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Morning BriefingDie große E-Nüchterung – warum sich deutsche Autobauer mit der Antriebswende so schwer tun

Christian Rickens 19.01.2024 - 06:30 Uhr
Handelsblatt Morning Briefing

Antriebswende: Die große E-Nüchterung der Autokonzerne

19.01.2024
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Liebe Leserinnen und Leser,

die E-Auto-Prämie ist gestrichen. Bis zu 7700 Euro Rabatt gibt es derzeit für einen Elektro-VW. Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher wechselt mangels Reichweite von einem Mercedes-Stromer zurück auf ein Hybridmodell. Und beim elektrischen iX von BMW ist die Produktion im November 2023 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um fast die Hälfte eingebrochen.

Auf den kurzen Rausch, in dem Ampelregierung und Autokonzerne gemeinsam das Lied von der gelungenen Antriebswende anstimmten, folgt nun die große E-Nüchterung, über die wir in unserer Titelstory zum Wochenende berichten.

Bei allen Bekenntnissen zum Elektroantrieb: Noch immer sind es die Verbrenner, mit denen BMW, Mercedes und Volkswagen das große Geld verdienen. Gälte es nicht die Emissionsvorgaben der EU zu erfüllen, hätten die Elektroautos made in Germany in der Konzernlogik keine Chance. Und im Hinterkopf von manchen Carguys und -girls mag noch immer der Gedanke spuken: Wenn wir nur langsam genug machen mit der Antriebswende, dann wird vielleicht auch das Verbrennerverbot in der EU ab 2035 nochmal wackeln.

Bei anderen Herstellern läuft es besser. Die Shanghai Automotive Industry Corporation (SAIC) zum Beispiel hat sich mit dem MG4 nahezu aus dem Stand zum europäischen Marktführer bei den kompakten Elektroautos aufgeschwungen und den ID.3 von VW überholt.

Die deutschen Hersteller setzen nun auf eine Strategie, die man in Abwandlung eines alten Audi-Slogans als „Vorsprung durch Elektrotechnik“ bezeichnen könnte. Sie planen Innovationen bei Batterie- und Motorentechnik und neue Modelle, die teilweise schon in diesem Jahr auf den Markt kommen. Sie sollen die kompromissbehaftete erste Generation der hiesigen Elektroautos vergessen machen – und damit der wichtigsten deutschen Industriebranche eine Zukunft sichern.

Oder wie Fabian Brandt, Autoexperte der Unternehmensberatung Oliver Wyman, es ausdrückt

Alle müssen realisieren: Es geht jetzt ums Ganze.

Ums Ganze geht es immer auch beim Haushaltsstreit der USA. Ein Stillstand der Regierungsgeschäfte ist dort vorerst abgewendet. Der Kongress verabschiedete am Donnerstag ein Gesetz, das die Finanzierung der Regierung bis in den März hinein sicherstellt. Es handelt sich lediglich um die Verlängerung einer derzeit geltenden Übergangsregelung. Die zwischen Republikanern und Demokraten gespaltenen Parlamentskammern Senat und Repräsentantenhaus können sich seit September nicht auf ein Finanzierungsgesetz für das ganze Haushaltsjahr einigen.

Verglichen damit geht es in Ampel-Deutschland regelrecht langweilig zu: Das Jahr ist gerade mal 19 Tage alt und schon steht der Bundesetat für 2024. Der Haushaltsausschuss des Bundestages hat ihn am Donnerstagabend beschlossen. Der neue Etat sieht Ausgaben in Höhe von 476,8 Milliarden Euro vor. Der Bund nimmt neue Schulden in Höhe von rund 39 Milliarden Euro auf. Trotz des Defizits würde die Bundesregierung damit erstmals seit 2019 wieder die Schuldenbremse einhalten.

Die Haushaltspolitiker der drei Ampelkoalitionen nahmen in ihrer neunstündigen so genannten „Bereinigungssitzung“ noch einige Veränderungen am Haushalt vor, mit denen geplante Einsparungen abgeschwächt werden:

    So soll die geplante Verschärfung von Sanktionen beim Bürgergeld auf zwei Jahre befristet werden.Um die Bauwirtschaft anzukurbeln, will die Koalition in den kommenden Jahren eine Milliarde zusätzlich in den klimafreundlichen Neubau investieren.Einen zuvor geplanten Zuschuss der Bundesagentur für Arbeit an den Bundeshaushalt in Höhe von 1,5 Milliarden Euro 2024 wird es doch nicht geben.

