Morning Briefing Vonovias dritter Immobiliendeal
Guten Morgen liebe Leserinnen und Leser,
aller guten Dinge sind drei, sagt sich Rolf Buch, Chef des Immobilienkonzerns Vonovia – und wagt nach zwei gefloppten Versuchen erneut die Übernahme des Rivalen Deutsche Wohnen. Es gibt wieder mal eine Grundsatzvereinbarung: Diesmal zahlt der Angreifer 53 Euro pro Deutsche-Wohnen-Aktie, einen Euro mehr als beim letzten Mal vor einigen Wochen.
Buch will die Blamage vergessen machen, zuletzt nur 47,62 Prozent der Aktien bekommen zu haben, weniger als die nötigen 50 Prozent. Man hatte die Verkaufslust der Hedgefonds zu euphorisch eingeschätzt und sogar auf ein Paket mit Deutsche-Wohnen-Aktien in Höhe von knapp 4,5 Prozent verzichtet, das das Objekt der Begierde selbst hielt. Der Häuserkampf geht also weiter – doch wenn der CEO wieder patzt, dürfte der Mann nicht mehr zu halten sein.

Ein paar Tage war es etwas ruhiger um CSU-Chef Markus Söder. Nun hat er bewiesen, dass er an den zwei Zielpersonen seiner politischen Botschaften dran bleibt wie ein Australian Shepherd an der Wade einer verdächtigen Person.
- Da ist natürlich einmal Armin Laschet, mit dem er nach eigenen Angaben so gut Freund ist, dass die beiden fast täglich telefonieren. In einem dieser luftigen ZDF-„Sommerinterviews“, diesmal im Fußballstadion des 1. FC Nürnberg, beklagte „Clubberer“ Söder den „dahinplätschernden Wahlkampf“. Die Union müsse selbst „offensiv“ werden, „mehr Tempo und Power“ seien nötig, er sei „der Antreiber“. In seinem Schlafwagen zur Macht wird sich Laschet gewiss zweimal bedanken für solche Freunde.
- Zweiter Fixpunkt des bayerischen Ministerpräsidenten ist sein Vize Hubert Aiwanger, der mit seinem Nicht-Geimpftsein kokettiert als hänge die deutsche Freiheit davon ab. Söder redete im Ton eines Sozialbetreuers über den Kollegen von den Freien Wählern: „Meine Sorge ist, dass er sich in eine Ecke manövriert, aus der er nicht mehr herauskommt. Wer glaubt, sich bei rechten Gruppen und Querdenkern anbiedern zu können, verlässt die bürgerliche Mitte und nimmt am Ende selbst Schaden.“ Aiwanger hielt seinem Chef daraufhin eine „bewusste Falschbehauptung“ sowie „Unverschämtheit“ vor.
Sieht so aus, als hielte es Söder mit einer alten Losung des Schauspielers Paul Newman: „Hast du keine Feinde, hast du keinen Charakter.“
Jede Branche braucht von Zeit zu Zeit ihre neuen Buzzwords. Man raunt sie sich zu und denkt: Wow, wie modern! Das Wort zur Stunde im IT-Wesen heißt: „Software-as-a-Service“, also „SaaS“. Gemeint ist der Wechsel vom schlichten Software-Lizenzverkauf hin zu einem Mietmodell. Als aber der Siemens-Konzern im Juni im Zuge seines Wandels zum Digitalkonzern von dieser Strategie kündete, reagierte die Börse darauf, als sei in China der sprichwörtliche Sack Reis umgefallen. Im exklusiven Handelsblatt-Gespräch zeigt sich Finanzvorstand Ralf Thomas fast schon demütig: „So eine Transformation ist in der Tat eine große Herausforderung, daran haben sich andere verhoben. Wir haben großen Respekt davor.“
Irgendwann, 2024 oder 2025, glaubt der Münchener Konzern an eine bessere Tech-Bewertung. Die Was-kostet-die-Welt?-Haltung des langjährigen CEO Joe Kaeser wurde zur „Schau’n-mer-mal“-Philosophie. Noch einmal der vorsichtige CFO Thomas: „Wir sind ein wachsendes Unternehmen, aber wir sind noch keine Wachstumsaktie. Dafür muss man drei, vier Jahre liefern.“ Aktionäre und Mitarbeiter hoffen, dass Siemens nicht nur schlaue Sätze liefert.
Als Anti-Trump kam Joe Biden ins Weiße Haus. Doch in Sachen Protektionismus steht der US-Präsident seinem Vorgänger in nichts nach, er übertrifft ihn sogar. Das hat jüngst seine Initiative gezeigt, mit einer Verschärfung von „Buy American“ ausländische Auftragnehmer für Regierungsaufträge tendenziell zu verhindern. Meine Kollegen Annett Meiritz und Jens Münchrath listen noch weitere Großtaten gegen ein freiheitliches System auf:
- Die Einreisebeschränkungen für Europäer, mit Corona begründet, sind auf unbestimmte Zeit verlängert.
- Die Blockade der Welthandelsorganisation WTO durch die unbesetzten US-Richterstellen ist weiterhin nicht aufgehoben.
- Es gibt keine ernsthafte Initiative, die Strafzölle aus der Trump-Ära aufzuheben.
- Der Regierungschef hat sich lange geweigert, Vakzine von Astra-Zeneca zu exportieren, obwohl sie in den USA gar nicht zum Einsatz kamen.

