Morning Briefing Plus – Die Woche Peking plant seine technologische Aufholjagd – EU verkündet „digitale Dekade“
Guten Tag liebe Leserinnen und Leser,
herzlich willkommen zur neuen Wochenend-Ausgabe des Morning Briefing plus. Ab jetzt wollen wir hier jeden Samstag auf die Themen und Trends der vergangenen Tage schauen – und einen ersten Blick in die neue Woche werfen.
Und damit kommen wir zu China. Dort hat der Volkskongress den neuen Fünfjahresplan abgenickt. Man könnte das als Randnotiz aus den Weiten der chinesischen Parteibürokratie abtun, als weiteren Beweis der Allmachtinszenierung des „neuen Mao“ namens Xi Jinping. Doch das wäre ein Fehler. Pekings Plan zeigt, wie strategisch das Regime seine technologische Aufholjagd plant, mit einem Fokus auf Innovationen und den Ausbau der wichtigsten Technologiefelder.
Nun sind Patente nicht alles. Die ungeheure Dynamik des Hightech-Standorts China aber beweisen die Zahlen trotzdem. Dynamik, die in Europa fehlt, wie das Beispiel Quantencomputer zeigt. Zwar ist die deutsche Forschung in dem Feld führend, wie meine Kollegen Moritz Koch und Roman Tyborski diese Woche analysiert haben. Gebaut werden Quantencomputer dennoch woanders. Vor allem in den USA und China. Hier gedacht, anderswo gemacht …

Nun soll alles besser werden. Anfang der Woche verkündete die EU den Startschuss für einen technologischen Neustart. Eine „digitale Dekade“ sollen die Zwanzigerjahre werden. 150 Milliarden Euro will die Kommission dafür lockermachen. „Wir befinden uns am Anfang eines neuen Kapitels der Digitalisierung“, sagte die Vizepräsidentin der Kommission, Margrethe Vestager, im Handelsblatt-Interview. Eine Phase, in der Industrie, Geschäftsprozesse und Lieferketten digitalisiert werden.
Gut möglich, dass einige Milliardenkonzerne dieser nächsten Phase in Europa entstehen werden. Doch dafür braucht es drei Dinge: ausreichend Kapital für die jungen Unternehmen, bessere Netzwerke zwischen Wirtschaft und Forschung sowie, drittens, mehr Digitalspezialisten.
Bislang existiert vieles davon allenfalls in Aktenordnern der EU-Kommission. Und im Fünfjahresplan der Chinesen. Es ist also ebenso gut möglich, dass die EU auch dieses Großprojekt vermasselt.
Was uns vergangene Woche außerdem bewegt hat:
1. Der Verbrenner wird in der deutschen Automobilindustrie immer mehr zur Bad Bank. Daimler lässt Szenarien durchspielen, wonach sich der Konzern schon Anfang der 2030er-Jahre vom Verbrennungsmotor verabschieden könnte, bei VW soll künftig der überwiegende Teil der Investitionen in die Elektromobilität fließen. Längst gibt es ein weltweites Rennen um den Ausstieg. Doch nun beginnt die eigentliche Arbeit, wie das Handelsblatt-Auto-Team analysiert: Die Konzerne müssen ihre Werke umrüsten, massenhaft Personal abbauen, die verbliebene Mannschaft weiterbilden – und neue Spezialisten gewinnen. Eine schwierige Mission - mit offenem Ausgang, wie unsere Analyse zeigt.
2. Kommt jetzt die Inflation? Kaum eine Frage ist unter Ökonomen so umstritten wie diese. Der US-Ökonomie-Nobelpreisträger Joseph Stiglitz sagte dem Handelsblatt: „Die Inflationswarner liegen völlig daneben.“ Wenig später warnte der Ex-IWF-Chefvolkswirt Olivier Blanchard bei uns davor, das „Monster“ der Inflation zu wecken. Die billionenschweren, überwiegend mit Schulden finanzierten Hilfspakete der US-Regierung seien aus seiner Sicht viel zu umfassend.
3. Auf den ersten Blick klingt es nach einer guten Nachricht für den Hightech-Standort Deutschland: Apple investiert mehr als eine Milliarde Euro in die Chipentwicklung in München. Auf den zweiten Blick ist es ein Offenbarungseid. Denn das Fachwissen dafür hatte einst Siemens aufgebaut. Der Konzern aber verkaufte das Geschäft – es ging durch mehrere Hände und landete schließlich bei Apple. Die Amerikaner wissen das zu nutzen.

4. Eine der wichtigsten Fragen in der Coronakrise ist: Wie sehr leiden die deutschen Banken? „Die Situation ist angespannt“, sagte Bafin-Exekutivdirektor Thorsten Pötzsch im Handelsblatt-Gespräch. Die Bankenbranche sei zwar robuster als noch vor einigen Jahren, aber notleidende Kredite setzten den Instituten immer stärker zu. Beruhigung geht anders.
5. Womit wir bei Greensill wären, dem einst milliardenschweren Finanzkonglomerat, das plötzlich in sich zusammenfiel. Zahlreiche Länder, Städte und Gemeinden haben ihr Geld bei der deutschen Tochter in Bremen investiert. Und wieder stellt sich die Frage, wie so ein Skandal jahrelang unentdeckt bleiben konnte. Kein Wunder, dass die Bafin auch gegen die Wirtschaftsprüfer des Instituts vorgeht, wie unser Bankenteam berichtet. Ähnlichkeiten mit dem Fall Wirecard sind natürlich reiner Zufall.
6. Nachhaltige Geldanlagen sind das Thema der Stunde. Doch hinter dem grünen Label verbirgt sich mitunter Unsinn. Welche Fonds wirklich grün sind und welche Öko-Aktien Potenzial bieten, hat diese Woche unser Geldanlage-Team analysiert.

7. Und dann ist da noch Armin Laschet, der diese Woche gemerkt hat, wie schwer es ist, eine Partei zu führen. Drei Unionsabgeordnete geben wegen dubioser Deals ihre Ämter auf – ausgerechnet in der Woche vor den wichtigen Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. Die CDU steckt in der tiefsten Glaubwürdigkeitskrise seit der Spendenaffäre Helmut Kohls, kommentiert Handelsblatt-Politikchef Thomas Sigmund.
Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Start ins Wochenende.
Es grüßt Sie herzlich
Ihr Sebastian Matthes
Chefredakteur Handelsblatt
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