Morning Briefing: Laschet muss erst noch Sieger werden
Guten Morgen liebe Leserinnen und Leser,
am Sonntag hieß es aus der Holzfällerei des CSU-Chefs Markus Söder: „Der Baum fällt.“ Gemeint war die baldige Niederlage des Antipoden im Machtkampf um die Kanzlerkandidatur, CDU-Chef Armin Laschet. Gestern nun war etwas ganz anderes gefallen, der sprichwörtliche Würfel. Der bayerische Ministerpräsident akzeptierte, zwölf Uhr mittags, in einer Kurz-Pressekonferenz das vorhergehende Pro-Laschet-Votum des CDU-Vorstands.
So hat er sich mit Sicherheit Stop-Söder-Kampagnen erspart. Die oft gestellte Frage nach seinem Wahlprogramm ist auch jetzt nur mit einem kräftigen „Ich“ zu beantworten, dennoch geht der Franke nicht als Verlierer aus dem Löwentanz der Union. Innerhalb von zehn Tagen war die Zahl der christdemokratischen Söderisten so stark angewachsen, dass ihm irgendwann tatsächlich der Ruf in ein noch höheres Amt als im Freistaat ereilen könnte.
Armin Laschet wiederum, wie Helmut Kohl ein chronisch Unterschätzter, ist genau so wenig Sieger wie Söder Verlierer ist. Er muss seine berstende Partei erst noch einen, die vielen Verräter und Freunde eines ordentlichen Opportunismus unterhaken und ein intelligentes „Wir“ zur Agenda 2025 erheben. Ein Basisarbeiter der Macht also.
Arndt Kirchhoff, Präsident der Landesvereinigung der Unternehmerverbände in NRW, traut seinem Ministerpräsidenten dies alles zu. „Statt Bürokratie und Umverteilung müssen wir wieder viel stärker die internationale Wettbewerbsfähigkeit und Stärkung des Wirtschaftsstandorts in den Mittelpunkt der Politik stellen“, wird er in unserer Titelstory zitiert. Etwas bissiger, wie ein Haseloff der Geschäftswelt, klingt dagegen Ulrich Dietz, Aufsichtsratschef und Hauptaktionär des IT-Dienstleisters GFT: „Armin Laschet verkörpert als Person nicht die nötige Aufbruchstimmung.“
So, und nun, wo sich die Aufgeregtheiten gelegt und die Live-Ticker erledigt haben, lehnen wir uns im Sessel zurück und stellen uns das Wahl-„Triell“ im Fernsehen vor: Links der habituell listige, vom Wirecard- und Cum-Ex-Skandal geplagte Olaf Scholz, rechts der freundlich-liberale, wider den tierischen Ernst strebende Armin Laschet. Und in der Mitte die juvenile, Traut-euch-etwas-Botschafterin Annalena Baerbock, die derzeit nur aufpassen muss, nicht zur „Martina Schulz“ der Grünen zu werden. Ehrlich, es hat in den letzten zwölf Jahren viel schlechtere Wahlkämpfe gegeben.
Charlie Chaplin kann man als „der große Diktator“ leicht um einiges eindrucksvoller empfinden als das Vorbild aus Braunau. Auch auf dem Finanzmarkt macht aktuell eine Scherzparodie noch mehr Furore als das schon merkwürdige Original. Es geht um einen Gag namens „Dogecoin“, 2013 von zwei Software-Entwicklern geschaffen zur Verulkung des Bitcoin.
Nun aber ist der Scherzartikel tatsächlich zur Nummer fünf auf dem Markt der Kryptowährungen aufgestiegen, der Kurs legte in diesem Jahr um unfassbare 8000 Prozent auf 43 Cent zu. Privatanleger treiben über das Online-Forum Reddit den Börsenwert von neun Milliarden auf 50 Milliarden Dollar. In solch einem Falle kann durchaus der etwas angestaubte Shakespeare-Klassiker bemüht werden: „Ist dies schon Wahnsinn, so hat es doch Methode.“
Der Tod des Afroamerikaners George Floyd vor fast einem Jahr in Minneapolis hat die amerikanische Nation erschüttert. Die Bewegung „Black Lives Matter“ hat Aufschwung erfahren – und fand nun im Gerichtssaal so etwas wie Genugtuung und Erleichterung. Der weiße Ex-Polizist Derek Chauvin, der sein Knie neun Minuten lang auf den Hals des Opfers gepresst hatte, wurde von der Jury in allen Anklagepunkten für schuldig befunden.

