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Weekend-Briefing Verschwendeter Sommer, Karstadt und Kaufhof verschwinden, Rennen um Lithium: Der Wochenrückblick des Chefredakteurs

Die Vorbereitungen auf eine vierte Corona-Welle sollten längst laufen. Doch Bund und Länder verfuhren lieber nach dem Motto: erstmal Urlaub – und dann mal sehen.
31.07.2021 - 09:25 Uhr Kommentieren

Guten Morgen liebe Leserinnen und Leser,

seit Wochen ist klar, dass die Impfgeschwindigkeit bei den aktuellen Corona-Neuinfektionen nicht ausreicht. Dass die Zahlen im Herbst wieder deutlich gestiegen sein werden. Seit Wochen hätten sich Bund, Länder, Schulen und Gesundheitsämter auf diese vierte Welle vorbereiten können:

Doch man verfuhr lieber nach dem Motto: erstmal Urlaub – und dann mal sehen. Deshalb beginnt nun eine hektische Debatte über Maßnahmen, Rechte für Geimpfte, die Aussage von Sieben-Tage-Inzidenzwerten – und es bleibt die bange Frage, ob wir aus 18 Monaten Pandemie wirklich nichts gelernt haben.

  • Beispiel Luftfilter: Monatelang wurde in Fachkreisen über den Einsatz der Geräte in Schulen gestritten. Doch nun, wo immer mehr Bestellungen aufgegeben werden, stellen viele Schulen fest, dass die Unternehmen so viele Geräte kurzfristig gar nicht liefern können.
  • Beispiel Schulen: Der Bund gibt eine Milliarde Euro aus, um Schülern zu helfen, ihre Corona-Wissenslücken zu schließen. Doch nur für einen Bruchteil der Schüler schaffen die Länder diesen Sommer überhaupt Angebote. Das trifft vor allem die Schwächeren. Für sie ist es ein verlorener Sommer.
  • Beispiel Gesundheitsämter: Über ihre technische Ausstattung wird seit eineinhalb Jahren diskutiert. Doch die Software Sormas, die große Teile des Infektionsschutzes digitalisiert und den Datenaustausch zwischen den Ämtern erleichtern sollte, wird immer noch nicht flächendeckend eingesetzt.
  • Beispiel Inzidenz: Noch immer gilt die Zahl der innerhalb von sieben Tagen Neuinfizierten unter 100.000 Einwohnern als Gradmesser für viele Maßnahmen. Die Schwellenwerte von 35 und 50 lösen in vielen Orten neue Corona-Maßnahmen aus – Werte die in der dritten Welle festgelegt wurden, als die Impfquote noch viel geringer war. Zu Recht fordert Gesundheitsminister Jens Spahn nun, neben der Inzidenz „zwingend weitere Kennzahlen“ zu berücksichtigen. Mit steigender Impfquote verliere die Inzidenz an Aussagekraft. Doch diese Debatte hätte man auch schon im Mai führen können. Deshalb stehen ersten Regionen nun wieder vor schärferen Corona-Maßnahmen.

Weltweit erkrankt eine wachsende Zahl von Geimpften an Covid-19. Unsere Auslandskorrespondenten haben die wichtigsten Zahlen recherchiert und beschreiben, mit welchen Strategien Länder darauf reagieren.

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„Bund und Länder hätten die letzten Monate bereits nutzen können, um den neuen Erkenntnissen angepasste Strategien zu entwickeln“, sagte der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen, im Handelsblatt-Interview. Damit hat er leider Recht. Schon einmal ist die Politik planlos in einen Corona-Herbst gestolpert. Das darf sich nicht wiederholen. Zu viel steht auf dem Spiel.

Was uns vergangene Woche außerdem beschäftigt hat:

1. Eine der wichtigsten Debatten der Woche war die Frage, ob Geimpfte und Ungeimpfte künftig unterschiedliche Rechte haben sollten. Kanzleramtsminister Helge Braun hatte die Diskussion Sonntag eröffnet. Unsere Redaktion hat – zusammen mit den Marktforschern von Yougov – eine Umfrage unter Handelsblatt-Lesern und Nicht-Lesern gemacht. Die Antworten, das kann man nicht anders sagen, fielen eindeutig aus – ebenso die Unterschiede:

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2. Wahlkampfzeiten sollten eigentlich so etwas sein wie Festspiele der Demokratie. Tatsächlich aber setzen die drei Kandidaten im Schlussspurt auf einen „Wahlkampf der Fehlervermeidung“, schreibt sehr treffend Handelsblatt-Politikchef Thomas Sigmund. Nichts soll die Menschen abschrecken: keine neuen Ideen, keine Kontroverse, erst Recht keine Koalitionsaussage.

3. Seit Monaten diskutieren Ökonomen über die Frage, ob mit dem Anspringen der Wirtschaft und den zunehmend knappen Rohstoffen die Inflation dauerhaft steigen wird. Gestern ließen die Statistiker wissen, dass die deutschen Verbraucherpreise im Juli sprunghaft um 3,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat angestiegen sind. Handelsblatt-Chefökonom Bert Rürup, mit dem ich gestern noch zu dem Thema sprach, rechnet dieses Jahr mit noch höheren Werten.

