Elektromobilität Schnäppchen-Stromer auf Abschiedstour – der VW e-up im Handelsblatt-Autotest

Der e-up kann seine Vorzüge in der Innenstadt voll ausspielen. Das trifft sowohl auf Form und Funktionalität des Kleinstwagens zu als auch auf die Elektromotorisierung.
Düsseldorf „Ist das der mit den Softwareproblemen?“, fragt ein Passant, der mit dem Fahrrad an mir und meinem abgestellten Auto vorbeifährt. Ich stehe im Düsseldorfer Hafen, unweit vom Rhein, um Fotos zu machen. Mein Motiv ist der Volkswagen e-up. Nein, der mit den Softwareproblemen, das ist der neue ID.3, der bei VW für die elektrische Zukunft einläuten soll und zuletzt eine vielbeachtete Premiere feierte. Der stromgetriebene Kleinstwagen e-up ist dagegen die bodenständige Gegenwart. Und auch schon ein bisschen Vergangenheit.
Die erste elektrische Version des Kleinstwagens stammt noch aus Zeiten, in denen Elektroautos im weiten Wolfsburger Reich belächelt wurden. Bei seiner Premiere hieß der Vorstandsvorsitzende Martin Winterkorn, vom Dieselskandal wusste noch niemand, und der kleine e-up wurde zwar angeboten, aber hatte konzernintern einen schweren Stand.
Heute scheint er dagegen beliebt wie nie. Volkswagen verkauft den kleinen e-up als Volksstromer zum Schnäppchenpreis, inklusive Prämie soll er nur noch 17.941 Euro kosten. Entsprechend lang ist die Wartezeit: Wer heute einen e-up bestellt, muss im Schnitt neun Monate auf die Lieferung warten.
Geld verdient VW mit dem e-up nicht mehr, musste VW-Chef Herbert Diess zuletzt vor Führungskräften eingestehen. Pro verkauftem Modell nimmt man einen Verlust von 5000 Euro in Kauf. So hilft der kleine e-up, den Flottenschnitt zu senken und mögliche Strafzahlungen der EU zu vermeiden – zumindest bis neue Modelle seine Nachfolge antreten.
Als Verbrenner zählen die eigentlich beliebten Kleinstwagen vielerorts zu den Auslaufmodellen. Opels Karl und Fords Ka+ sind Geschichte, den Smart wird es nur noch elektrisch geben. Auch über die Zukunft des e-up wird immer wieder spekuliert. VW, heißt es, arbeite längst an einem ID.1, der 2023 dessen Erbe antreten könnte.
Ein Auto für den Alltag
Es wäre, und das zeigt der Handelsblatt Autotest, schade um den surrenden Brotkasten. Der e-up ist ein sympathischer Pragmatiker: wenig Raum, aber auch wenig Verbrauch und ein vergleichsweise geringer Preis. Und wenn man erst einmal selbst am Steuer sitzt, sieht man, dass der e-up in deutschen Innenstädten längst zum Straßenbild gehört.
Pflegedienste, Pizzaboten, Praxisangestellte und prinzipiell von Parkplatzangst geplagte Personen schwärmen in der City häufig mit diesem Kleinstwagen aus. Im Mini-Segment der Zulassungsstatistik liegen in der Regel nur Renaults Twingo und der Fiat 500 vor ihm. Bei den Verbrennern, wohlgemerkt. So gesehen ist er neben dem Golf eines der VW-Modelle, die sich mit Fug und Recht Volkswagen nennen können.

