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Morning Briefing Wie die Welt nach Covid aussehen könnte

01.03.2021 - 06:00 Uhr 1 Kommentar

Guten Morgen liebe Leserinnen und Leser,

in der Wochenend-Lektüre ist mir ein Text des israelischen Bestsellerautors Yuval Noah Harari aufgefallen. Er beschreibt in der „Financial Times“ die Welt nach Covid. Das kontrastiert wohltuend mit den eher kurzatmigen Debatten, die nun wieder vor dem nächsten Corona-Gipfel am Mittwoch im Kanzleramt geführt werden. Alles unter dem Thema: Lockern im Lockdown? Harari also fordert in seinem Essay drei Dinge:

  • Sicherung der digitalen Infrastruktur, die uns in der Covid-Not geholfen hat, gegen die Gefahr eines technischen Versagens oder gegen Cyber-Crime.
  • Mehr Investments der Staaten in ihr oft sträflich vernachlässigtes Gesundheitssystem.
  • Ein wirkungsvolles globales System, um Pandemien rechtzeitig zu erkennen und zu bekämpfen.

Die Erkenntnis des bekannten Historikers: „Selbst die Reichsten in den am besten entwickelten Ländern sind persönlich daran interessiert, die Ärmsten in den am wenigsten entwickelten Ländern zu schützen. Wenn ein neues Virus in einem entfernten Dschungel von einer Fledermaus auf einen Menschen springt, kann das Virus innerhalb weniger Tage auf der Wall Street spazieren gehen.“

Unterm Strich: Klingt nicht nach weniger, sondern nach mehr „Globalisierung“.

Die Zeit nach Covid also. Viele Deutsche befürchten ökonomisch das Schlimmste. Sie fragen sich, wie das alles zusammenpasst: eine schrumpfende Wirtschaft und eine explodierende Börse. Eine steigende Geldmenge und niedrige Preise. Tiefe Zinsen und wachsende Vermögenswerte. Manche, vor allem unter den Älteren, befürchten schon Hyper-Inflation und Währungsreform – die Wiederkehr deutscher Traumata. Über diese Ängste haben Handelsblatt-Ökonom Bert Rürup und ich ein Streitgespräch mit zwei der bekanntesten deutschen Ökonomen geführt.

Quelle: Bert Bostelmann, ullstein
Die Ökonomen Peter Bofinger (links) und Thomas Mayer haben unterschiedliche Inflationserwartungen.
(Foto: Bert Bostelmann, ullstein)

Da ist einerseits der Würzburger Volkswirtschaftsprofessor Peter Bofinger, bis 2019 genau 15 Jahre lang „Wirtschaftsweiser“ im Sachverständigenrat. Für ihn sind Preissteigerungen von rund drei Prozent, die die Bundesbank in der zweiten Jahreshälfte erwartet, „nichts Dramatisches“ und nur durch Sondereffekte wie die CO2-Bepreisung und die gestiegene Mehrwertsteuer bedingt.

  • „Was wir heute erleben, sind temporäre Preissteigerungen.“
  • „In Deutschland hat die Angst vor Inflation vor allem damit zu tun, dass im europäischen Vergleich nur wenige Bürger eigene Immobilien haben. Jetzt sitzen die Leute auf großen Geldsparposten, die nichts bringen. Man wird nervös. Aber die Leute gruseln sich gern. Sie zahlen auch für die Geisterbahn.“

Die Gegenposition bezieht Thomas Mayer, Leiter des Research Institute der Kölner Vermögensverwaltung Flossbach von Storch. Der Ex-Chefvolkswirt der Deutschen Bank verweist auf höhere Rohstoffpreise, steigende Containerfrachtraten und die Zunahme der Geldmenge M3 um zwölf Prozent gegenüber dem Vorjahr – die notwendigen Bedingungen für eine hohe Inflation seien erfüllt, es könnte „dramatisch“ werden.

