Morning Briefing USA wachsen wie sonst nur China
Guten Morgen liebe Leserinnen und Leser,
es gibt in diesem Jahr zwei globale Konjunkturlokomotiven. Die eine: China, wie gehabt, nur dass die Volksrepublik diesmal auf eine konkrete Wachstumsprognose verzichtet. Die andere: die USA. Und hier nennt die Notenbank eine Zahl für 2021, die man zuletzt aus Peking kannte. Um 6,5 Prozent werde die Wirtschaft zulegen, erwartet die Fed. Das liegt vor allem an dem in Washington aufgelegten gigantischen Konjunkturprogramm in Höhe von 1,9 Billionen Dollar.
Obwohl die Notenbanker unter Jerome Powell inzwischen mit mehr Inflation rechnen, belassen sie den Zins im Kellerkorridor von null bis 0,25 Prozent. Nach solchen Signalen rauschten die Börsenindizes Dow Jones und S&P 500 erst einmal in Rekordhöhen. In Deutschland dagegen korrigierten die Wirtschaftsweisen ihre 2021er Wachstumszahlen von 3,7 auf 3,1 Prozent. Wer impft, wächst. Wer nicht impft, wächst nicht.

Im Handelsblatt-Interview fordert die Wirtschaftsweise Veronika Grimm mehr Pragmatismus in der Corona-Politik. Im Einzelnen sagt die Volkswirtschaftsprofessorin von der Uni Nürnberg-Erlangen über...
- ...künftige Haushaltsmaßnahmen: „Ich würde unmittelbar nach der Krise von Steuererhöhungen absehen, um die Erholung nicht zu gefährden. Mittelfristig gibt es aber vielfältige Möglichkeiten, das Steuersystem besser auszurichten. Dazu zählt etwa die Abschaffung des Dienstwagenprivilegs oder eine Energiepreisreform.“
- ...die Bildungspolitik: „Bei Schulen geht es dauernd um Öffnen oder Schließen, und nicht darum, wie wir für Kinder bestmöglich Bildungserfolge verwirklichen.“
- ...das Impfproblem: „Es wäre ratsam, den Logistikprozess zu simulieren und Fälle durchzuspielen. Dann hätte man Pläne in der Tasche, um auf verschiedene Entwicklungen schnell zu reagieren.“
Vielleicht redet in Berlin einmal jemand mit der Industrie, die so etwas täglich organisieren muss.
Wie die USA befinden sich auch die Börsen weiterhin im Höhenrausch. Aktuell sorgen die Autowerte für Dopamin-Ausschüttungen bei den verzückten Anlegern. Volkswagen schaffte es gestern mit einem Plus von elf Prozent sogar zum wertvollsten deutschen Unternehmen. Dem Börsenwert von 135 Milliarden Euro war der bisherige Spitzenreiter SAP mit seinen 121 Milliarden nicht gewachsen.
Auch die BMW-Aktionäre konnten über einen Wertzuwachs von 6,2 Prozent klatschen. CEO Oliver Zipse und sein Team stellen von 2025 an mit ihrer „Neuen Klasse“ alle Modelle auf eine neue technische Basis, die Stromantriebe bevorzugt, wie wir im Titelkomplex analysieren. Das sei der „Nukleus, um das Auto von Grund auf neu zu denken“, so Zipse. Um VW und vor allem Tesla zu kontern, sollen die neuen E-Autos „i4“ und „iX“ noch 2021 auf die Straßen rollen. Wir fühlen uns an William Faulkner erinnert: „Mancher wird erst mutig, wenn er keinen anderen Ausweg mehr sieht.“
Was aus unseren Jobs wird, damit beschäftigt sich die Boston Consulting Group (BCG) in einer Studie, die unserer Redaktion vorliegt. Es gibt zwei gegenläufige Trends. Einmal sorgen Digitalisierung und wirtschaftliche Post-Corona-Erholung für eine stärkere Nachfrage nach Arbeitskräften. Andererseits sinkt das Arbeitsangebot, da die Babyboomer in Rente gehen. Bis 2030 würden drei Millionen Vollzeitkräfte fehlen, so die BCG-Autoren.
Den größten Bedarf gäbe es bei IT-Fachkräften und Lehrern, gefolgt von Spezialisten für die Automatisierung von Geschäftsprozessen, Ärzten und Ingenieuren. Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung kommentiert: „Im Moment haben nicht die Leute ein Problem, die einen Job haben und ihn verlieren könnten, sondern die Leute, die keinen Job haben und auch weiterhin keinen finden.“