VW packt in die kompakten Maße viel hinein, viel Spielraum für Designhighlights bleibt da nicht. Aber der e-up soll vor allem eins sein: praktisch.
Bei den Elektroautos landete der e-up im letzten Vorkrisenmonat (Februar) sogar auf Platz drei der Zulassungsstatistik. Hinter E-Golf und Renault Zoe, aber vor Teslas Model 3 und Audis e-tron. Im Alltag kommt also auch der Stromer so ganz langsam an. Und den meistert er tatsächlich sehr, sehr ordentlich.
Mit einer Leistung von 83 PS bei 32 Kilowattstunden Speicher – es gibt nur diese Option – und einem kombinierten Durchschnittsverbrauch (WLTP) von 14,5 Kilowattstunden kommt die aktuelle Generation des e-up (2019) auf eine angegebene Reichweite von 254 Kilometern. Das sind rund 60 Kilometer mehr als der direkte Vorgänger. Das reicht schon auf dem Papier nicht für die Urlaubsfahrt. Muss es aber auch nicht, mit seinem Platzangebot ist der e-up ohnehin kein Urlaubsauto.

Die Rückbank muss zum Glück nicht für lange Urlaubsfahrten reichen, viel Platz gibt es hier nicht. Bewusst pragmatisch sind die einfachen Beschläge gehalten. Die Fenster hinten lassen sich dabei nicht versenken, sondern nur manuell schrägstellen.
Entscheidend ist, dass die Batteriefüllung auch im Praxistest für reichlich Runden durch die Stadt reicht. Der Realverbrauch, in der Regel mit etwa 12,5 Kilowattstunden angegeben, liegt ohne Autobahnfahrten und höhere Geschwindigkeiten tatsächlich eher deutlich unter den Referenzwerten. Im Eco-Modus, der die Leistungsabgabe drosselt, sind durchaus sogar acht bis neun Kilowattstunden drin.
Und so leidenschaftslos das auf Effizienz getrimmte Chassis mitunter durch die Straßen stromert, so dynamisch gibt das Beschleunigungspedal die Leistung an die Vorderachse weiter. Wie bei den meisten Stromern macht der elektrische Vorschub richtig Spaß, im kleinen e-up stellt sich dabei Gokart-Gefühl ein – das Antiblockiersystem blinkt schnell mahnend auf. Grundsätzlich ist der e-up auch in Kurven sehr stabil unterwegs und hat darüber hinaus einen kleinen Wendekreis.
Flott, aber nicht zu schnell
An der Ampel reicht die elektrische Beschleunigung für irritierte Blicke im Nacken, auch sportlich motorisierte Boliden tauchen oft erst an der nächsten Ampel wieder neben oder hinter einem auf. Die grüne Welle ist für diese Art der Beschleunigung tatsächlich nicht ausgelegt. Im Stop-and-go der Stadt schlägt sich der kleine Stromer besser als ein Verbrenner. Nicht nur, weil das lästige Schalten entfällt. Beim Tritt auf die Bremse oder beim abbremsenden Rollen im Generatorbetrieb (Rekuperation) gewinnt der e-up einen Teil der dabei freigesetzten Energie zurück. Das lässt die Reichweite langsamer fallen.
VW findet dabei im e-up eine ausgezeichnete Balance zwischen Rollen ohne Widerstand und stufenabhängiger Energierückgewinnung. Der Kleinwagen übernimmt die hervorragenden Gleiteigenschaften, sprich: Es braucht nicht viel, um ihn in Schwung zu bringen, und wenig, um ihn im Bereich bis 60 Stundenkilometer in Schwung zu halten.

Das Multifunktionslenkrad samt passendem Schalthebel. Die Bedienung von Bordcomputer über die von VW bekannten Schalter und Wippen funktioniert gut und intuitiv. Gibt es allerdings, wie höhenverstellbare Sitze, nur gegen Aufpreis.

