VW-Shuttle Moia VW will mit Moia das vollautomatische Fahren zum weltweiten Servicegeschäft machen

Hamburg soll nach Darstellung eines Firmenbündnisses europaweit die erste Stadt mit autonom fahrenden Sammeltaxis werden.
Hamburg Ein Gerücht hält sich unter den Nutzern seit dem Start von Volkswagens Shuttle-Dienst Moia vor gut zwei Jahren hartnäckig: Die eigens für den Einsatz in Hamburg produzierten Kleinbusse könnten eigentlich bereits automatisch fahren, wenn der Fahrer einen Knopf drücken würde. Tatsächlich erprobt Volkswagen mit den 500 intern „Pluto“ getauften Wagen jedoch nur den Einsatz von Elektromobilität unter Härtebedingungen.
Den Start des autonomen Fahrens bei Moia wird dagegen eine Neuentwicklung markieren: Ab dem Jahresende vermisst ein Vorserienmodell des Elektro-Bullis ID.Buzz 50 Kilometer Straßenzüge östlich der Alster. Darauf folgen drei Jahre automatisierter Testbetrieb mit Sicherheitsfahrern, und ab 2025 sollen die Bullis die Fahrgäste allein abholen. Die detaillierten Pläne dazu stellte Volkswagen am Mittwoch vor.
Mit Moia entwickelt der Konzern in Hamburg bereits seit 2019 ein System für geteilte elektrische Shuttle-Fahrten. Vier Millionen Mal haben Hamburger bereits per App ein Moia-Fahrzeug bestellt. Ungefähr zum halben Taxipreis geht es – oft mit Umwegen für weitere Fahrgäste – ans Ziel. Bislang ist das für VW ein großes Zuschussgeschäft: Der Konzern baute nicht nur die eigens entwickelten Plutos, sondern auch drei Betriebshöfe samt Ladeinfrastruktur.
Volkswagen-Chef Herbert Diess hatte daher bereits Anfang 2020 in einer berüchtigten „Brandrede“ gefordert, Moia müsse sein Tempo drosseln. Tatsächlich sind derzeit nur noch gut 150 der 500 Busse im regulären Einsatz. Offizielle Begründung ist allerdings nicht Geiz, sondern die geringere Nachfrage seit dem letzten Corona-Shutdown.
Die Hoffnung auf das autonome Fahren ist nun die Lebensversicherung für Moia im Konzern. Denn die Vision geht weit darüber hinaus, in Hamburg die Kosten für die Fahrer einzusparen, um sich in die Profitabilität zu sparen. Mit Moia soll das vollautomatische Fahren zum weltweiten Servicegeschäft werden. Der Volkswagen-Konzern will seine Kraft als weltgrößter Autokonzern nutzen, um sich gegen die Projekte zu autonomem Fahren von Silicon-Valley-Größen wie Google und Uber zu rüsten. Zugleich ist Moia ein Vorzeigeprojekt beim angestrebten Wandel vom Autobauer zum softwaregetriebenen Mobilitätsanbieter.
„Anders als andere optimieren wir nicht nur ein spezifisches Einzelprodukt, sondern eine ganze Wertschöpfungskette“, sagte Moia-Chef Robert Henrich. Volkswagen könne sowohl die Fahrzeuge bauen als auch den Betrieb organisieren und die entsprechenden Technologien von der Fahrzeugsoftware bis zur App entwickeln. Daher arbeiten für das Hamburger Projekt drei Konzernteile zusammen: neben Moia als Flottenmanager die Nutzfahrzeugsparte als Hersteller des ID.Buzz sowie Argo AI als Entwickler der eigentlichen Technologie.
Gemeinschaftsunternehmen mit Ford liefert die Technologie
Am 2016 in Pittsburgh gegründeten Argo AI sind VW und Ford inzwischen gemeinsam beteiligt. 1200 Menschen entwickeln in den USA und München für die beiden Konzerne die Technologie für die Roboterautos: Ein auffälliger Lasersensor (Lidar) auf dem Dach des ID.Buzz erfasst das weitere Umfeld, hinzu kommen fünf kleinere Lidars an den Stoßstangen, elf Radarsensoren und 14 Kameras. Die Technik gehe damit weit über die neuartigen Fahrerassistenten hinaus, die in Pkws für Autobahnfahrten eingesetzt würden, betonte Senger.
VW steht mit dem aktuellen Projekt auch in Deutschland nicht allein. In München etwa wollen Sixt und die Intel-Tochter Mobileye ab 2022 autonome Taxis mit Sicherheitsfahrer testen. Christian Senger, früher Softwarechef im VW-Konzern und heute Bereichsleiter Autonomes Fahren in der Nutzfahrzeugsparte, gab sich gelassen. Es sei nicht so wichtig, als Erster auf der Straße zu sein. „Es kommt vielmehr darauf an, wer am Ende am schnellsten skalieren kann – derjenige wird das Rennen machen“, sagte Senger. Volkswagen könne Moia mit Zehntausenden Shuttles schnell in zahlreiche Städte weltweit bringen, sobald die Technologie erprobt und serienreif sei.
Doch dafür muss Moia zunächst in Hamburg beweisen, dass das Modell wirtschaftlich funktioniert und zugleich die Preise so weit senken kann, dass es massentauglich für den Alltag wird. Dafür braucht VW weiter einen langen Atem: 2025 sollen erst 30 Fahrzeuge autonom in der Moia-Flotte fahren – gerade einmal sechs Prozent aller Busse. Menschliche Fahrer werden also noch lange nötig sein.
Unterstützung könnte allerdings erstmals auch aus Steuermitteln kommen: Der Hamburger Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) will Moia mit in Aussicht gestellten Bundesmitteln für den sogenannten Hamburg-Takt fördern. Demnach sollen bis 2030 überall in der Stadt öffentliche Verkehrsmittel innerhalb von fünf Minuten erreichbar sein. Moia könnte diese Grundversorgung in Randgebieten leisten, in denen sich Bus und Bahn nicht lohnen – dort als Teil des subventionierten Nahverkehrs.
Mehr: Volkswagen will 2025 autonome Taxis nach Deutschland bringen
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