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Morning Briefing Holt uns raus aus Afghanistan!

13.08.2021 - 06:00 Uhr Kommentieren

Guten Morgen liebe Leserinnen und Leser,

für Afghanistan war Außenminister Heiko Maas (SPD), Großdeuter mit schwankender Tagesform, von einem milden Regime der Taliban ausgegangen. Nun, wo sich eine Ayatollah-mäßige, radikale Islamisierung abzeichnet, eine Eliminierung der in 20 Jahren aufgebauten Demokratie, kündigt er an, Deutschland werde dann keinen „Cent mehr nach Afghanistan geben“.

Die USA ordern unterdessen 3000 zusätzliche Soldaten an den Flughafen der Hauptstadt Kabul: Sie sollen den geordneten Abzug des Botschaftspersonals organisieren. Das angebrachte Wort der „Evakuierung“ vermeidet das US-Außenministerium, es klingt wohl zu hässlich nach Scheitern. Großbritannien wiederum schickt 600 Soldaten, um Landsleute und afghanische Übersetzer a.s.a.p. herauszuholen aus einem Gebiet, das mal abwechselnd in den Händen von Sowjets, Warlords, Mudschahidin, Taliban und GIs war.

Nach all den Wochen, in denen Pech und Teer an seinen Händen zu kleben schien, hat Armin Laschet am heutigen Freitag einen 1A-Termin. Ein Date, das besser zu seiner Parole vom „Modernisierungsjahrzehnt“ passt als jene Grimasse im Flutgebiet, die zum Fotomotiv des Jahres wurde. Der CDU-Chef und Kanzlerkandidat trifft also in der Tesla-Gigafactory im brandenburgischen Grünheide einen anderen Vorsitzenden, den die E-Auto-Bewegung anführenden Elon Musk. Ein Pressetermin ist angesetzt.

Laschet preist vorab die Investition des Tesla-Chefs, damit setze das Unternehmen in Europa einen Punkt. Es würden sich „viele Betriebe rund um Grünheide ansiedeln, die ihrerseits dann wieder neue Arbeitsplätze bringen“. Von Terminen Musks mit Annalena Baerbock oder Olaf Scholz ist übrigens nichts bekannt. Angesichts dieser Lage ist das aktuelle Statement des Ostbeauftragten Marco Wanderwitz (CDU) wohl falsch: „Die Bundestagswahl ist völlig offen.“

Natürlich gibt es Frauen ganz oben in Familienunternehmen, nehmen wir nur Nicola Leibinger-Kammüller oder Bettina Würth. Aber insgesamt sind es zu wenige, zum Beispiel in den Aufsichtsgremien. Unglaubliche 40 Prozent der familiengeführten Firmen haben keine Aufsichtsrätinnen, zeigt eine Analyse der Beratungsfirma Russell Reynolds, die uns vorliegt. Liegt es an Patriarchen?

Familienunternehmen (v.l.) Tönnies, Hansgrohe, Würth: Alle drei Firmen haben keine einzige Frau in ihren Aufsichtsgremien.

Jedenfalls gefährdet eine solche Monokultur der Y-Chromosomen den Erfolg der Familienfirmen, die oft „Hidden Champions“ und Weltmarktführer sind. Die geringe Diversität beginne zum Nachteil zu werden, „wenn es potenzielle Manager und Mitarbeiter davon schreckt, für das Unternehmen zu arbeiten“, sagt Studienautor Thomas Tomkos.
Kurzum: Die Familie als Vaterland der Marktwirtschaft muss auch Mutterland werden.

Jahrelang haben wir mit magischer Verzückung und leichtem Tremolo in der Stimme das Zwei-Wort „Silicon Valley“ ausgesprochen. Ganze deutsche Busladungen lungerten in den Ess-, Kreativ- und Deal-Ecken der einschlägig bekannten Firmen herum. Sie wären besser mal früher nach Shenzhen gereist, der IT-Metropole nahe Hongkong, die Chinas KP-Regime in den Hotspot für die globale Tech-Eroberung verwandelt hat.

In unserem Wochenendtitel schildern wir die 17-Millionen-Einwohner-Metropole als „wichtigstes Kraftzentrum“ für die digitalen Weltmachtträume der Volksrepublik, als „Kraftriegel“ des Staatskapitalismus. „Die Innovationskapazitäten in den Bereichen Künstliche Intelligenz, Gen-Sequenzierung, neue Energiefahrzeuge und Drohnen sind bereits weltweit führend“, sagt Katharina Hölzle. Und sie muss es wissen, als Professorin für IT-Entrepreneurship am Hasso-Plattner-Institut der Universität Potsdam.

Grafik

Das KP-Narrativ, es seien die Reformen Deng Xiaopings gewesen, die ein Fischerdorf in eine Tech-Hauptstadt verwandelten, scheint allerdings den Gehirnen von Propagandakünstlern entsprungen. Shenzhen war zum Zeitpunkt der Deng-Modernisierung bereits eine Stadt mit 300.000 Einwohnern. Und lange vor der Errichtung der Sonderwirtschaftszone 1980 hatten lokale Initiativen die Entwicklung angestoßen.

