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Morning Briefing Der Vertrauensverlust der Angela Merkel

25.03.2021 - 06:11 Uhr 2 Kommentare

Guten Morgen liebe Leserinnen und Leser,

wir alle finden es großartig, wenn jemand sofort Fehler zugibt und um Entschuldigung bittet. Im Büro, in der Familie, im Freundeskreis. Meistens wird ja bis zur Schmerzgrenze vertuscht. Und so zeigen selbst sonst eher abgebrühte Politiker und Journalisten Gefühl, Respekt und Verständnis für die in der Abendsonne ihrer Karriere stehende Kanzlerin Angela Merkel.

Sie hat gestern die erst kurz zuvor gefällte Entscheidung für eine „Osterruhe“ wegen ungeklärter rechtlicher Fragen wieder revidiert, dies sei „einzig und allein mein Fehler“ gewesen. Halbwertszeit der Lockdown-Maßnahme: acht Stunden. Merkel bat „alle Bürgerinnen und Bürger um Verzeihung“. So viel Demut an höchster Stelle im Staat ist selten, allerdings auch nicht so viel Versagen. Bei Helmut Schmidt, Helmut Kohl und Gerhard Schröder wäre eine Politik nach dem Motto „Irren ist menschlich“ undenkbar gewesen.

Quelle: Bloomberg
Angela Merkel hat sich für ihren „alleinigen“ Fehler entschuldigt.
(Foto: Bloomberg)

Natürlich, Fehler passieren. Aber es handelt sich hier um eine Kanzlerin, die stets bestens präpariert in wichtige Sitzungen ging und alles vom Ende her dachte. Und es geht um das wichtigste, vielleicht sogar das derzeit einzige Thema der Politik überhaupt: die Bekämpfung von Covid-19. Was hier aber mutierte, war nicht nur das Virus, sondern Regierungskunst.

Zu welch anderem Schluss soll man kommen, wenn nach einer quälend langen Bund-Länder-Konferenz nächtens eine offenbar gestresste Regierungschefin ihren Kanzleramtschef Doktor Braun konsultiert: „Helge, hast du noch eine Idee?“ Der dann prompt von drei zusätzlichen Feiertagen über Ostern redete, so die „Süddeutsche Zeitung“. Irgendetwas muss man ja liefern, wenn die Chefin fragt. Man kommt leider aus dem Staunen nicht heraus. Die klare Präferenz von Merkel für einen temporär härteren Lockdown war ja seit Langem bekannt – und da fand sich keine Gelegenheit, alle Optionen hierfür vorher durchzuspielen?

Das Land ist in eine Vertrauenskrise geraten, in der „Verzeihung“ nicht genügt. Wir hatten ja schon: Impfstoffe, die andere Staaten besser beschaffen als Europa. Tests, die nicht nach einer klaren Strategie zu Öffnungen in Wirtschaft und Kultur führen. Masken, die von Abgeordneten aus Merkels Union mit vertraglich eingebautem Selbstbereicherungspassus dem Staat geliefert werden.

Das alles wirkt auf Menschen ein, die in engen Wohnungen, die immer teurer werden, Homeoffice und Homeschooling machen. Die Union wird sich eine andere Politik einfallen lassen müssen, wenn sie ihren Niedergang in Wählerumfragen aufhalten will. Warten auf die sich abzeichnende bessere Belieferung mit Impfdosen reicht da nicht.

Es ist eine Situation, in der ein Zurück zum „Business as usual“ nicht funktioniert. In der der neue Kanzlerkandidat der Union zum Beispiel vielleicht früher feststeht als bisher gedacht. Und eigene Ansprüche erhebt. Die Gefahr ist groß, dass Angela Merkel bei all ihren großen Verdiensten im Bundestagswahlkampf zur Belastung ihrer Partei wird. Und wenn Wählerverdruss droht, kann Politik brutal sein. Einstweilen lehnt es die Kanzlerin ab, die Vertrauensfrage zu stellen und macht wie gehabt weiter.

