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Morning Briefing Die USA entdecken das Helikoptergeld

18.03.2020 - 06:00 Uhr Kommentieren

Guten Morgen liebe Leserinnen und Leser,

eine akademische Idee kommt in diesen Tagen zu politischen Ehren: das „Helikoptergeld“. Sein Erfinder Milton Friedman fragte sich 1969 ganz einfach, was wohl passieren würde, wenn ein Hubschrauber 1000 Dollar über einer Gemeinde abwerfen würde – und kam auf steigende Preise. Zunächst in China (für Hongkong), jetzt aber auch in den USA taugt das Modell der direkten Geldzahlungen an Bürger dagegen zur wirtschaftlichen Belebung in trister Zeit.

Finanzminister Steve Mnuchin will den Amerikanern Heli-Dollars zwecks Konsumausgabe überlassen, der eindrucksvollste Posten in einem Billionen-Dollar-Konjunkturprogramm. Im Schnitt würde jeder US-Haushalt, über zwei Schecks, rechnerisch bis zu 4000 Dollar erhalten – was man selbst beim Lotteriespiel nie schafft. Die Coronavirus-Pandemie lässt also die Hubschrauber einer verunsicherten Nation aufsteigen, es regnet Geld, und John Maynard Keynes fragt sich im Grab, wann denn seine Idee an die Reihe kommt: Der Ökonom hatte vorgeschlagen, Geld in ungenutzten Bergwerken zu verbuddeln, das dann zwecks Wohlstandssteigerung von den Arbeitern wieder ausgegraben werden könnte.

Quelle: AP
Um in Deutschland eine Ausgangssperre zu verhängen müsste die Bundesregierung ein neues Gesetz erlassen.
(Foto: AP)

Zu den bürgerlichen Freiheiten, die in Corona-Zeiten politische Knetmasse sind, gehört die Reisefreiheit. Deutschland beeilte sich, das von der EU-Kommission vorgeschlagene Einreiseverbot für Nicht-EU-Bürger (nicht betroffen sind auch die renitenten britischen Brüder und Schwestern) sofort und pflichtschuldigst umzusetzen. Einer pauschalen Warnung Angela Merkels („müssen mit ernsten, sehr ernsten Folgen für unsere Wirtschaft rechnen“) könnte bald eine pauschale Weisung folgen – das Haus nicht mehr zu verlassen. Solche Ausgangssperren für Bürger gibt es schon in Italien, Spanien, Frankreich und Belgien. Deutschland müsste erst noch ein passendes Gesetz erlassen, was in diesen Tagen aber schnell möglich ist.

Wer den Akteuren auf der politischen Kommandobrücke zuhört, glaubt gerne, die „happy few“ könnten das Problem Coronavirus genauso kontrollieren wie die Krankheit Covid-19 die Hirne der deutschen Bürger. Doch inzwischen haben sich mehr als 8000 Menschen in Deutschland mit dem Virus infiziert, darunter der permanent wahlkämpfende Bierdeckel-Klassiker Friedrich Merz. Alle registrieren aufmerksam, wie das Robert-Koch-Institut die Risikobewertung für die Bevölkerung von „mäßig“ auf „hoch“ aufstufte – und wie damit das in Berlin gepflegte Narrativ wankt, man werde dieser Plage jederzeit Herr.

Tatsächlich zeigen sich grobe Risse im System, es fehlt an Tests, Schutzausrüstung und Desinfektionsmitteln, außerdem haben die Länder in ihrer Spar-Manie Krankenhäuser darben lassen. Kurzum: Überall fehlt es, analysiert unsere Titelstory „Gesundheitssystem am Limit“. Eine Idee besagt, dass aus Hotels bald Krankenhäuser werden könnten.

Ursprünglich waren gestern für vier US-Staaten Vorwahlen angesetzt, aber dann verfügte der Gesundheitsdirektor von Ohio in letzter Minute, dass die Wahlkabinen geschlossen bleiben – wegen des Notstands der öffentlichen Gesundheit. So wählten nur Arizona, Florida und Illinois ihre Delegierten, die immerhin elf Prozent beim Wahlkonvent ausmachen. Ex-Vizepräsident Joe Biden gewann in allen drei US-Bundesstaaten. Hauptrivale Bernie Sanders ist inzwischen reif für den Ausstieg aus dem Rennen – und für einen Vertrag über ein Buch, in dem er alles noch einmal genau erklärt: die USA, ihre Reichen und ihre Reichen-Verächter.

