Morning Briefing Wenn Markus Söder kraftvoll umarmt
Guten Morgen liebe Leserinnen und Leser,
Mafiosi umarmen sich, weil sie so prüfen, ob der andere wohl eine Waffe unterm Sakko trägt. Politiker umarmen sich, weil sie stets ans Übermorgen denken, sollten Wahlen mal nicht so gelaufen sein wie gedacht. So viel Vorbemerkung muss sein, wenn man den Einsatz von Markus Söder im laufenden Bundestagswahlkampf würdigt.
„Es gibt kaum eine Gruppe, die so viel Wahlkampfveranstaltungen für Armin Laschet gemacht hat wie die CSU“, sagt er meinen Kollegen im Interview: „Wir plakatieren in Bayern unzählige Großflächen mit Armin Laschet und mehr als die meisten CDU-Verbände.“
So viel Solidarität auf Knopfdruck vor dem CSU-Parteitag am Samstag, auf dem Laschet auftreten wird, ist nichts weiter als praktische Prophylaxe: Gegen alle Vorwürfe, die bayerische Sondereinheit eines verhinderten, ehrgeizigen Kanzlerkandidaten habe dem Unglücklichen aus Aachen so viele Knüppel in die Bahn geworfen, dass es mit dem Angela-Merkel-Erbe nun wirklich nichts werden konnte.
Es gibt ja immer einen Teil zwei in Söders Storyline. Und der sieht so aus, dass er Laschets CDU die Schuld an den schwachen Umfragewerten der CSU gibt: „Wir können uns vom Bundestrend leider nicht komplett abkoppeln.“ In seiner Vorstellung würde die SPD wahrscheinlich weiter bei 15 Prozent dümpeln, wenn er selbst Frontmann der Union geworden wäre.
Zumindest für Bayern darf man vermuten: „Hätten wir den Kandidaten gestellt, wäre das Ergebnis für die CSU wohl nicht niedriger“, so Söder im Stil eines diplomatischen Sekretärs. Den Klartext hat er seinem Generalsekretär Markus Blume überlassen: „Natürlich stünden wir mit Markus Söder als Kanzlerkandidat besser da.“ Fazit: Wer solche Freunde hat, kann sich keine Feinde leisten.

Als Bundesfinanzminister hat Olaf Scholz in der Corona-Pandemie stets den Eindruck erweckt, er bediene mehrere Finanz-Bazookas gleichzeitig, um all die Viren-Folgen zu bekämpfen. Weniger schön für den SPD-Kanzlerkandidaten ist allerdings, dass er in Hamburg nicht aus dem Cum-Ex-Steuerskandal herauskommt und dass in seinem aktuellen Fachbereich vermeidbare Affären sehr dunkle Schatten werfen. Nach dem Desaster um das Lügen-Fintech Wirecard, das von der Aufsichtsbehörde Bafin nicht ausreichend kontrolliert worden war, gibt es nun handfeste Probleme beim Aufspüren von Geldwäsche.
Weil die zuständige Financial Intelligence Unit (FIU) aus dem Scholz-Beritt Verdachtsmeldungen nicht nachging, ermittelt jetzt die Osnabrücker Staatsanwaltschaft. Sie blies gestern zur Razzia im jeweils SPD-geführten Finanz- und Justizministerium. Via „Bild“ heißt es aus der Gewerkschaft der Polizei: „Olaf Scholz fällt jetzt auf die Füße, was er jahrelang trotz ausreichender Hinweise aus der Fachwelt ignoriert hat.“ Wenig souverän reagierte der Vizekanzler prompt mit Justizkritik: Die Staatsanwaltschaft habe Fragen an die Ministerien gehabt, „die hätte man schriftlich stellen können“. Das könne jeder selbst bewerten. Vielleicht auch gegen den Mann, der so gern mit der Raute spielt.
Wenn es darauf ankommt, kann der Staat im Musterland der freien Marktwirtschaft recht rigide sein. So war es in der Finanzkrise 2008/09, als die US-Regierung relevante Banken teilverstaatlichte und radikal aufräumte. Das war Barack-Obama-Stil. Sein damaliger Vizepräsident will es im Kampf gegen die Pandemie ähnlich drakonisch halten – und Firmen mit mehr als 100 Angestellten eine Impfpflicht für alle vorschreiben, ersatzweise einen Corona-Test pro Woche.
Unter Führung des Arbeitsministeriums werde eine Regelung entwickelt, die dann für mehr als 80 Millionen Beschäftigte der Privatwirtschaft gelte, erklärt das Weiße Haus. Auch müssen künftig 17 Millionen Mitarbeiter in Krankenhäusern und Einrichtungen des Gesundheitswesens gegen Corona geimpft sein. Zur neuen Welle passt, dass die Schulbehörde in Los Angeles mit dem Plan vorprescht, alle Kinder ab zwölf obligatorisch zu impfen. Mal sehen, ob auch dieser Trend zu uns schwappt.