Die Bundesregierung prüft nun, Reisen in beliebte Urlaubsgebiete vorübergehend zu unterbinden. Intern soll Merkel gesagt haben: „Ich werde Himmel und Hölle in Bewegung setzen.“ Am Pranger stehen jetzt Mallorca-Reisende, die ein Grundrecht der Bewegungsfreiheit wahrnehmen und in ein Nichtrisikogebiet fliegen. Das könnte, Verzeihung, die nächste Entscheidung sein, die wieder zurückgenommen werden muss.

Quelle: AP
Die Entdeckung der Impfstoff-Dosen in Italien ist brisant, weil Astra-Zeneca bei den Lieferungen an die Europäische Union sehr stark im Rückstand ist.
(Foto: AP)

Einen Einblick in die Philosophie des Impfnationalismus gab jetzt der britische Premier Boris Johnson bei einem Meeting mit Hinterbänklern seiner konservativen Partei. Er benannte den Grund für den Erfolg seines Landes beim Impfen der Bürger. Das sei so passiert „because of capitalism, because of greed, my friends“, der Kapitalismus und die Gier seien die Ursache hierfür.

Die 27 Staats- und Regierungschefs, die sich heute virtuell in Sachen Corona treffen, dürften die Bemerkungen aufmerksam registrieren. Auf dem Tisch liegt ein Vorschlag von EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen: Er sieht bei Vakzinen Exportbeschränkungen für Länder vor, die umgekehrt Vakzine für Lieferungen in die EU zurückhalten. Aktueller Streit: In einem italienischen Werk sind jüngst 29 Millionen Astra-Zeneca-Impfdosen entdeckt worden, die angeblich nach Großbritannien gehen sollten. Die Firma selbst dagegen erklärt, die Dosen seien für ärmere Länder und die EU vorgesehen.

Tesla ist der Darling der Börsen, aber ein Mauerblümchen in der Firmenwelt. In Deutschland hat die gehypte Firma von Elon Musk 2020 gerade mal 5400 Elektroautos als Dienstwagen verkauft – und das bei einem Marktvolumen von 820.000. Die hohen Anforderungen, die Unternehmen an Dienstwagenflotten und Service stellen, kann der amerikanische Konzern mitunter nicht erfüllen. Zudem fehlen Preisrabatte bei Großbestellungen.

Fast alle Großkonzerne meiden Tesla, schildert unser Report, und ein Pilotprojekt bei SAP zum Beispiel war ein Flop: Auf Servicetermine und Reparaturen musste man lange warten, Werkstätten waren weit entfernt. Am Tesla-freundlichsten ist noch die Deutsche Telekom, doch auch hier entscheiden sich viele für neue E-Modelle von VW. Man fährt deutsch. In China hat Elon Musk noch ein ganz anderes Problem. Dort steht sein Konzern unter Spionageverdacht, was mit dem amerikanisch-chinesischen Wirtschaftskrieg zu tun hat. Mitarbeiter des Militärs und wichtiger Staatskonzerne dürfen nicht mehr mit Tesla-Fahrzeugen zur Arbeit kommen.

Quelle: picture alliance / Westend61
Die Bedeutung des eigenen Wohnraums in Zeiten der Pandemie steigt.
(Foto: picture alliance / Westend61)

Der Run auf Immobilien ist eine Konstante des deutschen Wirtschaftslebens, gerade in Corona-Zeiten. Das eigene „Schlösschen“ gilt manchem als Trutzburg gegen die Unbill dort draußen. Was aber auch wächst, ist die Gefahr einer Spekulationsblase. So stieg der Preis für Wohneigentum zuletzt um 8,5 Prozent, der Preis für Neuvertragsmieten aber nur um 2,8 Prozent. In Städten wie Berlin, Hamburg oder München macht der Kaufpreis schon deutlich mehr als das 30-fache der durchschnittlichen Jahresmiete aus, ermittelt das Hamburgische Weltwirtschaftsinstitut. An ein Ende der Rally, vermutlich in 2024, glauben die Analysten der Deutschen Bank, auch weil die Einwohnerzahl sinke. Solche Warnungen allerdings sind in diesem Markt so üblich wie die Courtage für Makler.

