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Morning Briefing Merkels Menetekel Afghanistan

17.08.2021 - 06:00 Uhr Kommentieren

Guten Morgen liebe Leserinnen und Leser,

die aktuelle Bundesregierung, also „Merkel IV“, scheidet im Eingeständnis größten Versagens. Afghanistan ist ihr Menetekel. Zu offensichtlich falsch war das Beharren auf die einmal eingenommene Position, das mit den Taliban werde nicht so schlimm. Die auch von der Bundeswehr trainierten einheimischen Truppen würden ihr Land schon verteidigen.

Zu schmerzhaft für die Bürger ist die Erkenntnis, dass Warnungen der eigenen Kabuler Botschaft ignoriert wurden und selbst der Augenschein in Social Media nicht ausreichte, ein bisschen mehr Dampf in die Evakuierung von Botschaftsmitgliedern und Tausenden „Ortskräften“ zu bringen, die an die Ideale von Freiheit, Demokratie und Recht glaubten. Nun müssen sie bangen, es nicht aus den einstigen „Safe Houses“ – den neuen Todesfallen – irgendwie zum Flughafen zu schaffen. Dort konnte immerhin im Tohuwabohu eine Bundeswehr-Maschine landen. Bei jedem Unglück wird man die ketzerische Frage stellen können, ob nicht auch die Verantwortlichen in Berlin in Wahrheit Beihilfe zur fahrlässigen Tötung geleistet haben könnten.

„Kabul versinkt im Chaos“, heißt unsere Titelzeile. Die jüngsten Presseauftritte in Berlin wirken wie Kapitulationserklärungen in dieser Sache. „Wir haben die Lage falsch eingeschätzt“, bekennt Außenminister Heiko Maas (SPD): „Es gibt da nichts zu beschönigen. Es gebietet die Ehrlichkeit, das in aller Form einzugestehen.“ Die Nato und alle Partner seien von dem Tempo überrascht worden, mit dem die Taliban Kabul einnahmen.

Deswegen ist sich Kanzlerin Angela Merkel auch nicht so sicher, ob es gelingt, alle Ortskräfte aus Kabul in Sicherheit zu bringen: „Das haben wir leider nicht mehr in der Hand.“ Das sei eine „überaus bittere Entwicklung“. Manchmal denkt man, zu dieser Lage würde eine Rücktrittserklärung am besten passen – jedenfalls, wenn man nichts mehr beschönigen will.

Quelle: AP
US-Präsident Biden hat die Entscheidung des Truppenabzugs verteidigt.
(Foto: AP)

Während die deutsche Führung kleinlaut, aber wenigstens ehrlich wirkt, inszeniert sich US-Präsident Joe Biden bei seinem Auftritt im Weißen Haus als unbeirrbarer Entscheider, als „Terminator“ auf Kurs. Er stehe felsenfest hinter seiner Entscheidung des Truppenabzugs, auch wenn der Kollaps der afghanischen Regierung rascher erfolgt sei als gedacht. Schuld seien die Politiker und Soldaten Afghanistans: „Die politischen Anführer Afghanistans haben aufgegeben und sind aus dem Land geflohen. Das afghanische Militär ist zusammengebrochen, manchmal ohne den Versuch zu kämpfen.“

Er selbst, so Biden, sei gegen „endlose Militäreinsätze“. Das Ziel, nach 9/11 einen neuen Al-Qaida-Terrorismus zu verhindern, sei aber erreicht worden. Doch was, wenn der wiederkommt? Die Familien der 59 Bundeswehr-Soldaten, die in Afghanistan gestorben sind, dürften sich bei solcher PR-Rhetorik nur eine Frage stellen: „War es das wirklich wert?“

Quelle: Imago Images
Außenhandelspräsident Anton Börner traut keinem der Kanzlerkandidaten zu, das Problem des andauernden Handelskriegs anzugehen.
(Foto: Imago Images)