Deutschland schließt die Tore, ökonomisch erleben wir eine einzigartige Betriebsschließung. Das kommt in der Realität – gute Zeiten, schlechte Zeiten – einem „Lockdown“ gleich. Aus der heimischen Industrieproduktion steigen nun Volkswagen, Daimler und Opel für einige Zeit aus. Das Trio will die meisten Fabriken auf dem Kontinent vorübergehend schließen, weshalb überall Störungen in den Lieferketten auftreten.

In einem „Brief an die Mitarbeiter“, der uns vorliegt, formuliert VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh klare Ansagen. Das Personal sähe nicht mehr ein, „warum sie ohne klare Ansagen“ aus dem Management „für ein paar Hundert Autos mehr eine Ansteckung riskieren sollten“, die sie dann früher oder später „nach Hause in ihre Familien tragen“, echauffiert sich der Arbeiterführer. Vielleicht hilft hier mal Luther: „Arbeiten im Lande ist besser als in der Wüste beten.“

Das Thema Coronavirus lädt offenbar manche aus der Internet-Gemeinde zu Fake News und Verschwörungstheorien ein. In China ist zu hören, feindliche Staaten – die USA! – hätten die Viren als Teil ihrer geopolitischen Strategie in die Volksrepublik gebracht. In Italien dagegen heißt es, die Bedrohung sei aus München eingeschleppt worden. Was wahr ist oder erfunden, können künftig etliche Journalisten der US-Zeitungen „New York Times“, „Wall Street Journal“ und „Washington Post“ nicht mehr in der Volksrepublik recherchieren: Sie müssen innerhalb von zehn Tagen ihre Pressekarten zurückgeben und sollen dann ausreisen. Kurz zuvor hatten die USA für Chinas Staatsmedien dekretiert, sie müssten sich in den Vereinigten Staaten künftig – wie eine Botschaft – als ausländische Vertretung registrieren lassen. In der Geopolitik kommt der freie Journalismus unter die Räder.

Wie wir mit dem unsichtbaren Feind aus der Sars-Viren-Familie leben, wie wir uns in Homeoffices organisieren und wie die Wirtschaft derzeit eine Bodenlinie sucht, was das Ausland macht und wann die Fußballspieler wieder Fußball spielen, das sind nur einige Fragen, die Sie und uns täglich interessieren. Wir versorgen Sie deshalb von heute an jeden Mittag zusätzlich mit dem „Handelsblatt Morning Briefing – Corona Spezial“.

Quelle: AP
Uefa-Präsident Aleksander Čeferin hält Fußballspiele ohne Zuschauer für freudlos.
(Foto: AP)

Und dann ist da noch Aleksander Čeferin, slowenischer Fußballfunktionär, der seit fast vier Jahren den europäischen Verband Uefa lenkt. Der Jurist verkündete gestern, dass die Europameisterschaft um ein Jahr auf Sommer 2021 verschoben werden und auf diese Weise nationale Ligen wie die Bundesliga mehr Zeit hätten, die Saison zu Ende zu spielen (was wohl eine Illusion ist).

Čeferin räumte bei seinem Vortrag auch mit dem Phänomen „Geisterspiele“ auf, also Begegnungen ohne Zuschauer, die von deutschen Fußball-Granden derzeit empfohlen werden. Fußball sei eine „erhebende und mächtige Kraft in der Gesellschaft“, sagt der Uefa-Chef: „Der Gedanke, ein europaweites Fußballfestival in leeren Stadien mit verlassenen Fanzonen zu feiern, ist freudlos.“ Das mit der Freudlosigkeit kann sich die deutsche Fußball-Liga ins Stammbuch schreiben.

Ich wünsche Ihnen einen freudvollen Tag. Vielleicht schauen Sie in Ihre WhatsApp-Gruppe und entdecken wieder einen Aufruf, um 21 Uhr auf Balkonen gemeinsam für Menschen zu klatschen, die sich aktuell beruflich für die Viren-geschädigte Gesellschaft einsetzen. In Spanien, China und Italien applaudierte sich das Volk so Zuversicht und Zukunftsmut ins neue Urlaubsland Balkonien.

Es grüßt Sie herzlich

Hans-Jürgen Jakobs
Senior Editor

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