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Morning Briefing Joe Bidens Beschwörungen

01.09.2021 - 06:21 Uhr Kommentieren

Guten Morgen liebe Leserinnen und Leser,

letztlich sind die Opfer des IS-Sprengstoffanschlags am Flughafen Kabul eine Folge stümperhafter Verhandlungen der US-Regierung mit den Taliban. Der Präsidentenwechsel hat den Dilettantismus verlängert – mit der Unfähigkeit, einen geordneten Abzug aus Afghanistan zu organisieren. So wurden die Toten Donald Trumps zu den Toten Joe Bidens.

Am gestrigen Dienstagabend trotzte der Senior aus Delaware den entstandenen Imageschäden. Sein Vorgänger habe nun mal einen „Deal“ gemacht, die „Herausforderungen“ beim Abzug seien unvermeidbar gewesen, so Biden in seiner Rede an die Nation im Weißen Haus: „Es war an der Zeit, den Krieg zu beenden.“ Der Truppenabzug zum 31. August sei nicht auf eine „willkürliche Frist“ zurückzuführen, sondern so ausgelegt gewesen, „um amerikanische Leben zu retten“.

Die Familie der 23-jährigen Unteroffizierin Nicole Gee, die beim IS-Anschlag mit zwölf anderen US-Soldaten starb, dürfte das etwas anders sehen. „Ich liebe meinen Job“, hatte Gee zu einem Foto geschrieben, das sie beim Beruhigen eines afghanischen Babys zeigte.

Joe Biden kann selbst für die TV-Bilder sorgen, die er braucht. Die Taliban müssen dafür Gewalt anwenden, zumindest schien es am vergangenen Sonntag so. Da standen acht schwerbewaffnete Kämpfer im Studio des Senders Afghan TV hinter dem Moderator, während ein Taliban-Kommandeur dem Moderator versicherte, dass sich niemand vor den neuen Machthabern ängstigen müsse.

Die Zuschauer sollten „mit der Gruppe kooperieren“. Das Islamische Emirat Afghanistan beginnt so, wie es in Russland oder China bereits Praxis ist: als Mediendiktatur.

Quelle: Reuters
Olaf Scholz und Angela Merkel: Lange haben sie gut zusammengearbeitet. Aber im Wahlkampf geht Merkel auf Distanz zu ihrem Vizekanzler.

All die Wortspiele mit „Angela Scholz“ oder „Olaf Merkel“ nerven die Union. All die Kommentare meiner Kolleginnen und Kollegen, der SPD-Kanzlerkandidat brächte jene Ruhe auf, die man stets der abdankenden Regierungschefin bescheinigt hat. Und dann hat der Vizekanzler auch noch die Chuzpe, sich im Magazin der „Süddeutschen Zeitung“ mit beidhändiger Raute abbilden zu lassen: „Sagen Sie jetzt nichts!“

Doch, jetzt sagen wir etwas, dachte sich Angela Merkel, das Original, und unterbrach ihre Wahlkampf-Abstinenz. Sie verwies auf große Unterschiede zwischen ihr und Scholz: „Mit mir als Bundeskanzlerin würde es nie eine Koalition geben, an der die Linke beteiligt ist. Ob dies von Olaf Scholz so geteilt wird oder nicht, das bleibt offen.“

Für rhetorisch härtere Ware ist CSU-Chef Markus Söder gut und bezichtigt Scholz wie in einer guten bayerischen Bauernkomödie der „Erbschleicherei“. Das wird nur noch von Schattenminister Friedrich Merz getoppt, der über den roten Rauten-Darsteller sagt, er sei als „Raubkopierer unterwegs“.

Wo nichts ist, kann allerdings nichts kopiert oder erschlichen werden. Die Geringschätzung der Digitalisierungschancen unter der Ägide Merkels setzt sich im Wahlkampf fort. Der wirkt so, als hätten die Parteien in diesem Punkt „null Bock“ auf Zukunft.

Auch beim TV-Triell am vergangenen Sonntagabend waren neue Technologien kein Thema. Am gestrigen Dienstag beim CDU-Wirtschaftsrat präsentierte Parteichef Armin Laschet so routiniert wie erwartbar die konservativen Klassiker: Bürokratieabbau und Steuersenkung. Von Start-ups jedoch war nicht die Rede. Und das, obwohl die Coronakrise all die Defizite des Landes deutlich aufgezeigt hat.

