Morning Briefing Union: Lust an der Selbstzerstörung
Guten Morgen liebe Leserinnen und Leser,
die Union kommt auch nach dem überraschenden Rückzug von CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer nicht zur Ruhe. Einflussreiche Politiker übten Kritik an AKKs Zeitplan zur Regelung ihrer Nachfolge. Sowohl CSU-Chef Markus Söder als auch CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt lehnten es ab, erst auf dem regulären CDU-Parteitag im Dezember die Führungsfrage zu beantworten. Krisenhafte Situationen bewältigt man nicht „durch das Zelebrieren einer Krise, sondern durch Handeln“, mahnte Dobrindt. Ähnlich äußerte sich CDU-Mittelstandschef Carsten Linnemann. Die Union setzt die Demontage ihrer Noch-Parteivorsitzenden einfach fort. Man kann das konsequent nennen. Wahrscheinlich ist es selbstzerstörerisch.

Gute Nachrichten für die Deutsche Telekom: Ein Gericht in New York hat die Klagen mehrerer US-Bundesstaaten gegen die Fusion der Telekom-Tochter T-Mobile US und dem Wettbewerber Sprint abgewiesen. Auf dem Weg zum Mega-Telekomkonzern mit 70 Milliarden Dollar Umsatz und 127 Millionen Kunden hat die Telekom die wichtigste Hürde genommen. Nicht nur die Börse, auch Telekom-Chef Tim Höttges feierte die Entscheidung: „Das ist ein Riesenschritt, auf den wir alle gewartet haben.“ Geduld und Verhandlungsgeschick könnten sich für den Telekom-Boss bald auszahlen.
Während die Telekom in den USA zu einem der mächtigsten Spieler aufsteigt, fehlt in Europa die Perspektive für einen vergleichbaren Sprung nach vorne. Der europäische Telekommunikationsmarkt ist zersplittert und viele Konzerne sind nur bedingt global wettbewerbsfähig. Die Politik könnte und müsste das ändern. Wenn EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen es ernst meint mit der Zukunftsfähigkeit des Kontinents: In der Telekommunikationsbranche ist der Handlungsbedarf riesig.

Für einen anderen Dax-Chef gab es am Dienstag weniger Grund für selbstzufriedene Eigenlob-Rhetorik. Daimler-Boss Ola Källenius trat bei der Vorstellung der Jahresbilanz wie ein Bußgänger auf. Das Konzernergebnis ist um fast fünf Milliarden Euro auf 2,7 Milliarden Euro eingebrochen. Man könne mit dem Gewinn „nicht zufrieden sein“, gestand Källenius – viele Aktionäre teilen die Ansicht. Schließlich schrumpft die Dividende von 3,25 Euro auf 0,90 Euro. Jetzt soll alles besser werden. „Dieses Unternehmen wird sich radikal verändern“, versprach der Daimler-Chef.
Was haben Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing und Commerzbank-Boss Martin Zielke gemeinsam? Ihre Geldhäuser feiern in diesen Wochen den 150. Geburtstag, Aktienkurs und Gewinne sind Lichtjahre von den glanzvollen Zeiten entfernt und in den Führungsetagen mangelt es an Frauen. Nach einer Untersuchung der Personalberatung Willis Towers Watson kommt im Management deutscher Banken auf drei Männer nur eine Frau. Seit mehreren Jahren ist der Wert so gut wie unverändert. Gemessen an den Sonntagsreden zum Thema Diversität ein unangenehmer Befund. Vertrauen gewinnt man nicht nur an den Finanzmärkten und bei den Kunden zurück, sondern auch bei den eigenen Mitarbeitern – und Mitarbeiterinnen.
Politik ist bekanntlich wie das Bohren harter Bretter. Diese Erfahrung musste auch Christian Miele, Vorsitzender des Start-up-Bundesverbands, beim Kampf für eine bessere Besteuerung von Mitarbeiterbeteiligungen über Unternehmensanteile machen. Jetzt will das Bundeswirtschaftsministerium zumindest prüfen, ob Mitarbeiter Unternehmensbeteiligungen künftig nicht mehr schon zum Zeitpunkt des Erhalts besteuern müssen. Die Änderung wäre ein kleiner Schritt für die Große Koalition, aber ein großer für das Gründertum in Deutschland.
Auch ohne Amazon, Apple und Google glaubt Robert Lacher, Gründer des Venture-Capital-Fonds Visionaries Club, an die Chancen Deutschlands im Zeitalter der Digitalisierung. „Wir besitzen nämlich eine ganz andere Stärke, die kein Land in dieser Überlegenheit hat: unsere Weltmarktführer und Mittelständler im Industriebereich. Sie beherrschen mit ihren Schlüsseltechnologien (noch) tief verzweigte Wertschöpfungsketten, und es gibt kaum Produkte weltweit, in denen nicht deutsche Technologie verbaut ist“, schreibt er in seinem Gastkommentar. Deutschland brauche nur mehr Unternehmergeist. Pflichtlektüre für alle, die Deutschlands Zukunft mitgestalten wollen.
Und dann ist da noch Jeff Bezos. Der Amazon-Gründer hat innerhalb von nur einer Woche Aktien im Wert von 4,1 Milliarden Dollar abgestoßen. Bereits im vergangenen Sommer hatte sich Bezos von Aktien im Wert von fast drei Milliarden Dollar getrennt. Die Geldschwemme hat Bezos nicht etwa für Luxus-Uhren, Luxus-Immobilien oder Luxus-Yachten ausgegeben, sondern in sein Raumfahrtunternehmen Blue Origin investiert, wie Experten vermuten. Dort soll das Geld neues Geld verdienen. Ein Fall von Kreislaufwirtschaft.
Ich wünsche Ihnen einen ertragreichen Tag.
Herzliche Grüße Ihr
Sven Afhüppe
Chefredakteur
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