Ebenfalls bekannt ist das VW-eigene blaue Umgebungslicht. Der e-up bekommt im Innenraum dadurch einen leicht futuristischen Charme – funktioniert. Das Radio kann DAB+, die Konnektivität mit dem Smartphone ist unkompliziert. Features wie Navigation kommen dann auch extern über das Handy – wenn auch via VW-App.
Die Rekuperation lässt sich am Schalthebel der Automatik (ein Getriebe ist es ja nicht) manuell einstellen. Ein Zug am Hebel, und der Generator bremst den e-up scharf. Ein kleiner Ruck nach links oder rechts schaltet durch die insgesamt vier Stufeneinstellungen der Energierückgewinnung. Das ist nicht ganz intuitiv, aber auch nicht schwierig. Ich habe mich tatsächlich immer wieder dabei ertappt, im Stadtverkehr mehr über den Schalthebel zu stoppen als über das Bremspedal.
Bis 100 Stundenkilometer fährt sich der Kleinwagen sehr flüssig und ruhig, danach wird es anstrengend. Bei 130 Stundenkilometern macht der e-up auch von Werk aus Feierabend – hier greift das eingebaute Tempolimit ein. Damit kann man aber leben: zum einen, da das Gefährt nicht für hohe Geschwindigkeiten und Autobahnmarathons gebaut ist, zum anderen, da der Energieverbrauch in diesem Bereich exponentiell ansteigt.
VW macht hier die Sache bei der Berechnung der Restreichweite sehr gut. Die steigt und fällt natürlich mit dem Verhalten des Nutzers. Sprich: Wer oft und kräftig beschleunigt, schmälert auch die Reichweite. Überraschende Sprünge, die gerade auf der Autobahn bei manch inzwischen älterem Elektroauto noch panische Suche nach der nächsten Steckdose am Wegesrand auslösten, gibt es nicht.
Gute Planung außerhalb der Stadt wichtig
Apropos Steckdose: Nach wie vor ist so ein E-Auto natürlich eher was für Menschen, die entweder zu Hause oder am Arbeitsplatz die Möglichkeit haben, das Auto über längere Zeit zu laden. Das liegt nicht einmal an den Standzeiten, nach wenigen Stunden ist der Akku des e-up selbst mit einem 11-kW-Anschluss geladen. Über Nacht oder während der Arbeitszeit reicht sogar der ganz normale Hauswechselstromstecker.
Darüber hinaus wächst das Ladenetz auch stark. Nur sind wirkliche Schnellladestationen weiter eine Rarität und meist auf dem Gelände der Herstellerautohäuser zu finden. Die von Stadtwerken oder Energiekonzernen betriebenen Ladestationen sind zwar inzwischen in Innenstädten recht weit verbreitet. Leider ist das Laden in den urbanen Wohnvierteln immer noch schwierig.

Im Zweifel lässt sich der Ladekabelsalat natürlich auch im Fußraum unterbringen oder zu Hause lassen (nicht empfehlenswert). Die Rückbank des e-up ist teil- und klappbar.

Die Zahl der Ladepunkte nimmt zu, entscheidend ist derzeit jedoch immer noch, wie viel Zeit man zum Nachladen hat. Schnellladegeräte, die um 100 Kilometer Reichweite in einer halben Stunde versprechen, sind selten einfach offen zugänglich – und brauchen teures Zubehör.
Fahrten, bei denen man die City verlässt, wollen ohnehin wohl geplant werden. VW bietet dafür einen eigenen Routenplaner, der mit Daten von Google Maps entsprechende Wegpunkte ergänzt und in dem man Reichweitenschätzungen eingeben kann. Auch die Bezahlung soll über die App möglich sein. Die dafür nötige Registrierung ist allerdings so umständlich, dass ich bei der Innogy-Stromtankstelle der Stadt Karst doch wieder per Paypal bezahle.
Das Ladeergebnis im Alltagstest ist in Ordnung. 35 Minuten – einen sehr ausgiebigen Espresso lang – hängt der e-up am mitgelieferten Kabel. Einstecken, einrasten, Wagen abschließen, Ladevorgang per Handy starten: Das geht nicht ganz so geschmeidig von der Hand wie die Super-E10-Zapfpistole, ist aber auch kein allzu großer Aufwand.
Im Test gehen in der Zeit 2,8 kWh rein, für 0,39 Cent pro Kilowattstunde kosten mich gut 30 gewonnene Fahrkilometer 1,11 Euro. Hochgerechnet wäre der Wagen somit nach etwa 6,7 Stunden für gut 12,50 Euro einmal voll. Das wiederum auf den Kilometer heruntergerechnet sind: knapp fünf Cent. Mit dem Tankstopp, erklärt mir die Betreiberwebsite freundlich, habe ich übrigens 2,4 Kilogramm CO2 eingespart. Und 1,8 Quadratmeter Wald kompensiert. Wo der jetzt steht, verrät sie nicht.
Ansonsten liefert der e-up alles, was man vom Kleinstwagen kennt und erwartet. Der Kofferraum hat seinen Namen eigentlich nicht verdient, für ein paar Taschen reicht es dennoch. Die Ladekabel finden dabei unter der Abdeckung Platz, unter der sich sonst der Ersatzreifen befindet. Dafür passen in das, bei Einsatz der Klimaanlage mitgekühlte, Handschuhfach bequem zwei Packungen Grillgut vom Wurstautomaten im Bergischen Land.
Zu leise für Tauben
Der e-up kommt als Fünftürer, was das Einstiegen auf den hinteren Plätzen erleichtert. Auf den hinteren Plätzen wird es ab einer Körpergröße von 1,80 Meter schon mal eng. Vorne sitzt es sich dagegen bequem, auch wenn es ein bisschen an Einstellungsmöglichkeiten fehlt und etwa die Sitzhöhenverstellung nur gegen Aufpreis vorhanden ist.
Im Testwagen hat Volkswagen glücklicherweise alle Extras verbaut: Tagfahrlicht, Multifunktionslenkrad (Leder), Schnellladekabel, Sitzheizung und Fahrassistenten etwa kommen auf die Ausstattungsvariante „Style“ noch obendrauf. In der Summe machen die Extras rund 2.800 Euro aus. Das Schöne ist jedoch, dass man im Alltag die wenigsten davon wirklich braucht. Einzig der Tempomat erleichtert die Verbrauchskontrolle.