In dieser prekären internationalen Lage liest Anton Börner, Präsident des Bundesverbands Großhandel, Außenhandel und Dienstleistungen, der europäischen Politik im Handelsblatt-Interview die Leviten. Der Unternehmer sagt über…

  • die Afghanistan-Krise: „Wirtschaftlich gesehen spielt die Region für den deutschen Außenhandel keine zentrale Rolle. Sollte dadurch allerdings die Terrorgefahr steigen, kann dies schnell zu einer Destabilisierung der Region führen, was den Welthandel zusätzlich belasten würde.“
  • die Kanzlerkandidaten: „Alle drei eint, dass sie nicht den Mut haben, unser derzeit größtes Problem entschlossen anzugehen. Deutschland und ganz Europa werden vom Handelskrieg zwischen China und den USA schweren Schaden davontragen. Mit Diplomatie kommen wir da nicht mehr weiter. Wir sind in Europa ein Volk von satten Illusionisten und Gutmenschen geworden, die sich der Realität nicht stellen.“
  • die Welthandelsorganisation WTO: „Die WTO, wie wir sie kennen, ist tot. China und die USA blockieren dort alles, was ihnen nicht passt. Deshalb bleiben dem Außenhandel nur noch Freihandelsabkommen als Mittel. Aber da gibt es die gleichen Probleme. Der Bundestag scheitert jetzt mit der Ratifizierung des Abkommens mit Kanada.“

Bei dieser Philippika eines wütenden Unternehmers fällt einem der Musiker Johannes Brahms ein: „Und sollte ich vergessen haben, jemanden zu beschimpfen, dann bitte ich um Verzeihung.“

Was ist los in Heilbronn bei der Schwarz-Gruppe – bei Europas größtem Handelskonzern („Lidl“), der im Jahr gut 125 Milliarden Euro umsetzt? Das fragten sich viele, als Über-Chef Klaus Gehrig Knall auf Fall gehen musste und Eigentümer Dieter Schwarz, 81, sich einmischte. Die Antwort gibt Handelsblatt-Experte Florian Kolf in einem großen Report: „Der entfesselte Riese bündelt seine Kräfte.“ Gehrigs Nachfolger Gerd Chrzanowski setze auf Machtdelegation und eine moderne Unternehmenskultur. Anders lassen sich 500.000 Mitarbeiter ja auch nicht führen und keine neuen Geschäftsmodelle erfinden. Und Gehrigs gefürchteter interner „Geheimdienst“ namens „Interne Prüfung und Beratung“ ist bei der Gelegenheit auch aufgelöst worden. Angst essen Seele auf, die Seele des Geschäfts.

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Und dann ist da noch die Fußball-Abteilung von Volkswagen, auch als „VfL Wolfsburg“ bekannt. Diese Division stellte sich jetzt erheblich dümmer an als der Konzern. Im Pokalspiel in Münster am 8. August hatte der neue Cheftrainer Mark van Bommel insgesamt sechs Spieler eingewechselt, was nach den DFB-Statuten nicht erlaubt ist. Aus einem 3:1 der Erstligisten aus Wolfsburg auf dem grünen Rasen wurde so nachträglich am grünen Tisch ein 2:0 für den Viertligisten Preußen Münster, der nun in die nächste Pokalrunde einzieht.

Immerhin sind die Bilanzzahlen von Wolfsburg ganz okay, wenn man sie mit jenen des FC Barcelona vergleicht: 1,35 Milliarden Euro Schulden, 617 Millionen Euro Lohnkosten übersteigen die Einnahmen. Vom „dramatischen Erbe“ spricht der neue Präsident Joan Laporta, er hätte auch „toxisches Erbe“ sagen können. Alles wie bei Friedrich Schiller: „Wenn sich das Laster erbricht, setzt sich die Tugend zu Tisch.“

Ich wünsche Ihnen einen tugendreichen Tag, ganz ohne Laster.

Es grüßt Sie herzlich
Ihr
Hans-Jürgen Jakobs
Senior Editor

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