Man profitierte davon, dass es kaum Denkverbote und Tabus gab, die meisten Bürger waren zugezogen. Auch half der Handel mit dem nahen Hongkong – das nun jedoch nicht länger als Brücke für ausländische Investoren dient. Dengs Dogma, den Fluss zu überqueren, indem man die Steine fühlt, ist einem Kontrollwahn Pekings gewichen. An den Flüssen sind jetzt Kameras.

Mein Kulturtipp zum Wochenende: „Ciao“ von Johanna Adorján, ein Capriccio über Lieben und Leiden in modernen Zeiten. Der Roman der Journalistin spießt auf unterhaltsame, sommerlich-satirische Art die Trendsucht einer Gesellschaft auf, in der Influencerinnen zu Symbolfiguren werden und kritische Geister zu jenen „alten weißen Männern“, die als Verlierer des digitalen Wandels durch die Feuilletons geistern. Nicht die Rhythmik eines Gedichts zählt hier, sondern die Frequenz, in der „Likes“ eingehen. Und das Zeitungsporträt eines alternden Reporters über eine junge Medienfrau wird zum Twitter-Ereignis: „Warum schreiben Männer über Frauen, das ist auch eine Art von Gewalt, just sayin.“

In der aktuellen Handelsblatt-Ausgabe stellen wir übrigens jene zehn Autoren vor, die für den Wirtschaftsbuchpreis 2021 nominiert sind. Neben Bill Gates, Fränzi Kühne oder Eula Biss sind etwa auch die Ökonomen Markus K. Brunnermeier und Moritz Schularick dabei.

Quelle: imago images/Nordphoto
Aufsteiger Bochum ist erstmals seit 2010 wieder erstklassig. Die Klubs sind dringend auf Zuschauereinnahmen angewiesen.
(Foto: imago images/Nordphoto)

Die Erste Fußball-Bundesliga startet heute in die neue Saison: Mönchengladbach gegen Bayern. Die durch partielle Funktionärsunfähigkeit eingeschränkte Branche kämpft darum, nicht im dritten Jahr in Folge starke Umsatzrückgänge zu erleiden. Die Sponsorenvereinigung S20 publiziert pünktlich zum Neu-Start ein „Whitepaper“, das die Klubs in Sachen Nachhaltigkeit und Glaubwürdigkeit in die Pflicht nimmt. Egal, ob ökonomisches Wirtschaften, Good Governance, Klimaschutz, Inklusion oder Frauenförderung, der Sport habe da „Nachholbedarf“.

Thomas Röttgermann, Chef von Fortuna Düsseldorf, fordert, die Ausgaben für Spieler mit einer Höchstquote zu deckeln, einem Anteil am Gesamtbudget von etwa 70 Prozent wie in Spanien. Diese Idee der Gehaltsobergrenze greift Europas Fußballverband Uefa auf – und will im Gegenzug jenes „Financial Fair Play“ abschaffen, das Schulden-Exzesse und überteuerte Spielerkäufe nicht verhindert hat.

Bei Paris St. Germain drehen jetzt die Stürmer Messi, Neymar und Mbappé für zusammen 100 Millionen Euro Nettojahresgehalt ihre Runden. Spielgeld für Klubeigentümer Katar, wenn man so jedem zeigen kann, was die Frage: „Was kostet die Welt“ bedeutet.

Und dann ist da noch die börsennotierte Kölner Gruppe Ströer, die auf Auftrag Plakate klebt und die auch T-Online betreibt. Der Außenwerber muss entweder ein sehr weites Verständnis von Meinungsfreiheit haben oder geschäftstüchtig ohne Ethik sein, vielleicht auch ahnungslos. Jedenfalls hat Ströer in Großstädten Plakate für die Negativkampagne „Grüner Mist 2021“ angebracht, die Werbung der Grünen aufs Primitivste persifliert. Da hängen die Köpfe von Sonnenblumen, es prangen Begriffe wie „Klimasozialismus“ oder „Ökoterror“.

Hinter der in rechtsextremen Kreisen beklatschten Aktion steckt die Agentur „Conservare Communication GmbH“ des Ex-CSUlers David Bendels. Der Mann steht dem „Deutschland Kurier“ und dem „Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und bürgerlicher Freiheiten“ vor, alles AfD-nah. SPD und Union distanzierten sich prompt. Ströer wiederum erklärt, für Inhalte und Gestaltung nicht verantwortlich zu sein – und man könne keine Werbung ablehnen, die nicht gegen Gesetze und freiwillige Selbstbeschränkungen verstößt.
Alles in allem: „Schwarzbrauner Mist 2021“.

Ich wünsche Ihnen ein erholsames, sonniges Wochenende.

Es grüßt Sie herzlich
Ihr
Hans-Jürgen Jakobs
Senior Editor

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