Morning Briefing Bangen um Banken
Guten Morgen liebe Leserinnen und Leser,
gerade haben wir erleichtert die amtliche Ansage des Bundeswirtschaftsministers vernommen, wonach wir die Talsohle durchschritten haben. Wer sich da enthusiasmiert fühlte, wird nun geschockt durch Felix Hufeld, Chef der Finanzaufsichtsbehörde Bafin. Auf dem großen Banken-Gipfel des Handelsblatts gab er preis, sich auf eine lange Durststrecke der Wirtschaft einzustellen, die mit gravierenden Covid-Folgeschäden für die Banken verbunden sei: „Wir werden nicht schmerzfrei aus dieser Sache herauskommen. Das dicke Ende steht noch aus.“ Tatsächlich haben die Geldhäuser aus Sorge um den Fäulnisgrad von Krediten die Risikovorsorge enorm erhöht: die Deutsche Bank um 321 Prozent, die Commerzbank um 211 Prozent. Irgendwann ist die Musik eben aus und die Party vorbei.

Wie lange Hufeld seine öffentliche Rolle noch spielen kann, ist unklar. Das Versagen der Bafin im Skandal um die atomisierte Finanzfabrikation Wirecard lastet bleischwer auf seinen Schultern. Er selbst hat sich für eine Zwei-Wege-Strategie entschieden: Einerseits betont er die makellose Pflichterfüllung der Bafin, was seinen Rücktritt selbstverständlich ausschließt. Andererseits gibt sich Hufeld dort zerknirscht, wo es nicht wehtut: „Wir haben vor lauter Bäumen den Wald nicht gesehen."
Den Wald sieht dagegen Gerhard Schick, Chef der Bürgerinitiative Finanzwende: in Form von Rohholz, Totholz, Sturmholz sozusagen. Hufeld und seine Vizechefin Elisabeth Roegele seien „wegen Fehlern und einer Reihe von Finanzskandalen nicht mehr haltbar“, so der frühere Grünen-Politiker. Dem Bafin-Leiter wurde eben, anders als Börsenchef Theodor Weimer, nicht „mulmig“, als er in der „Financial Times“ Enthüllungen über die Machenschaften bei Wirecard las. Hufeld ging vielmehr gegen die Autoren vor. Dabei hätte er bei André Gide lernen können: „Ich nenne Journalismus alles, was morgen weniger interessant ist als heute.“
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Ein ausführliches Interview auf dem Banken-Gipfel gab Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing, der mit der Beharrlichkeit eines Tennis-Grundlinienspielers wie Björn Borg an Umbau und Stärkung seines Instituts arbeitet.
- „Wir müssen uns bei Corona aus dem ersten Schock lösen und zu tragfähigen Geschäftsmodellen finden. Dann wird sich der Staat auch wieder zurückziehen. Eine dauerhafte Intervention des Staates ist nicht sinnvoll."
- „Wenn sich so eine Krise mit negativem Wirtschaftswachstum und staatlichen Zuschüssen über die nächsten vier, fünf Jahre hinziehen würde, dann würden natürlich auch die Banken darunter leiden."
- „Für die europäische Wirtschaft ist es enorm wichtig, dass wir starke Banken in Europa haben. Das ist auch die Rückmeldung, die wir von den Unternehmen bekommen."
Die ganze Veranstaltung bereiten wir online und in der gedruckten Zeitung groß auf. Teile des Sewing-Gesprächs können Sie auch in unserem Podcast „HB Today“ hören, der Mitte August an den Start gegangen ist.
Reagiert haben zwei Finanzfirmen auf die Leistungsschwäche der Bilanzprüfer von EY, die jahrelang die Abschlüsse von Wirecard durchwinkten. So schlägt der Aufsichtsrat der Commerzbank quasi den Rauswurf der Wirtschaftsprüfer von EY vor und will im Geschäftsjahr 2022 auf einen Nachfolger setzen. Das Frankfurter Geldinstitut ist ein großer Gläubiger von Wirecard, etwa 175 Millionen Euro Kredit sind im Feuer. Man hatte sich ja auf die Testate der Prüfer verlassen. Womöglich ist die Abkehr von EY auch schon ein Indiz für eine kommende Schadensersatzklage. Ebenfalls auf die Stopptaste drückt die Fondsfirma DWS. Aus dem ursprünglich vorgesehenen Plan, KPMG durch EY zu ersetzen, wird nichts. Nur die DWS-Muttergesellschaft Deutsche Bank hält den bei Wirecard diskreditierten Prüfern die Treue.
Nowitschok? Das war doch der Nervenkampfstoff, mit dem mutmaßlich Gesandte aus Moskau den einstigen russischen Spion Sergej Skripal und seine Tochter im März 2018 im englischen Salisbury vergifteten. Nowitschok ist aber auch das Mittel, mit dem der russische Oppositionsführer Alexej Nawalny nach Erkenntnissen eines Bundeswehr-Speziallabors malträtiert wurde. Bundeskanzlerin Angela Merkel sucht die Schuld an dem „versuchten Giftmord“ im Kreml: „Er sollte zum Schweigen gebracht werden.“ Die Bundesregierung erwarte, dass „die russische Regierung sich zu diesem Vorgang erklärt“. Der Fall des in der Berliner Charité im Koma liegenden Nawalny hat alle Voraussetzungen für eine diplomatische Dauerverstimmung. Die Frage ist, wie lange Merkel die Erdgaspipeline Nord Stream 2 vom Nowitschok-Skandal getrennt halten kann.
Es grüßt Sie herzlich
Ihr
Hans-Jürgen Jakobs
Senior Editor
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