Er regiert seit zehn Jahren in den Niederlanden und kann mit größter Wahrscheinlichkeit in Den Haag weitermachen: Premier Mark Rutte. Seine rechtsliberale Partei VVD ist nach der Parlamentswahl mit 36 Sitzen bei weitem die stärkste Kraft (Stand 5 Uhr, MEZ). Die Frage ist nur, mit welchen der vielen Klein-Parteien Rutte koalieren will. Die linksliberale D66, bisher auch schon in der Regierung, schaffte 24 Mandate.
Nach klaren Stimmenverlusten ist die Partei des Rechtspopulisten Geert Wilders mit 17 der 150 Sitze nur noch drittstärkste Kraft. Die Gruppe der „Frugal Four“, der sparsamen Vier, die auf Maßhalten beim Schuldenmachen drängt, behält damit ihren agilen Anführer aus unserem Nachbarland. In Sachen „Feschismus“ macht ihm nur noch Österreichs Sebastian Kurz etwas vor.
In Zeiten des politischen Rabauken Donald Trump behandelten die USA den russischen Staat wie Möbelpacker, die Porzellan transportieren müssen. Nachfolger Joe Biden wählt dagegen den Weg der direkten Konfrontation, Mann gegen Mann sozusagen, wie bei „12 Uhr mittags“. Der US-Präsident bejaht tatsächlich auf eine journalistische Frage hin, dass er Wladimir Putin für einen „Killer“ hält. Der Mann im Kreml müsse die Konsequenzen für seinen Versuch tragen, die US-Präsidentschaftswahl pro Trump zu beeinflussen: „Er wird einen Preis zahlen.“
Moskau reagierte auf die wüsten Drohungen mit der Anweisung an den russischen Botschafter in Washington, zwecks Beratungen in die Heimat zu kommen. Und die „Prawda“ („Wahrheit“) hat eine erstaunliche Schlagzeile, in der das Wort vom Killer vorkommt: „Biden denkt, dass Putin ein Mörder ist, der für die Einmischung in die US-Wahl bezahlen wird.
Eine Million Euro ist eine Menge Geld – vor allem für die CSU, die sich gerade mit den Folgen der „Maskenaffäre“ beschäftigt. So viel soll ihr Landtagsabgeordneter Alfred Sauter in seinem Hauptberuf als Anwalt damit verdient haben, mindestens einen Vertrag für ein Corona-Maskengeschäft mit Bayerns Gesundheitsministerium erstellt zu haben. Das ermittelte die „Süddeutsche Zeitung“. In die Wertschöpfungskette eingegliedert war auch der einstige CSU-Bundestagsabgeordnete Georg Nüßlein, der 660.000 Euro Provision kassierte und inzwischen die Partei verlassen hat.
In diesem Komplex ermittelt die Generalstaatsanwaltschaft München inzwischen auch gegen den einstigen bayerischen Justizminister Sauter wegen des Anfangsverdachts der Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern. Der will sein Honorar gespendet haben. Diese Geschichte verbreitet dicke Luft, die man im Superwahljahr nicht gebrauchen kann, weswegen CSU-Generalsekretär Markus Blume aktiv wird. Er fordert Nüßlein auf, sofort alle Parteiämter zurückzugeben, ihm drohten sonst „sämtliche Maßnahmen des Parteiordnungsrechts“. Eine Erkenntnis haben die Christsozialen aus eigener Erfahrung abgespeichert: Als „Amigo“ gewinnt man keine Wahl.

Und dann ist da noch der Slowene Aleksander Ceferin, Chef des europäischen Fußballverbands Uefa, der offenbar die Wertschöpfung seines Sports über die Gefahren der Corona-Pandemie stellt. Der 53-Jährige verlangt jedenfalls kategorisch Zuschauer bei der am 11. Juni beginnenden Europameisterschaft. Sein Verdikt: „Jede gastgebende Stadt muss garantieren, dass Fans zu den Spielen dürfen.“ Da Ceferin am 20. April den endgültigen EM-Ablauf vorstellen will, macht er Druck auf geplante Spielorte wie Glasgow, Dublin, Baku, Bilbao und auch München.
„Es ist zum jetzigen Zeitpunkt schlicht nicht möglich, eine Aussage darüber zu treffen, ob es das Infektionsgeschehen zulässt, im Juni zuzulassen oder nicht“, sagt Oberbürgermeister Dieter Reiter. Wenn die Uefa bei ihrem Pressing bleibt, wäre München als EM-Arena somit erledigt.
Ich wünsche Ihnen einen selbstbestimmten Tag. Es grüßt Sie herzlich Ihr
Hans-Jürgen Jakobs
Senior Editor
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