Und dann ist da noch Jan Hofer, den man bisher als „Mister Tagesschau“ gekannt und der sich im vorigen Dezember von der ARD verabschiedet hat. Der 69-Jährige denkt allerdings nicht an Rente und drängt zurück ins Nachrichtengeschäft. Er geht zum Privatsender RTL, wo er zuletzt schon als Kandidat in der Show „Let’s Dance“ tanzte. Nun wird Hofer Anchorman einer neuen wochentäglichen Newssendung im Hauptabendprogramm des Privatsenders, wo „RTL Aktuell“ erhalten bleiben soll. Bei RTL, Cashcow des Bertelsmann-Konzerns, laufen größere Umbaumaßnahmen.

Sie sollen Profil und Identität in einem durch Streaming veränderten Medienmarkt sichern, als Seichtwasserspezialist will man nicht enden. In diesem Zusammenhang darf man auch den Abschied von Dieter Bohlen als Dauerkraft bei „Deutschland sucht den Superstar“ sehen.

Ich wünsche Ihnen einen unterhaltsamen Tag.

Es grüßt Sie herzlich

Ihr

Hans-Jürgen Jakobs
Senior Editor

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2 Kommentare zu "Morning Briefing : Der Vertrauensverlust der Angela Merkel "

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

  • Foul ! Ihre Kritik an Merkel ist verständlich – und grundfalsch. Natürlich ist der Frust groß, und man will endlich ein Ende der Corona-Beschränkungen. Und natürlich findet man Zustimmung, wenn man nach klaren Regeln ruft, um eine Krise zu bekämpfen. Alle stimmen zu.
    Regeln sind bekannte Vorgehensweisen. Für sich wiederholende Situationen.
    Evolution ist ungerichtet. So ist dieses Virus entstanden. Und seine Mutanten. Und unzählige Milliarden von Mutationen im Erbgut dieses Virus, die nicht erfolgreich waren.
    Was uns aus der Krise führt: Vielfältig und flexibel auf die Herausforderungen der Evolution reagieren. Unterschiedliche Maßnahmen ausprobieren.
    Und, ganz wichtig: ein klarer Blick auf die Zukunft. Wir werden auch diese Krise überwinden, und uns in ein paar Jahren genüßlich „an die gute alte Zeit“ zurückerinnern, mit ihren überstandenen Katastrophen.
    Die Wissenschaft hat auch unterschiedlichste Ansätze verfolgt. Als BioNTech gegründet wurde, war noch nicht absehbar, daß ausgerechnet diese Firma – unter manchen anderen, damals ebenfalls mit hoffnungsvollen Konzepten gestarteten - einen jetzt erfolgreichen Ansatz verfolgt.
    Also, lieber Herr Jakobs: ich schätze ihre Kolumne sehr, und habe davon schon sehr viel profiert. In diesem Fall komme ich zu einer anderen Einschätzung.
    Für Vielfalt in der Forschung. Für Vielfalt in der Start-up Szene. Für einen evolutionären Ansatz im Umgang mit neuen Situationen. Für Föderalismus und gegen Zentralismus.
    Und gegen ein foul gegen Politiker, die einen vielfältigen Ansatz verfolgen, und dabei auch mal Fehler machen. Das gehört zur Vielfalt.
    Und für Geduld. Die Pandemie ist noch nicht vorüber. Den Streß jetzt zu erhöhen, den tatsächlich vorhandenen Frust umzuleiten, jemanden zum Sündenbock zu erklären, ist nur zu gut verständlich – bringt aber nix.
    Auch ich bein kein Freund der Merkel’schen Kommunikation – Intelligenz ist, dies so zu akzeptieren. Auch Humor könnte helfen.

  • Zum Kommentar von Herrn Jakobs zum Regierungsstil Angela Merkels mein Kommentar:
    Es ist sehr einfach, komplexe und schwierige Sachverhalte im Nachgang zu bewerten. Bei der Vielzahl der notwendigen Entscheidungen, die es im Rahmen zu treffen galt und vor allem bei den förderalen Abhängigkeiten sind Fehlentscheidungen im Grunde systemisch basiert und unvermeidlich. Diese sollten doch im Gesamtzusammenhang und im Verhältnis zu den vielen richtigen Maßnahmen gesehen werden. Die Bewertung eines umfänglichen Themas auf ein kurzes Zeitfenster ist weder fairer noch verantwortungsbewusster Journalismus!

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