  • „Ein Szenario wie in den Siebzigern ist gut vorstellbar. Zwar wird es keine galoppierende Inflation geben, wohl aber eine trabende Inflation.“
  • „Die derzeit hohen Sparquoten sind nicht von Dauer. Irgendwann will das Geld raus. Den Leuten mit etwas mehr auf dem Konto brennt jetzt schon das Geld ein Loch in die Tasche. Derzeit geht das Geld vor allem in Vermögenswerte wie Immobilien, Aktien, Oldtimer oder Kunst.“

Ein besonderes Problem ist, dass im Internet viele Dienstleistungen all die Googler und Facebooker kein Geld kosten, wohl aber Daten, mit denen US-Konzerne ganze Märkte monopolisieren. Dann haben wir am Ende vielleicht keine Inflation, sondern Supermächte, die sich wie eigene Staaten fühlen.

Zu den großen Fragen, wie die Post-Covid-Lage aussieht, gehört die drohende Ödnis in den Städten, bedingt durch ein großes Ladensterben. Dass Friseursalons am heutigen Montag in der ganzen Republik wieder öffnen dürfen, reicht den Handelsunternehmern bei weitem nicht. Sie richten einen eindringlichen Appell an die Politik. Es sei ein „Armutszeugnis“, dass die einzige große Antwort auf die Pandemie bisher der Lockdown sei, wettert im Handelsblatt-Interview Heinrich Deichmann, Verwaltungsratschef des größten europäischen Schuheinzelhändlers.

Es drohe ein „Totalschaden“ für die gesamte Branche, assistiert Alexander Otto, Chef des Shoppingcenter-Betreibers ECE. Das Konzept für eine Öffnung haben die Handelsfirmen in sieben Punkten zusammengefasst. Ihr Aktionsname ist vielleicht sogar nachhaltiger als die Waren, die sie anbieten: „Das Leben gehört ins Zentrum“.

Quelle: AFP
Immer mehr Politiker wollen Öffnungen, anders als die wegen der Mutationen besorgte Kanzlerin Angela Merkel.
(Foto: AFP)

Die von der SPD regierten Bundesländer akzeptieren schon jetzt keine starre Inzidenzgrenze von 35 mehr und wollen mehr Öffnungen, als die wegen der Mutationen besorgte Angela Merkel zuletzt bereit war zu gewähren. Fraktionschef Rolf Mützenich wird in der „Süddeutschen Zeitung“ zum Fundamentalkritiker: „Gutes Regieren stelle ich mir anders vor.“

In Deutschland wird weiter diskutiert – und wohl bald auch praktiziert –, dass die Impfreihenfolge bei der Verabreichung des Corona-Impfstoffs von Astra-Zeneca verändert wird. Neue Hoffnung gibt es wegen einem in den USA entwickelten Vakzin des Konzerns Johnson & Johnson: Die US-Arzneimittelbehörde hat hierfür eine Notfallzulassung zur Anwendung bei Erwachsenen erteilt. Bei diesem Mittel reicht gemäß der Angaben eine Dosis aus, die im Kühlschrank gelagert werden kann. Die EU-Arzneibehörde EMA will bis Mitte März in einem beschleunigten Verfahren ihre Bewertung zu der Innovation aus den Staaten abgeben.

Eine Datensammelwut in fast chinesischer Dimension hat Facebook in der Vergangenheit bewiesen. So hortete der Konzern von Mark Zuckerberg biometrische Daten zur Gesichtserkennung, ohne dass die Nutzer davon wussten. Dagegen klagte die Staatsanwaltschaft von Chicago. Um den Rechtsstreit um die Verletzung der Privatsphäre von 1,6 Millionen Facebook-Nutzern in Illinois beizulegen, zahlt der Tech-Gigant nun 650 Millionen Dollar Entschädigung. Ein Bundesgericht billigte den Deal. Die Summe wirkt angesichts von 11,2 Milliarden Dollar Facebook-Gewinn allein im vierten Quartal 2020 wie ein Trostpflästerchen aus der Hausapotheke.