Weil zuletzt immer öfter die Frage auftauchte, was man in diesen verrückten – manche sagen volatilen – Zeiten mit seinem Geld machen kann, haben sich meine Kollegen zusammengesetzt und über Abhilfe geredet. Das Ergebnis ist der Wochenendtitel, in dem sie die „zehn stärksten Aktien der Welt“ kompiliert haben.
Viele Titel dieser Top Ten werden Sie als alte oder neue „Blue Chips“ kennen, etwa BASF oder Amazon. Aber es gibt auch Überraschungen wie den französischen Energiekonzern Total Energies, der mit Macht raus aus dem Öl, rein in Solar und Wasserstoff will, oder Hynix, der kleine Samsung-Rivale aus Südkorea. Allen Aktien-Zweiflern hat Deutsche-Bank-Legende Hermann Josef Abs stets augenzwinkernd eine kleine Rechnung präsentiert: „Man kann 1000 Prozent Gewinn machen, aber nie mehr als 100 Prozent verlieren.“
Um nachhaltige Investmentstrategien geht es auch bei unserer nächsten Runde von „Investment Live“ am kommenden Montag. Chefredakteur Sebastian Matthes befragt unter anderem Ulrich Stephan, Anlage-Chefstratege der Deutschen Bank, nach Trends und Tipps. Wenn Sie am 13. September dabei sein möchten, melden Sie sich bitte hier an.
Mein Kulturtipp zum Wochenende: Die Ausstellung „Entrechtet und beraubt“ im Düsseldorfer Stadtmuseum zum Schicksal des jüdischen Kunsthändlers Max Stern (1904-1987). Sie erzählt nachdrücklich vom Schicksal eines Mitbürgers und seiner Familie, die nach der Flucht vor dem NS-Regime gleich zwei Neuanfänge schafften: mit den West’s Galleries in London und der Dominion Gallery im kanadischen Montreal. Zu sehen ist etwa ein Kinderbild von Wilhelm von Schadow, das die Stern-Erben derzeit von der Stadt Düsseldorf zurückfordern. Gespräche hierüber laufen.

Eines der großen Tabuthemen der deutschen Wirtschaft sind Süchte von Managern. Über seine einstige Tabletten-Abhängigkeit redet der Ex-AWD-Chef Carsten Maschmeyer mit dem Handelsblatt. Das ist gleichzeitig ein bisschen Promotion für sein Buch „Die sechs Elemente des Lebens: So verändern Sie Ihr Leben“, das gerade erschienen ist. Zusammen mit dem früheren Strukturvertriebskönig tritt im Handelsblatt der Mediziner Florian Holsboer auf, der ihn nach zwei gescheiterten Entzugsversuchen erfolgreich behandelt hat. 2010 gründete das Duo die Firma HMNC Brain Health. Über seine Krankheit sagt Maschmeyer: „Jeder Suchtkranke kommt irgendwann an den Punkt, wo er anfängt, die Eigenkontrolle zu verlieren. Bei mir war das, als ich merkte, dass fünf Tabletten nicht mehr wirken und auch acht Tabletten nicht mehr. Da war mir klar, das endet nicht mit einem Happy-end.“
Nach dem Verkauf von AWD für 1,2 Milliarden Euro habe sich eine „unheimliche Leere“ breitgemacht: „Ohne die Arbeit fehlte mir mein vorheriger Haupt-Lebensinhalt.“ Den Gang Maschmeyers in die Öffentlichkeit findet sein Arzt Holsboer mutig: „Psychische Erkrankungen belasten Betroffene doppelt. Da ist einmal die Krankheit selbst, aber auch das gesellschaftliche Stigma. Der Schritt von Herrn Maschmeyer kann helfen, da gegenzusteuern.“ Zur Milliardärsformel gehört eben auch, Psychopharmaka lieber in der Apotheke zu lassen.
Und dann ist da noch das soziale Netzwerk Facebook des Mark Zuckerberg, das nun unter die Brillen-Anbieter geht. Wenn Sie künftig einem Brillenträger begegnen, der scheinbar unmotiviert „Hey Facebook“ vor sich hin brabbelt, dann liegt es vielleicht daran, dass er mit diesem Kommando gerade Fotos und Videos bis zu 30 Sekunden Länge aufnimmt. Zuckerberg, der Fielmann der Zukunft? Seine gestern vorgestellten Digitalbrillen werden mit dem Partner Ray-Ban zum Startpreis von 299 Dollar in 20 Varianten vertrieben, vorerst noch nicht in Deutschland.
Künftig soll der Nutzer bei „Augmentend-Reality“-Modellen auch digitale Daten einblenden können. Google hatte den Verkauf seiner 2013 mit viel Tamtam gestarteten „Google Glass“ nach ein paar Jahren frustriert einstellen müssen. Vielleicht hilft bei Zuckerberg der Faktor Mode: Schon in den 1950er-Jahren trugen Stars wie James Dean und Audrey Hepburn Ray-Ban, später folgte Bob Dylan. Und vielleicht nuschelt der Literaturnobelpreisträger ja auch einmal: „Hey Facebook“.
Ich wünsche Ihnen ein erholsames Wochenende mit Durchblick.
Es grüßt Sie herzlich
Ihr
Hans-Jürgen Jakobs
Senior Editor
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