Morning Briefing Corona-Konfusion schadet Wirtschaft
Guten Morgen liebe Leserinnen und Leser,
Die Konfusion ist nach dem jüngsten Corona-Gipfel größer als vorher. Für Virologen sind die Maßnahmen viel zu wenig, für die Wirtschaft viel zu viel. Die Aussicht, durch einen Oster-Lockdown die Infektionsraten zu dämpfen, wird mit neuen, maximalen Unsicherheiten bezahlt. Da ist zum Beispiel die aus der Hutschachtel gezauberte Idee, den Gründonnerstag zum „Ruhetag“ zu erklären, also zum Null-und-nichtig-Tag für Unternehmen.

„Industrieproduktion lässt sich nicht an- und abschalten wie das Licht im Ministerium“, warnt Klaus-Peter Stiller, Hauptgeschäftsführer des Chemiearbeitgeberverbandes, im Handelsblatt. Dieser weitere De-facto-Feiertag koste rund sieben Milliarden Euro Wertschöpfung, schätzt das Institut der deutschen Wirtschaft. Der Trostpreis des Tages: Wer an dieses Tagen arbeiten muss, kann jetzt mit Zuschlägen rechnen.
Unter den Frustrierten sind auch die Kirchen, die Ostern – ihr wichtigstes Fest – nicht in Messen feiern dürfen, und das alles beschlossen von einer Partei mit dem hohen „C“ im Namen. Dass die Bürger nun am Mittwoch und am Samstag ihre Ostereinkäufe erledigen und sich Schlangen vor den Kassen bilden dürften, alarmiert Stefan Genth vom Handelsverband HDE: Es könne nicht der Sinn eines „Ruhetages“ sein, für „unnötige Unruhe“ zu sorgen. Bund und Länder agierten „nur noch im Tunnelmodus“.
Ökonomen wiederum halten es für einen Kardinalfehler der Regierenden, dass sie Anfang März Öffnungen beschlossen hatten, ohne dafür eine stimmige Teststrategie aufgebaut zu haben. Für das Staatstheater Corona gilt einmal mehr Bert Brecht: „Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen / Den Vorhang zu und alle Fragen offen.“
Sicher ist, dass die Pandemie dem deutschen Einzelhandel auf schwerste Art zusetzt. Wer heute schon durch die Innenstädte schlendert, sieht immer mehr leere, aufgegebene Geschäfte. Ein riesiges Ladensterben zeichnet sich ab, Folge des Lockdowns und des Siegeszugs von E-Commerce. Bis zum Jahr 2024 dürften bis zu 80.000 Geschäfte schließen, schätzt das Handelsforschungsinstitut IFH, etwa jedes fünfte Geschäft gebe auf. „Der Strukturwandel wird durch die Folgen der Pandemie noch einmal deutlich beschleunigt“, sagt Eva Stüber aus der Geschäftsleitung des IFH dem Handelsblatt. „Der Tod lächelt uns alle an“, wusste Marcus Aurelius, „das einzige, was man machen kann, ist zurückzulächeln.“

