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Morning Briefing Das Debatten-Monster Impfpflicht

26.07.2021 - 06:00 Uhr 1 Kommentar

Guten Morgen liebe Leserinnen und Leser,

zu den großen politischen Botschaften der ersten Pandemiezeit gehörte die Aufforderung, die Älteren unbedingt zu schützen. Nun aber, wo 77 Prozent der Über-60-Jährigen kompletten Impfschutz haben und nur gut zwei Prozent der Unter-18-Jährigen, stellt sich die Frage, wie es mit der Vakzin-Politik weitergeht. Zeit für ein neues Narrativ: Es muss erklären, warum der Piks wichtig ist. Bemerkbar machen sich dieser Tage aber die Schwinger dicker Keulen wie Kanzleramtsminister Helge Braun: „Geimpfte werden definitiv mehr Freiheiten haben als Ungeimpfte.“ Damit provoziert der Mediziner, der zum Wochenanfang wieder mit den Chefs der Staatskanzleien der Länder reden wird, zuerst einmal seine eigene CDU.

Parteichef Armin Laschet beharrt trotzig auf dem Prinzip, Geimpfte, Genesene und Getestete seien bei Veranstaltungen gleich zu behandeln. Die FDP sieht die Grundrechte in Gefahr und eine Impfpflicht im Anflug. Die ist sozusagen das Debatten-Monster der zweiten Jahreshälfte. Wir lernen: Sein oder Nicht-Sein hängt definitiv nicht an einer Nadel.

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Impf-Skeptiker haben im Land vermutlich einen Anteil, der nicht weit weg von den Wählerprozenten der AfD liegt. Sie alle dürften sich aufgeschreckt fühlen durch die derzeit aufbrandende Debatte um die „Booster“-Strategie. In den USA hat der Pfizer-Konzern bereits mit den politischen Top-Entscheidern über eine Notfallzulassung für die Auffrischungsimpfung beraten. Auch Bundesregierung und Robert Koch-Institut sind für eine solche dritte Impfung, um gut durch die zu erwartende vierte Welle im Herbst zu kommen.

Doch in den USA haben die obersten Behörden für Arzneizulassung und Seuchenschutz nun in einer gemeinsamen Erklärung bekannt gegeben: „Amerikaner, die voll geimpft sind, brauchen im Moment keinen Booster-Shot.“ Man fürchtet den Eindruck, die Impfungen würden nur einige Monate wirken.

Der FDP-Chef Lindner hat sich im ARD-Sommerinterview als Finanzminister ins Spiel gebracht. Quelle: dpa
Christian Lindner

Der FDP-Chef Lindner hat sich im ARD-Sommerinterview als Finanzminister ins Spiel gebracht.

(Foto: dpa)

Im Bundestagswahlkampf lassen SPD-Kandidat Olaf Scholz und seine Truppe keinen Versuch aus, der Welt zu erklären, warum das Kanzleramt für sie wirklich in Sichtweite ist. Immerhin hat der früher als „Scholzomat“ Gescholtene in der Hochwasserkatastrophe eine gute Figur gemacht. Tatsächlich geht es aber bei der Bundestagswahl um eine ganz andere Frage: Schwarz-Grün oder „Jamaika“ mit den Liberalen? FDP-Chef Christian Lindner, der im Herbst 2017 in Sachen „Jamaika“ noch ausbüxte, hat das erkannt und spielt schon mal „Wünsch Dir was“, man weiß ja nie.

Im ARD-Sommerinterview brachte er sich erneut als Bundesfinanzminister ins Spiel – sozusagen als menschlichen Schutzwall gegen Steuererhöhungen und seinen Freund Robert Habeck von den Grünen. Die „Ampel-Koalition“ mit den Grünen und der SPD – die einzige Option von Finanzminister Scholz – ist bei seinem Möchtegern-Nachfolger so beliebt wie Radarfallen nach Kreuzungen bei Autofahrern.

Alle Schwarz-Grün-Spekulationen erledigen sich von selbst, wenn der Wahlkampf von Spitzenkandidatin Annalena Baerbock nur aus Entschuldigungen besteht. „Sorry“ ist kein Wahlargument, schon eher: „Sorry, no story.“ Jetzt war es wieder soweit – nach verspätet gemeldeten Einkünften, biographischen Schludrigkeiten und einer collagierten Autobiographie. Die 40-Jährige entschuldigte sich, in einem Interview das „N-Wort“ benutzt zu haben, als sie davon berichtete, dass der Pennäler einer Schule sich geweigert hatte, ein Arbeitsblatt zu bearbeiten, auf dem das vermaledeite Wort stand. Leider habe sie „in der emotionalen Beschreibung dieses unsäglichen Vorfalls das Wort zitiert und damit selbst reproduziert“, schrieb sie auf Twitter.