„Allerdings ist ein Großteil des aktuellen Preisschubs das Resultat temporärer Sondereffekte wie der Rücknahme der Mehrwertsteuersenkung im zweiten Halbjahr 2020,“ sagt Rürup. „Entscheidend für die mittelfristige Preisentwicklung wird sein, welche Lohnsteigerungen die Gewerkschaften in der nächsten Zeit durchsetzen können. Denn ohne kräftige Lohnerhöhungen, die ich eigentlich nicht erwarte, gibt es erfahrungsgemäß keine dauerhaft anziehende Inflation.“

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4. Wie schon in den vergangenen Monaten beschwichtigt die EZB. „Unsere Situation ist völlig anders als in den USA“, sagt EZB-Vize Luis de Guindos im Interview mit dem Handelsblatt, „für den Euro-Raum erwarten wir den Höhepunkt im November mit etwa drei Prozent.“ Aber wie Rürup sagt er: „Wir müssen Zweitrundeneffekte, etwa mehr Druck bei Lohnverhandlungen oder die Indexierung von Löhnen und Renten im öffentlichen Dienst, sehr sorgfältig im Blick behalten. Natürlich darf aus einer vorübergehenden keine strukturelle Inflation werden.“

5. Eine der meistzitierten Handelsblatt-Geschichten der Woche war ein Interview meines Kollegen Florian Kolf mit Miguel Müllenbach, dem Chef des Warenhauskonzerns Galeria Karstadt Kaufhof. Müllenbach erklärte unter anderem das neue Konzept für seine Häuser und das Verschwinden der Marken Karstadt und Kaufhof. Überraschend fand ich die Debatte, die danach entstand. Bei Twitter, Facebook und Instagram diskutierten – vor allem jüngere Leserinnen und Leser – über Zukunft von Warenhäusern.

„Eine perfekte Kombination aus physisch und digital“, forderten sie. „Zum Beispiel mit einer Indoor Navigation, um in einem großen Kaufhaus auch einfach und schnell zu finden, was ich suche“ Zudem digitale Verkaufsassistent:innen für die Beratung“. Jemand anderes schlug vor: „Top-Beratung, aber unaufdringlich, Erlebniswelt mit Snackcorner und Modenschau, 2nd-hand-Mode mit Möglichkeit, alte Sachen zu spenden“. Wieder andere wünschen sich Coworking Spaces, Cafés, Kinderparadies und Indoor-Gartenanlagen. Eins machte die Diskussion klar: Warenhäuser sind nicht tot, wenn sie sich radikal ändern.

6. Technologische Disruptionen kündigen sich mitunter an, wenn unterschiedliche Industrien zusammenkommen. Vergangene Woche war das zu beobachten, als bekannt wurde, dass die Porsche SE bei dem Münchner Raketen-Start-up Isar Aerospace einsteigt. Für die Beteiligungsgesellschaft der Volkswagen-Eigentümerfamilien Porsche und Piëch dürfte es um weit mehr gehen als eine Geldanlage. Isar Aerospace will ab nächstem Jahr, günstiger als andere, kleine Satelliten ins All bringen. Und die brauchen Unternehmen wie VW in Zukunft, weil sie für das autonome Fahren die Position ihrer Fahrzeuge zentimetergenau verfolgen wollen.

Der Chef von Isar Aerospace sieht die Autoindustrie als potenziell wichtigen Kunden. Quelle: Isar Aerospace
Daniel Metzler

Der Chef von Isar Aerospace sieht die Autoindustrie als potenziell wichtigen Kunden.

(Foto: Isar Aerospace)

7. Längst läuft weltweit das große Rohstoff-Pokern um Lithium, das für E-Auto-Batterien so wichtige Leichtmetall. Die größten Lithium-Vorkommen liegen in China. Doch auch in Europa werden immer mehr Orte mit beachtlichen Reserven entdeckt, unter anderem in Spanien, Portugal, Großbritannien und Serbien.

Damit ließe sich die europäische Rohstoff-Abhängigkeit reduzieren. Doch die Menschen in den betroffenen Regionen gehen auf die Barrikaden, wie Handelsblatt-Korrespondenten aus den vier Ländern berichten. Sie fürchten um Berge, Wälder und Touristen. Ein wichtiger Report, der die Widersprüche der grünen Mobilitätswende auf den Punkt bringt.

8. Die deutsche Wirtschaft steht vor einer nie dagewesenen Übernahmewelle. Die Gründe dafür beschreibt ein Autorenteam aus allen Handelsblatt Ressorts in unserem sehr lesenswerten Freitagsreport. Treiber für das große Fressen sind billiges Geld, neue Wettbewerber aus den USA und China, der technologische Wandel, der grüne Umbau der Wirtschaft – und Manager mit einem Sinn für große Deals. In unserem Report analysieren die Kollegen nicht nur, wer die Jäger und wer die Gejagten sind. Sie porträtieren auch die wichtigen Deal-Maker.

9. Und noch eine gute Nachricht in eigener Sache: Wir konnten ein paar weitere kluge Köpfe für das Handelsblatt gewinnen. Arno Schuetze kommt von Reuters und verstärkt als M&A- und Finanz-Reporter die Redaktion in Frankfurt. In der Zentrale in Düsseldorf wurde der ehemalige WirtschaftsWoche-Textchef Sven Prange zum CvD und Nachrichtenchef berufen.

Zudem wird die Wirtschaftsreporterin Sabine Gusbeth zweite China-Korrespondentin mit einem Fokus auf Technologie- und Unternehmensthemen. Und der ehemalige stellvertretende Chefredakteur des News-Portals Watson, Tobias Böhnke, wird das Digitalteam verstärken. Ich freue mich sehr auf die neuen Kolleginnen und Kollegen.

Ihnen ein schönes Wochenende,

Herzlichst
Ihr

Sebastian Matthes

Chefredakteur Handelsblatt

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