Und das sind: Mord zweiten Grades ohne Vorsatz, Mord dritten Grades sowie Totschlag zweiten Grades. Chauvin erwartet jetzt eine längere Haftstrafe. In Minneapolis weinten und klatschten Menschen in der Nähe des Tatorts, der Gouverneur von Minnesota sieht einen „wichtigen Schritt in Richtung Gerechtigkeit“. Pathetischer war einst Martin Luther King: „Wir müssen lernen, entweder als Brüder miteinander zu leben oder als Narren unterzugehen.“
Corona-Impfstoffe auf Basis der neuen mRNA-Technologie sind zuletzt immer populärer geworden. Das liegt auch daran, dass konkurrierende Präparate von Astra-Zeneca und Johnson & Johnson mit seltenen, aber gefährlichen Thrombosen assoziiert wurden. Die Mainzer Biotechfirma Biontech – ein mRNA-Pionier – macht nun Hoffnung auf rasche Produktionsausdehnung.
Man sei bereit und in der Lage, zügig die Kapazitäten zu vergrößern, sagt uns Sierk Poetting, Finanz- und Produktionschef. Auch den Aufbau neuer Werke, so wie in Marburg, schließt er nicht aus: „Wir sind da offen und müssen schauen, wie sich der Bedarf entwickelt.“ Biontech und US-Partner Pfizer planen für 2021 mit einer Kapazität von 2,5 Milliarden Dosen. Mit der EU wiederum laufen Gespräche über die Lieferung von zusätzlichen bis zu 1,8 Milliarden Dosen in 2022 und 2023.

Es gibt Luftballons, die sind prall und bunt, fliegen aber nur ein paar Minuten bis zur nächsten Stechpalme. So scheint es dem Projekt „Super League“ des gehobenen Fußballkapitalismus zu ergehen. Die Reaktion auf den Milliarden-Sturm war so negativ, die Globalisierung des „Buh“ so stark wie die Globalisierung des rollenden Kapitals, dass die ersten unter den zwölf Gründungsmitgliedern alsbald den geordneten Rückzug in die Kabine antraten.
Manchester City verlautbarte gestern Abend, man habe den Ausstiegsprozess eingeleitet. FC Chelsea aus London und Atlético Madrid folgen, Barcelona wackelt, bei Manchester United ging der Geschäftsführer nach wütenden Fan-Protesten. Es sei ja nur ein „Projekt“, tiefstapelt Juventus-Turin-Trainer Andrea Pirlo, irgendetwas für die Zukunft, nicht für die Gegenwart. Selbst ein finanzpotenter Dienender des katarischen Staatsfonds wie Nasser Al-Khelaifi, Präsident von Paris St. Germain, geht demonstrativ auf Abstand: „Als Verein sind wir eine Familie und Gemeinschaft, die von unseren Fans zusammengehalten wird. Ich glaube, das sollten wir nicht vergessen.“
Und dann ist da noch der legendäre kleine Hof in Verona, von dem aus man nach oben auf den Balkon blickt, auf dem die schöne Julia sich angeblich der Sehnsucht nach Romeo hingab. Hier machen viele Besucher wie ferngesteuert ein Selfie, meiden aber die nahe Casa di Giulietta, ein Museum rund um den Romeo-und-Julia-Kult. In der oberitalienischen Stadt ist nun erneut ein Versuch gescheitert, den großen Touristenstrom in den Liebeshof mit Drehkreuz und Online-Ticketsystemen besser zu regulieren.
Die Besitzer kleinerer Geschäfte in dem Hof, die um ihre Einnahmen fürchten, blockierten die Maßnahme erfolgreich. Es bleibt beim Gratisbesuch und der Kontrolle durch Sicherheitswächter. Zitieren wir zum schönen Schluss zwecks Erbauung noch einmal aus Shakespeare, aus „Romeo und Julia“ natürlich: „Kein Hindernis aus Stein hält Liebe auf, was Liebe kann, das wagt sie auch.“
Ich wünsche Ihnen einen stimmungsvollen Tag.
Es grüßt Sie herzlich
Ihr
Hans-Jürgen Jakobs
Senior Editor






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