außenminister: „Die Einheit der EU gegenüber der russischen Aggression stärkt auch ihre Position als internationaler Akteur. Russland gibt sich ja größte Mühe, diese Einigkeit der EU-Länder zu zerstören, indem es einen Keil zwischen sie treibt.“
- Nord Stream 2: „Wir begrüßen alle Sanktionen gegen Russland und Nord Stream 2. Wir halten es für ein rein politisches Projekt. Das bestehende Erdgas-Transportsystem der Ukraine von 140 Milliarden Kubikmeter Durchleitungsvermögen hat noch viel Reserve.“
Ein wenig Trost findet man bei so viel Aggressions-Beschreibung in Winston Churchill: „Besser einander beschimpfen als einander beschießen.“
Die Flucht nach vorn, in die Sauberkeit, tritt CSU-Chef Markus Söder an. Die Maskenaffäre, bei der Abgeordnete der eigenen Partei offenbar die Hand aufgehalten haben, setzt sowohl seinem Image als auch dem der Partei zu. Gefragt seien nun Regeln für eine „maximale Transparenz“, Söder spricht sogar von einer „neuen CSU“. Bezahlte Interessenvertretung für andere soll Parlamentariern verboten werden, Beteiligungen an Firmen seien genauso offenzulegen wie Aktienoptionen. Und der interne Verhaltenskodex werde überarbeitet und sei für alle Kandidaten verpflichtend.
Bei so viel Budenzauber geht fast unter, dass das 2013 eingesetzte Compliance-Gremium der CSU auch unter Söders Ägide noch kein einziges Mal getagt hat. Bayerns Ex-Justizminister Alfred Sauter hat in der Maskenaffäre im Übrigen erklärt, seine vielen Parteiämter in der CSU aufzugeben und die Mitgliedschaft in der Landtagsfraktion ruhen zu lassen.

Zu den Bundestagsabgeordneten der Union, die zuletzt in Sachen pekuniärer Landschaftspflege auffielen, gehörte Karin Strenz aus Mecklenburg-Vorpommern. Die Staatsanwaltschaft hatte bereits im Januar 2020 mit Ermittlungen begonnen, da die 53-Jährige gegen Geld für das Land Aserbaidschan lobbyiert und dies nicht korrekt angezeigt habe.
Nun ist sie beim Rückflug von Kuba nach Deutschland gestorben. Strenz hatte nach Medienberichten im Flugzeug das Bewusstsein verloren, ein Arzt und eine Intensivschwester konnten sie zunächst stabilisieren. Nach der Notlandung auf dem irischen Flughafen Shannon starb sie in einem Krankenhaus in Limerick. Auf der Kuba-Reise war die CDU-Politikerin, die 2009, 2013 und 2017 Direktmandate gewonnen hatte, von ihrem Mann begleitet worden.
Und dann ist da noch Aston Martin, Traditionsmarke aus England, die mit dem Geld des kanadischen Milliardärs Lawrence Stroll auf James-Bond-Niveau gebracht werden soll. „Die Seele von Aston Martin ist der Verbrenner“, gibt der Finanzier dem Handelsblatt zu Protokoll, „nicht jeder will ein Elektroauto haben.“ Gut verdient hat der Freund röhrender Motoren mit Investments in die Kleidungsmarken Tommy Hilfiger und Michael Kors. Nun will er Aston Martin mit Unterstützung von Daimler zur Attraktion der Formel 1 machen. Das sei keine Trophäe, mit der er Geld verbrennen wolle, versichert Stroll: „Ich arbeite zu hart, als dass ich etwas zu verschenken hätte.“
Ich wünsche Ihnen einen rasanten Start in die Woche.
Es grüßt Sie herzlich
Hans-Jürgen Jakobs
Senior Editor
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