Klartext beim christdemokratischen Wirtschaftsrat sprach nur SAP-Chef Christian Klein: Die Probleme mit digitalen Lernplattformen seien das „größte Trauerspiel“ gewesen – er sei deshalb „sehr enttäuscht“, dass Digitalisierung beim TV-Kandidaten-Wettlauf keine Rolle gespielt habe. Titel unseres Aufmachers: „Die vergessene Zukunft“. Bleibt nur, mit dem Schriftsteller Jean de La Fontaine zu hoffen: „Mit den Flügeln der Zeit fliegt die Traurigkeit davon.“

Grafik

Früher waren die Verhältnisse aus Sicht des Westens geordnet: China war die „Werkbank der Welt“, man selbst fuhr Exportrekorde ein. Das Modell dreht sich: Nun wird die Volksrepublik Exportland, und zwar bei elektrischen Fahrzeugen. Schon heute stammt jedes zweite E-Auto weltweit aus China, schildern wir in einem Report.

Europa sei „dabei der wichtigste Markt für die chinesischen E-Auto-Exporteure“, sagt Gregor Sebastian, Autor einer neuen Studie der auf China spezialisierten Denkfabrik Merics. Er hält die Hersteller BYD, Geely, Nio, SAIC und Xpeng für besonders aussichtsreich.

Einige dürften sich auch in Europa durchsetzen. Im ADAC-Test schnitt jüngst Geelys „Polestar 2“ sogar besser ab als der Stolz von Volkswagen, das E-Modell ID4. Schon Ephraim Kishon wusste: „Die Asiaten haben den Weltmarkt mit unlauteren Methoden erobert, sie arbeiten während der Arbeitszeit.“

Wenn man einen toten Gaul weiter reitet, wird der auch nicht schneller – mit dieser Begründung hat sich Telekom-Chef Tim Höttges von einem Dienst abgewendet, der mal die Zukunft amtlicher Kommunikation sein sollte.

Nun aber stellt der Bonner Konzern sein 2011 gestartetes De-Mail-Geschäft – Mailkommunikation mit Firmen und Behörden – aus wirtschaftlichen Gründen ein. Kosten in Höhe eines dreistelligen Millionenbetrages sind damit auf fonds perdu zu buchen.

Den Privat- und Geschäftskunden wird zum 31. August 2022 gekündigt, womöglich übernehmen andere Firmen die Daten. Rivalen wie Mentana Claimsoft oder United Internet wollen mit ihren E-Mail-Systemen auf jeden Fall weitermachen. Hier trabt der Gaul noch.

Quelle: dpa
Real Madrid bietet bei Paris Saint-Germain um Kylian Mbappé.

Und dann ist da noch der französische Fußballnationalspieler Kylian Mbappé und der Tanz ums goldene Kalb. Am gestrigen Dienstag, am letzten Tag vor Ende der Transferperiode, hatte der spanische Klub Real Madrid sein Gebot von 170 auf rund 200 Millionen Euro erhöht. Doch Mbappés Arbeitgeber, Paris Saint-Germain (PSG) mit dem katarischen Staat als Eigner, reagierte nicht mal auf die Offerte.

Vom PSG-Sportdirektor Leonardo Araújo waren vorher wüste Beschimpfungen zu hören: Real Madrid verhalte sich seit zwei Jahren „nicht korrekt, illegal, kontaktiert das Umfeld des Spielers, was inakzeptabel ist“. Es scheine eine Strategie zu sein, „ein Nein von uns zu haben, um zu zeigen, dass sie alles versucht haben und dann ein Jahr zu warten, bis er frei ist.“

Mbappés Vertrag endet Mitte 2022, schon im Januar könnte er mit seinem Wunschklub Real kontrahieren. Wenn es um Stars geht, werfen Spaniens marode Spitzenklubs dem schlechten Geld gutes Geld hinterher.

Ich wünsche Ihnen einen produktiven Tag.

Es grüßt Sie herzlich
Ihr
Hans-Jürgen Jakobs
Senior Editor

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