Wer sein Land zum weltweiten Impf-Vorbild macht, kann sich trotz eines Korruptionsprozesses und vorheriger schlechter Pandemiepolitik noch im Amt halten. Diese Erfahrung genießt Israels Premier Benjamin Netanjahu. Bei den gestrigen Parlamentswahlen – den vierten innerhalb von zwei Jahren – wurde sein konservativer Likud-Block den Prognosen zufolge stärkste Kraft. Die Partei kann mit 31 bis 33 Sitzen in der Knesset rechnen – und wohl zusammen mit der siedlerfreundlichen Jamina-Partei im 13. Jahr weiterregieren. Die Zukunftspartei von Oppositionsführer Jair Lapid erreicht demnach mit 16 bis 18 Mandaten den zweiten Platz.
Den Hassreden hat Facebook offiziell den Kampf angesagt – aber in der Praxis ist es damit offenbar nicht weit her. Das ergibt sich aus der Lektüre eines dicken Handbuchs für Moderatoren des sozialen Netzwerks, das der „Guardian“ einsehen konnte. Und siehe da: Die Richtlinien von Dezember 2020 erlauben, dass „öffentliche Personen“ von den Nutzern weitaus härter angefasst werden dürfen als andere Personen. Das schließt explizit den „Ruf nach ihrem Tod“ ein.
Zu solchen „öffentlichen Personen“ gehören etwa auch Influencer oder Lokaljournalisten, denen ein größeres Publikum folgt. „Wir wollen Diskussionen erlauben, die oft kritische Kommentare enthalten über Leute, die in den Nachrichten vorkommen“, heißt es zur Begründung. Tote können demnach unbegrenzt schikaniert werden, wenn sie vor 1900 gestorben sind, und auch bei fiktionalen Charakteren gilt das Motto „Feuer frei“. Zum Beispiel steht in den Facebook-Normen die Aufforderung „NO ACTION“ zum Satz: „Homer Simpson is a bitch.“ Unterm Strich: Schmähung ist hier kein Übel, sondern Reichweitengarantie.
Ende des Monats hört Johannes Teyssen nach fast elf Jahren als CEO des Energiekonzerns Eon auf, heute leitet er seine letzte Bilanzpressekonferenz. Im großen Handelsblatt-Gespräch redet der Mann, der vom Zweifler zum „Mitgestalter“ der Energiewende wurde, noch einmal Klartext. Im Einzelnen sagt der Manager über...
- ...seine Industrie: „Wir, die Energiekonzerne, waren zu lange in der Defensive und haben uns zu lange an die alte Welt geklammert. Das war eine regelrechte Wagenburgmentalität. Aber man muss die Wagenburg verlassen und schauen, wo die Sterne stehen.“
- ...die Atomenergie: „Es wird kein kommerziell arbeitendes Unternehmen wieder in Kernkraft investieren. Wenn Kernkraftwerke noch irgendwo gebaut werden, dann von Staatsunternehmen oder mit massiver staatlicher Unterstützung. Die kommerziell genutzte Kernkraft hat sich erledigt. Sie ist heute zu teuer, zu riskant und politisch zu brisant.“
- ...den Kohleausstieg: „Wir planen wieder – typisch deutsch – genaue Jahrestage und Abschaltdaten und wollen heute schon wissen, was in 20 Jahren ist. Das halte ich nicht für schlau und für viel zu teuer. Die CO2-Preise werden die Kohlekraftwerke von allein sehr schnell unwirtschaftlich machen.“
Zur Erklärung, warum er in den Verwaltungsrat des Ölkonzerns BP einsteigt, kokettiert Teyssen mit seinem Katholizismus: „Da neigt man zur Sünde.“ Aber man kann ja immer beichten.

Und dann ist da noch Prinz Harry, nach Kalifornien geflüchteter Enkel von Queen Elizabeth. Er hat jetzt seinen ersten regulären Job mit konstantem Einkommen seit dem Umzug aus „The Firm“, dem Buckingham Palace in London. Der Herzog von Sussex steigt bei einem mit einer Milliarde Dollar bewerteten Start-up im Silicon Valley ein: Better-Up, spezialisiert auf professionelles Coaching, mentale Gesundheitsberatung und eindringliches Lernen. Als „Chief Impact Officer“ will der Berufseinsteiger, der mit seiner Frau Meghan zudem für Netflix und Spotify produziert, auch bei der Strategie mitreden. Die neue Prinzen-Rolle: „Ich will, dass wir von der Idee wegkommen, jemand müsse sich kaputt fühlen, bevor er um Hilfe bittet.“
Ich wünsche Ihnen einen perfekten Tag zum Wohlfühlen.
Es grüßt Sie herzlich
Hans-Jürgen Jakobs
Senior Editor
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