Das grüne Licht zeigt den Ladestatus an. Geladen wird nur, wenn alles verriegelt ist – Sicherheit geht vor.
Ein Extra sollte man sich vielleicht doch gönnen, zumal es subventioniert wird: den „E-Sound“. Moderne E-Autos müssen mittlerweile bis zu einer Geschwindigkeit von 30 Stundenkilometern ein Geräusch von sich geben. Der e-up ist aber seit Mitte 2019 auf dem Markt, die Vorschrift war damals noch nicht erlassen. Das optionale leise Raunen soll im Zweifel Menschenleben retten. Für Tauben hingegen scheint das System zu leise: In den historischen Gässchen von Velbert-Langenberg musste ich trotz 150-Euro-Sound noch selbst aussteigen und scheuchen. Das reichte immerhin für Szenenapplaus.
Ohne Schnickschnack und Sonderwünsche, dafür mit aktueller Umweltprämie und abzüglich der dreiprozentigen Mehrwertsteuersenkungen kostet der e-up von Haus aus 17.941 Euro. Und damit nur gut 4000 Euro mehr als der Verbrenner. Das macht den Stromer für alle, die das Auto nur für Wege in der Stadt und im direkten Umland brauchen, sogar als Erstwagen attraktiv. An der Software, das kann ich dem Herrn auf dem Rad versichern, wird es nicht scheitern.
Technische Daten
Fünftüriger, viersitziger Kleinstwagen, Länge: 3,60 Meter, Breite: 1,64 Meter (mit Außenspiegeln 1,91 Meter), Höhe: 1,50 Meter, Radstand: 2,41 Meter, Kofferraum: 251 – 941 Liter
Elektromotor, 61 kW/82 PS, maximales Drehmoment: 210 Nm bis 2.800 U/min, Eingang-Getriebe, 0-100 km/h: 11,9 s, Vmax: 130 km/h, Batteriekapazität: 32,3 kWh, Reichweite (WLTP): 256 km, Stromverbrauch: 12,7 kWh/100 km ((NEFZ), 14,5 kWh/100 km (WLTP), CO2-Ausstoß: 0 g/km, Abgasnorm: Euro-6d-temp, Effizienzklasse: A+, Preis: ab 21.421 Euro (ohne Umweltprämie); Preis des Testwagens: 25.895 Euro (ohne Umweltbonus).
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