Möglich wird dieser Last-Minute-Geldsegen durch einen überraschend guten Jahresabschluss im Haushalt 2023, durch den nun 6,3 Milliarden Euro mehr als erwartet zum Ausgeben zur Verfügung stehen.

Mit diesem Geld sollen auch 2,7 Milliarden Euro für die Hochwasser-Hilfe im Ahrtal finanziert werden. Zunächst hatte es in der Ampel Pläne gegeben, für diese Gelder erneut eine Notlage zu erklären und die Schuldenbremse noch einmal auszusetzen.

Magen-Darm-Grippen und Elternabende zählen in der Regel zu den Vorgängen, bei denen man sich im Nachhinein lieber nicht mehr daran erinnert, wie sie genau abliefen. Auch die Geburtswehen des Bundeshaushalts 2024 gehören für mich in diese Kategorie. Aber falls sie hartgesotten genug sind: Unsere Finanzexperten Martin Greive und Jan Hildebrand haben rekonstruiert, wie das qualvolle Etat-Drama ablief, inklusive Elterngeld-Knall und Schuldenbremsen-Chaos.

Angesichts der innenpolitischen Friedhofsruhe, die sonst weitgehend in Russland zu herrschen scheint, hat mich diese Meldung aufhorchen lassen: Nach einer regierungskritischen Demonstration in der russischen Teilrepublik Baschkortostan an der Wolga sucht die Polizei nach Organisatoren und Teilnehmern. Der Protest hatte sich an der Verurteilung eines örtlichen Umweltaktivisten zu vier Jahren Lagerhaft wegen angeblichem Extremismus entzündet. Teile der rund 3000 Demonstranten bewarfen Polizisten mit Eisstücken und Schneebällen. Die Polizei reagierte mit Schlagstöcken, Tränengas und Blendgranaten.

Der verurteilte Aktivist Fail Altschinow setzte sich auch für eine stärkere Autonomie der Teilrepublik und den Schutz der baschkirischen Sprache ein. Er kritisierte zudem den Krieg in der Ukraine, in dem die russische Armee viele Männer aus der Region einsetzt.

Eine Reaktion auf den Ukrainekrieg ist auch das größte Nato-Manöver seit Jahrzehnten, das in diesen Tagen startet: Rund 90.000 Soldaten sollen an der bis Mai dauernden Übung „Steadfast Defender 24“ teilnehmen und demonstrieren, dass das Bündnis sein gesamtes Territorium bis zur russischen Grenze verteidigen könne, sagten Nato-Vertreter am Donnerstag.

Nach wie vor ringen manche Kundinnen und Kunden der Postbank mit Problemen. Wolfgang Schuldzinski, Vorstand der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen (NRW), sagte am Donnerstag: „Uns erreichen immer noch ungewöhnlich viele Beschwerden zu Postbank-Konten.“ So führte die Verbraucherzentrale den Fall einer Bonner Kundin an:

Die Verbraucherin hatte über die Feiertage und den Jahreswechsel keinen Zugriff auf ihr Geld. Weder in der Filiale noch bei der zentralen Hotline wurde der Frau in ihrer Not geholfen.

Die Deutsche Bank hatte ab Sommer 2022 in mehreren Schritten die Kundendaten ihrer Tochtergesellschaft Postbank auf die eigenen IT-Plattformen überführt. Seit über einem Jahr kommt es dabei für eine Vielzahl von Kunden der Postbank und ihrer Baufinanzierungstochter DSL zu Schwierigkeiten. 

Vielleicht hilft ein neues Framing? Die gesperrten Konten ließen sich zum Beispiel als bewusstes „Financial Detox“ vermarkten, mit dem die Deutsche Bank ihren Kundinnen und Kunden hilft, ohne ständigen Zugang zum eigenen Geld die wirklich wichtigen Dinge im Leben neu zu entdecken: Freundschaft, Gelassenheit und die noch nicht allzu lange abgelaufenen Konservendosen ganz hinten im Küchenschrank.  

Ich wünsche Ihnen einen ressourcenreichen Wochenausklang.

Herzliche Grüße,

Christian Rickens
Textchef Handelsblatt

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