Morning Briefing Heimliche CDU-Vorsitzende Angela Merkel
Guten Morgen liebe Leserinnen und Leser,
man muss kein Fan von Angela Merkel sein. Aber in der aktuellen Thüringen-Krise hat die Kanzlerin wie kein anderer Politiker Führungsstärke und Problemlöserqualitäten bewiesen. Unmissverständlich hat Merkel klargemacht, was sie von der Wahl eines Ministerpräsidenten mit Stimmen der AfD hält („unverzeihlicher Vorgang)“, wie sich die Union gegenüber der rechtspopulistischen AfD verhalten soll („keine Mehrheiten mithilfe der AfD“) und was jetzt zu tun ist („einen neuen Ministerpräsidenten wählen“). Die Kanzlerin hat nicht nur weiteren Schaden vom politischen System in Deutschland und von der CDU abgewendet, sondern auch noch den aufgebrachten Koalitionspartner SPD beruhigt. Viele in der CDU wünschen sich ein Ende der Merkel-Ära. Aber irgendwie kann die CDU in dieser Verfassung nicht ohne Merkel.
Thüringens Ministerpräsident Thomas Kemmerich (FDP) ist mittlerweile von seinem Amt zurückgetreten. Doch wie in dem ostdeutschen Bundesland stabile Verhältnisse geschaffen werden sollen, ist unklar. Stattdessen hat die Linkspartei nach CDU und FDP offenbar nun auch die Lust auf Selbstbeschädigung entdeckt. So fordert Landeschefin Susanne Hennig-Wellsow, dass die CDU eine erneute Kandidatur von Ex-Ministerpräsident Bodo Ramelow unterstützen soll. Schließlich hat Rot-Rot-Grün ohne Stimmen von CDU oder FDP keine Mehrheit. Nur: Mit Zwang lässt sich nach diesem Wahl-Desaster kaum etwas erreichen. Gefragt sind jetzt neue Ideen und neue Köpfe.

Der kurze Pakt mit der AfD hat die FDP nachhaltig erschüttert. Zwar hat Parteichef Christian Lindner öffentlich Selbstkritik geübt und die Vertrauensfrage im Parteivorstand überstanden, doch bei den eigenen Wählern kocht die Stimmung. In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa hat sich die Zustimmung zur Bundes-FDP auf fünf Prozent halbiert. Die Erkenntnis: Bei den FDP-Anhängern funktionieren die demokratischen Reflexe.
Auch Unternehmer reagieren mit Unverständnis und Frust. Die FDP habe sich in Thüringen „blauäugig aufs Kreuz legen lassen“, sagt Ulrich Dietz, Gründer des IT-Dienstleisters GFT und Vizepräsident des Digitalverbands Bitkom. Martin Kind vom gleichnamigen Hörgerätehersteller sagt, dass das Verhalten der FDP im Thüringer Landtag „politisch vollumfänglich abzulehnen“ sei. Und Lutz Goebel, ehemaliger Präsident der Familienunternehmer, fordert als Konsequenz aus dem Thüringen-Skandal „die Führung der Partei auf eine breitere Basis zu stellen“. Auf FDP-Chef Lindner warten harte Zeiten.

EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager ist eine harte Verhandlerin. Das weiß nicht nur der amerikanische Super-Konzern Google, gegen den die Dänin mit den Waffen des Gesetzes vorgeht. Jetzt bekommt Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier die Macht der Kommissarin zu spüren. Die von Altmaier gewünschte Lockerung der Fusionskontrolle lehnt sie ab. „Wettbewerb nutzt uns allen. Was sich bewährt hat, sollten wir natürlich auch bewahren“, konterte Vestager das Bestreben des Bundeswirtschaftsministers, das er gemeinsam mit seinen Amtskollegen aus Frankreich, Italien und Polen vorgetragen hatte, im Interview mit dem Handelsblatt. Altmaier mag sich in diesen Stunden an Bertolt Brecht erinnert fühlen: „Alle großen Ideen scheitern an den Leuten.“
Die Hiobsbotschaften aus dem Daimler-Konzern reißen nicht ab. Nach Informationen meiner Kollegen Franz Hubik und Martin Murphy verschärft der Stuttgarter Autobauer seinen Sparkurs. Über Abfindungen, Frühverrentungen und Altersteilzeit sollen bis zu 15.000 Mitarbeiter den Konzern verlassen. Bisher war von 10.000 Stellen die Rede. Zudem soll die Modellpalette verkleinert werden. Wenn Daimler-Boss Ola Källenius an diesem Dienstag die Jahresbilanz präsentiert, wird er viele unangenehme Fragen beantworten müssen.
Nach drei Gewinnwarnungen innerhalb kurzer Zeit und dem Einbruch des Aktienkurses von mehr als 20 Prozent ist die Stimmung bei Investoren an einem neuen Tiefpunkt angekommen. Noch fordert niemand einen Wechsel an der Spitze des Daimler-Konzerns. Doch die Geduld mit dem Nachfolger von Langzeitboss Dieter Zetsche dürfte bald aufgebraucht sein, wenn Källenius nicht in absehbarer Zeit nachhaltige Erfolge vorweisen kann. Der Schwede muss endlich zeigen, dass das Daimler-Versprechen „Das Beste oder nichts“ nicht zur Phrase verkommt.
Was haben die TV-Moderatorin Nina Ruge, der Multi-Aufsichtsrat Wolfgang Reitzle, Top-Investor Alexander Dibelius und Douglas-Chefin Tina Müller gemeinsam? Sie glauben an das geheimnisvolle Start-up Tomorrowlabs, das erfolgreiche Anti-Aging-Produkte entwickelt hat, und den dahinter funkelnden Milliardenmarkt. Meine Kollegen Axel Höpner und Thomas Tuma haben die Hintergründe dieser skurrilen Allianz recherchiert.

Und dann ist da noch das Sturmtief „Sabine“, das in Deutschland für Verkehrschaos und erhebliche Schäden gesorgt hat. Auf dem Brocken im Harz wurden Orkanböen mit Spitzengeschwindigkeiten von mehr als 150 Kilometern pro Stunde gemessen. Die Deutsche Bahn hatte den Fernverkehr gestern bundesweit eingestellt, zudem wurden hunderte Flüge gestrichen. Reisen bildet bekanntlich, aber bei diesem Wetter hat Sicherheit oberste Priorität.
Ich wünsche Ihnen einen guten Start in die Woche – ohne allzu großen Reisestress.
Herzliche Grüße Ihr
Sven Afhüppe
Chefredakteur
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„man muss kein Fan von Angela Merkel sein. Aber in der aktuellen Thüringen-Krise hat die Kanzlerin wie kein anderer Politiker Führungsstärke und Problemlöserqualitäten bewiesen. Unmissverständlich hat Merkel klargemacht, was sie von der Wahl eines Ministerpräsidenten mit Stimmen der AfD hält („unverzeihlicher Vorgang)“, wie sich die Union gegenüber der rechtspopulistischen AfD verhalten soll („keine Mehrheiten mithilfe der AfD“) und was jetzt zu tun ist („einen neuen Ministerpräsidenten wählen“). Die Kanzlerin hat nicht nur weiteren Schaden vom politischen System in Deutschland und von der CDU abgewendet, sondern auch noch den aufgebrachten Koalitionspartner SPD beruhigt. Viele in der CDU wünschen sich ein Ende der Merkel-Ära. Aber irgendwie kann die CDU in dieser Verfassung nicht ohne Merkel“
Sieht so aus. Und wenn Merkel irgendwann nicht mehr da ist, um das Schlimmste zu verhindern, was dann? Ist der „Souverän“ Bürger dann ein dem Schicksal ausgeliefertes Blatt im Wind? Oder sollte er nicht mal langsam anfangen, das - sein Schicksal - endlich in die eigenen Hände zu nehmen, statt weiter wie gebannt auf die immer abenteuerlicheren Kapriolen seines seinerseits von einer unheimlichen „höheren Macht“ - dem Geld -gesteuerten vermeintlichen Führungspersonals zu starren?
Anders als mit dieser „Herrschaft“ des Geldes ist die derzeitige, ebenso rasant fortschreitende wie zielstrebige Selbstzerstörung unseres Planeten bzw. unseres gemeinsamen Lebensumfelds unter der Ägide von „Experten“ wie Trump, Xi, Putin, Bolsonaro, Morrison und Konsorten und deren „Richtlinien“, die von sämtlichen „maßgeblichen“ Akteuren in Politik und Wirtschaft offenbar als eine Art Naturgesetz angesehen - und daher nicht nur aller ebenso begründeten wie berechtigten Kritik aus der Öffentlichkeit bzw. der breiten „Masse“ der Bürger zum Trotz, sondern diesen zivilen Widerstand sogar mit allen Mitteln unterdrückend und bekämpfend - brav und „gewissenhaft“ befolgt werden, nämlich nicht zu erklären.