Morning Briefing Regierung setzt auf „3-G“ gegen Corona
Guten Morgen liebe Leserinnen und Leser,
so tough wie New York wird sich die Bundesregierung nicht geben. In der US-Metropole dürfen in den nächsten Wochen nur Geimpfte in Restaurants, Fitnessstudios und andere Innenräume. Genannt wird die Initiative „Key to New York City“. Hierzulande will Gesundheitsminister Jens Spahn – kurz vor seinem wahrscheinlichen Abgang – mit einer Regel-Verschärfung in Erinnerung bleiben. Sein neues Corona-Regime ist in ein Dokument verpackt, das wie eine Autofahrer-Ratgeberbroschüre betitelt ist: „Sicher durch Herbst und Winter – jetzt Vorbereitungen treffen“.
So sollen von September an Besuche von Gaststätten, Friseursalons, Hotels und Indoor-Veranstaltungen nur nach dem „3G“-Prinzip möglich sein: für Geimpfte, Genesene, Getestete. Bei größerer Corona-Gefahr greift die „2G-Regel“: Restaurantfreuden nur noch bei Impf- oder Genesenen-Nachweis. Allen neuen Normen ist gemein, dass sich Ungeimpfte dabei als Paria der Gesellschaft fühlen können – und sollen.

Wer der selbsternannten Plagiatsjäger überdrüssig ist, die wie ungebetene Kammerjäger der Politik nach Copy-Paste-Stellen in Kanzlerkandidatenbüchern fahnden, muss den Grünen regelrecht dankbar sein. Sie wagen es tatsächlich, in einem Wahlkampf der Flatulenz so etwas wie Inhalt zu präsentieren, konkret: ein Klimaschutzsofortprogramm.
Das beinhaltet neben dem Recyclen ihres aktualisierten Parteiprogramms die Forderung nach einem Klimaschutzministerium. Es soll ein Veto-Recht gegen andere Ministerien beinhalten, wenn Vorhaben konträr zum Pariser Klimaschutzabkommen laufen. Das ist alles in allem aber doch eine etwas gewagte Laubsägearbeit. Denn in jedem Kabinett hat de facto einer ein Veto-Recht: der Finanzminister. Alle brauchen nun mal sein Geld, auch für Klimamaßnahmen.
Womit wir, gemessen an den Ausgaben, beim Lieblingsressort der Berliner Gestalter sind: dem Sozialen. Durch die Pandemie ist hier viel mehr Geld geflossen als geplant. 2020 fielen immerhin 1,1 Billionen Euro an Sozialausgaben an. Sie machen somit ein Drittel der deutschen Wirtschaftsleistung aus. Das ergibt sich aus dem aktuellen Sozialbericht, den die Bundesregierung heute verabschieden will und der meinen Kollegen vorliegt.
Den Experten macht Sorge, dass der Posten bis 2025 weiter äußerste Dynamik zeigt. Das liegt an allen möglichen Reformen, die angestrengt wurden. Dafür möge es nachvollziehbare Gründe geben, sagt Finanzwissenschaftler Martin Werding: „Doch wie all die Ausgaben langfristig bezahlt werden sollen, ist völlig unklar.“ Und so haken wir uns unter, machen gute Miene und singen das alte Wahlkampfchanson: „Es ist noch Suppe da, wer hat noch nicht, wer will noch mal.“

Mehr als 7000 Beweismaterialien und fast 180 Zeugen – eine unabhängige Untersuchungskommission ließ in den USA nichts unversucht, um herauszufinden, ob der New Yorker Gouverneur Andrew Cuomo etliche Frauen sexuell belästigt und so gegen Landes- und Bundesrecht verstoßen hat. Die Antwort ist: Ja, wenn man Generalstaatsanwältin Letitia James folgt.
Es habe ungewollte Berührungen gegeben, Küsse, Umarmungen, unangebrachte Kommentare. Einmal habe er einer Mitarbeiterin während eines Dienstfluges vorgeschlagen, „Strip Poker“ zu spielen. Es sei „ein sehr verstörendes, aber klares Bild“ entstanden, bilanziert James. Elf Frauen seien in einem „toxischen Arbeitsumfeld“ gewesen. Cuomo dementiert strikt: „Die Fakten sind ganz anders als sie hier dargestellt werden.“ Ob er an dem geforderten Rücktritt vorbeikommt, ist eine ganz andere Sache.
Die Menschen in Deutschlands Autokonzernen leben im Zwiespalt. Einerseits liefern Volkswagen, BMW und Daimler derzeit Rekordgewinnmargen von mehr als 15 Prozent ab, andererseits sind die Aussichten düster. Der Chipmangel drückt aufs Gemüt. „Die weltweite Unterversorgung unserer Branche mit Mikrochips ist allgegenwärtig“, klagt BMW-Chef Oliver Zipse. Seit kurzem seien die eigenen Werke betroffen, das zweite Halbjahr werde „etwas herausfordernder“ sein als das erste. Opel-Mutterkonzern Stellantis gibt an, wegen fehlender Chips könnten 2021 voraussichtlich 1,4 Millionen Autos nicht gebaut werden. Drei Dinge fallen ins Auge:
- Die Nachfrage nach Chips übersteige das Angebot bei Weitem, sagt Reinhard Ploss, CEO des weltgrößten Autochipherstellers Infineon. Die Lieferengpässe würden sich weit ins kommende Jahr hinein ziehen.
- Besonders nachteilig wirkt sich die Problemlage für die Autobauer im wichtigen chinesischen Markt aus. Von „echten Einschränkungen“, spricht BMW-Finanzchef Nicolas Peter, teilweise könne man im Werk Dadong in Shenyang nur eine Schicht pro Tag fahren.
- Eine Mitschuld gibt Berater Marcus Kleinfeld von der Firma Alix den Automarken. Aus Kostengründen hätten sie sich um längerfristige Abnahmeverpflichtungen gegenüber den Chipkonzernen gedrückt.

Und dann ist da noch Gary Gensler, neuer Chef der US-Börsenaufsicht SEC, der gleich zu Beginn ordentlich auftrumpft. Er kündigt eine groß angelegte Offensive an, um Kryptowährungen zu regulieren. Der Mann ist Experte, schließlich hat er vor seiner Ernennung als Professor an der Elite-Universität MIT bei Boston Kurse über Bitcoin und die Blockchain-Technologie gegeben. Für Gensler ist klar, dass es sich bei Token um Wertpapiere handelt, da Investoren glaubten, der von ihnen gekaufte Token steige im Wert.
In der Kryptobranche ärgert man sich über „die aggressivste und feindlichste Haltung der SEC“. Gensler verstehe, so die einflussreiche Beraterin Katherine Wu, gerade so viel, „dass er wirklich gefährlich werden kann“.
Ich wünsche Ihnen einen erkenntnisreichen Tag.
Es grüßt Sie herzlich
Ihr
Hans-Jürgen Jakobs
Senior Editor
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