Ein transatlantisches Freihandelsabkommen ist unter diesen Bedingungen so realistisch wie ein Esel im Märchen, der auf den Befehl „Bricklebrit“ Goldstücke emittiert. Treffendes Fazit von Michael Hüther, Direktor des Instituts der Deutschen Wirtschaft: „Wer gehofft hatte, mit Biden würde alles gut, sodass die deutsche Wirtschaft wieder unbehindert in den USA agieren könne, ist jetzt eines Besseren belehrt.“
Nur in Fachkreisen war der Name von Desiree Fixler bekannt, der früheren Nachhaltigkeitschefin der Deutsche-Bank-Fondsfirma DWS. Doch jetzt dürfte die Frau vom Fach bekannter werden. Sie ist sozusagen Kronzeugin dafür, dass es mit Geldanlagen gemäß der ESG-Kriterien – also bezüglich Umweltverträglichkeit, sozialer Qualität und guter Unternehmensführung – im eigenen Haus viel schlechter bestellt war als offiziell behauptet. Sie glaube, DWS habe die eigenen ESG-Kapazitäten fehlerhaft dargestellt.
Auch Dokumente weisen darauf hin, berichtet das „Wall Street Journal“ (WSJ). Angeblich habe die Hälfte der eigenen Vermögensanlagen eine ESG-Prüfung durchlaufen, sagt DWS selbst. Doch in einem internen, vom WSJ zitierten Dokument heißt es, „nur ein kleiner Teil der Investment-Plattform genügt einer ESG-Integration“. Das kleine bekannte „My-Fair-Lady“-Stück kann in diesem Fall leicht abgewandelt werden – vorausgesetzt Desiree Fixler hat recht: „Es grünt so grün, wenn Bankers Blüten blühen.“

Und dann ist da noch Raoul Roßmann, geschäftsführender Gesellschafter der gleichnamigen Drogeriekette, die sich statt mit „ß“ mit „ss“ schreibt. Mit einem Handelsblatt-Interview erzielt er hohe Aufmerksamkeit – denn der 35-Jährige fordert darin eine Sondersteuer für Amazon und dergleichen, zum Beispiel mittels einer Paketsteuer oder einer höheren Mehrwertsteuer für Onlinehändler. „Wenn ich für ein online bestelltes Paket fünf Euro mehr bezahlen muss, als wenn ich die Produkte stationär erwerbe, dann überlege ich genau, ob es mir das wert ist“, sagt der niedersächsische Kaufmann, der von einer solchen Regelung profitieren würde.
Seine radikale Lösung sei die einzige Chance, wirbt Roßmann, um Innenstädte wieder attraktiver zu machen, ohne Milliarden hineinzupumpen. Vielleicht könnte auch der „neunte Arm des Oktopus“ helfen, von dem Vater Dirk in seinem jüngsten Bestsellerroman dichtet.
Ich wünsche Ihnen einen kreativen Start in die Woche.
Es grüßt Sie herzlich
Ihr
Hans-Jürgen Jakobs
Senior Editor
Hier können Sie das Morning Briefing abonnieren:

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.