Für die Revolutionsgarden der Bewegung namens „Political Correctness“ ist so etwas natürlich ein schweres Delikt und wird bei Wiederholung strengstens mit Ämterverzicht bestraft. Aber was heißt überhaupt „N-Wort“? Das „N“ kann ja für so vieles stehen, „nebensächlich“ zum Beispiel oder „neurotisch“.

Zu den Pionieren bei Informatik und Software gehörte vor 40 Jahren ein Professor aus Saarbrücken. August-Wilhelm Scheer gründete aus seinem Forschungsinstitut heraus die IDS Scheer AG, die es an die Börse schaffte und die er 2009 verkaufte. Kurz vor seinem 80. Geburtstag am morgigen Dienstag zieht der Chef einer eigenen Firmengruppe mit mehr als 1000 Mitarbeitern, der auch noch Wissenschaftler, Politikberater und Jazz-Musiker ist, eine kritische Bilanz der Innovationspolitik und mahnt Anstrengungen bei Bildung und digitaler Infrastruktur an.

„In der Zeit von Angela Merkel sind wir hier zurückgefallen. Man kann sich fragen, warum niemand aufgeschrien hat. Erst jetzt, bei ihrem Abschied, bemerkt man, es wurde nur Daily Business betrieben – und das große Ganze vergessen.“ Diesen Zapfenstreich wird die ewige Kanzlerin nicht gerne hören.

Und dann ist da noch Millionär Ralph Suikat, der es dem US-Milliardär Warren Buffett nachtut und höhere Steuern für Vermögende fordert. Der Mann, der mit dem Verkauf seiner Softwarefirma STP viel Geld verdiente, kritisiert im Handelsblatt-Interview „eine krasse Ungleichverteilung von Vermögen“ in Deutschland. Beim Blick auf die eigene Steuererklärung denke er: „Oh, das ist schon wenig.“ Als sein Unternehmen 1993 entstand, lag der Spitzensteuersatz noch bei 53 Prozent: „Das war völlig okay und hat auch damals niemanden vom Gründen eines Unternehmens abgehalten.“

Suikat hat nun den Appell „taxmenow“ ins Leben gerufen. 40 Millionäre sind dem Beispiel gefolgt. Niccoló Machiavelli allerdings fand, nichts verbrauche sich so sehr wie Freigebigkeit: „Indem du sie übst, verlierst du die Fähigkeit, sie zu üben, und du wirst entweder arm oder verächtlich oder, um der Armut zu entgehen, raubgierig und verhasst.“

Ich wünsche Ihnen einen guten Start in die Woche, gerne mit Großzügigkeit.

Herzliche Grüße
Ihr
Hans-Jürgen Jakobs
Senior Editor

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1 Kommentar zu "Morning Briefing : Das Debatten-Monster Impfpflicht"

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  • Kein Zweifel: Eine Impfplicht steht in Deutschland aus guten Gründen nicht auf der politischen Tagesordnung. Gerade deshalb aber sollte man sich Gedanken über unterschiedliche Freiheitsgrade von Geimpften und Nicht-Geimpften machen: für den Zeitpunkt, wo im Grundsatz jeder, der das will, eine Impfung bekommen kann. Leitprinzip sollte dann doch sein: Je geringer das Risiko, desto größer die Freiheit. Von einem Menschen, der einen vollständigen Impfschutz hat, gehen viel geringere Risiken aus als von einem, der nur negativ getestet ist - ganz besonders dann, wenn es sich um einen einmailgen Antigenschnelltest handelt. Beide Personen auch künftig, also bei ausreichendem Impfangebot, grundsätzlich gleichzustellen, wäre doch schwer verständlich. Helge Braun steht hier für den gesunden Menschenverstand. Und Laschet würde kein Zacken aus der Krone brechen, wenn er seine Position noch einmal überdächte. Die Freiheitsrechte des Einzelnen sollten an Grenzen stoßen, wo sie Schutzrechte anderer gefährden!

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