Quelle: AP
Warren Buffett verlegt die Hauptversammlung seiner Firma Berkshire Hathaway nach Los Angeles, damit sein in Südkalifornien lebender 97-jähriger Freund Charlie Munger teilnehmen kann.
(Foto: AP)

Zu den Nachrichten, die zum Wochenanfang aufhorchen lassen, gehört die Mitteilung des 90-jährigen Warren Buffett, die viel umjubelte Hauptversammlung seiner Firma Berkshire Hathaway nicht mehr am Stammort Omaha, Nebraska, auszurichten, sondern in Los Angeles, damit sein in Südkalifornien lebender 97-jähriger Kompagnon Charlie Munger teilnehmen kann. In Brüssel droht Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán der konservativen Parteienfamilie EVP mit dem Auszug der Fraktion seiner eigenen Fidesz-Partei – deren EVP-Mitgliedschaft auf Druck aller anderen Parteien schon 2019 auf Eis gelegt worden war. Und in Tschechien will Premier Andrej Babiš künftig nach dem Beispiel Ungarns das russische Corona-Vakzin Sputnik V auch ohne europäische Zulassung verimpfen lassen – die Inzidenz in dem Land liegt bei alarmierenden 731.

Und dann ist da noch der FC Schalke 04, Fußballtraditionsklub aus Gelsenkirchen, der nur noch Chaostage erlebt. Mit dem sichtbar überforderten Christian Gross wurde nun schon der vierte Trainer in dieser Saison entlassen. Zuvor war von einer Spieler-Revolte gegen den Oldie die Rede gewesen. Und weil der Erstligist nach einem 1:5 in Stuttgart so hoffnungsvoll wie die „Titanic“ am Tabellenende klebt, wurden auch der Sportvorstand, der Teammanager, der Co-Trainer und der Athletiktrainer verabschiedet.

Ein solcher Kahlschlag ist selbst im Showgeschäft Bundesliga selten. Der stabilste Faktor bei Schalke ist derzeit noch Ex-Aufsichtsratschef Clemens Tönnies. Der Fleischfabrikant verlängerte das Sponsoring seiner Tochterfirma Böklunder. Deren zwölf Millionen Euro sind angesichts von 240 Millionen Gesamtschulden dringend benötigtes frisches Geld. „Glück auf!“, sagen sie im Pott, manchmal auch: „Vor der Hacke ist es duster.“

Ich wünsche Ihnen einen aufgehellten, schönen Start in die Woche.

Es grüßt Sie herzlich

Ihr

Hans-Jürgen Jakobs
Senior Editor

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1 Kommentar zu "Morning Briefing : Wie die Welt nach Covid aussehen könnte"

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  • Man könnte die mittelalterliche Miasma-Theorie wieder bemühen. Mit dem Unterschied, dass man in der frühen Neuzeit der "miasmischen" Atemluft schädliche Stoffeigenschaften zugeschrieben hat. Mit der Entdeckung durch Naturwissenschaften im 19. Jahrhundert haben Mikrobiologen und Physiologen Bakterien, später Viren und CO2 etc. ausdifferenziert. Das "Miasma" ist seitdem eine leere Hülle, die man heute als "Soziosphäre" umschreiben kann, in der alles in unserem Alltag gleichzeitig passiert: Kommunikation, soziale Interaktion und Infektion. Das Infektiöse der Gesellschaft in Soziosphären ist setting-übergreifend, performance-abhängig und immunrelevant. Soziosphären sind blind für Branchen, Privatsphären und öffentliche Räume. Wenn Infektionen schon immer zu unserem sozialen Alltag gehören, braucht es vorübergehend neue Sozialtechniken sowie vakzine und vor allem natürliche Immunvorsorgen namens Gesundheit und Lebensqualität für alle.

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