Porsche Cayman GT4 im Handelsblatt-Test: Liebe auf den ersten Tritt
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Porsche Cayman GT4 im Handelsblatt-TestLiebe auf den ersten Tritt
Vor diesem Zweisitzer verbeugen wir uns schon beim Einstieg, der nur knapp über dem Asphalt liegt. Was der schärfste Cayman drauf hat, taugt für den Racetrack. Das Auto will getreten werden, dann zeigt es seine Stärken.
Laut Eigenwerbung sucht Porsche für den GT4 ausgesprochene Rebellen. Das Cayman-Sondermodell lockt mit einer ungewöhnlichen Mischung von Elementen aus Retro (Schaltung), Playstation (Fahrerlebnisaufzeichnung) und Racing (Fahrwerk, Sitze). Eine scharfe Kombination!
(Foto: Frank G. Heide)
Düsseldorf Wir sind weich geworden, verwöhnt von unseren Autos. Bequem, wie in Watte gepackt, zonenklimatisiert und vollkaskoversichert, von Assistenten beschützt und Navis geführt, ziehen wir Lemmingen gleich in Richtgeschwindigkeit durchs Berufspendlerdasein. In Autos, die wir uns kaum leisten, aber leasen können, und die niemand liebt. Als Erlösung von der Qual winkt die Aussicht, dass uns Autopiloten bald das Steuer abnehmen. Ist es ein Wunder, das man(n) einfach mal wieder ausbrechen möchte?
Glücklicherweise ist gegen den Autofahrer-Alltags-Blues ein Kraut gewachsen. Es heißt GT4, und mit Vornamen Cayman. Und genau so raubtierhaft bissig wie der Name andeutet, verhält sich dieser heiße Zweisitzer auch. Eine Schande wäre es, den sexy nagellackrot lackierten Testwagen nur im Alltag zu nutzen. Der bislang schärfste aller Einstiegsporsche will reines Vergnügen bieten, verzichtet dafür auf Nutzwert. Ein Auto für die Rundstrecke, mit dem man auch den Weg dorthin bewältigen kann. Nicht weniger, und kaum mehr.
In England, wo die Gattung der Roadster erfunden wurde, nennen sie das „a drivers car“. Mit einem trotzigen „Jetzt fahre ich“ auf den zum Dauergrinsen verbogenen Lippen emanzipiert sich der Fahrer wieder von der Bevormundung durch nörgelnde Warnpieper und aufdringliche Fahrassistenten.
Perfekt für die Flucht aus dem Alltag
Das feuerrote, das teure rote Spielmobil
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Entgegen anderslautender Gerüchte im Internet ist dieser rassige Cayman GT4 nicht Stückzahl-limitiert. Porsche wird ihn so lange bauen, wie man Nachfrage verzeichnet. Also so, wie beim Boxster Spyder. Die sehr spezielle Konfiguration des Sondermodells und sein selbstbewusster Preis von mindestens 86.000 Euro werden wohl ganz von selbst für eine Limitierung sorgen.
(Foto: Frank G. Heide)
Da ahnt man schon, was einen erwartet
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Fertig für eine kleine Flucht aus dem Alltag? Für Menschen mit Benzin im Blut bietet schon die geöffnete Tür des Cayman GT4 Anlass zur Vorfreude. Die Bestuhlung stammt, wie auch andere Zutaten, aus Porsches größeren Sportmodellen 911 GT3 und RS.
(Foto: Frank G. Heide)
Leichtbau mit einem Augenzwinkern: Öffnerschlaufen aus Gurtband
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Porsche verzichtet bei dem Wagen zwar auf ordentliche Türöffner, steigert das pure Fahrvergnügen besonders Leistungshungriger aber durch feine Zutaten: Das Fahrwerk kommt vom Carrera 911 RS und der Mittelmotor kommt aus dem Heck des aktuellen Neunelf S. Im Interieur treffen sich Alcantara, Leder und Carbon mit orange-roten Ziernähten.
(Foto: Frank G. Heide)
Nicht nur Indisch-Rot macht neugierig
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Der Cayman lockt Freunde rassiger Fahrzeuge mit schwarz lackierter Sport-Auspufffanlage und Klappensteuerung, 20-Zoll-Felgen, Frontspoiler, Heckdiffusor und mächtigem Flügel für viel Abtrieb an der Hinterachse. Als besonderes Schmankerl gibt es ihn ausschließlich mit Sechsgang-Handschaltung.
(Foto: Frank G. Heide)
Breitbau beim Lufteinlass, den so genannten Airblades
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Der Cayman GT4 ist ein Auto mit Taille und Hüfte. Und die runder und etwas breiter, aber auch agressiver gewordene Karosse spielt ihre Reize gekonnt aus.
(Foto: Frank G. Heide)
Die neue Optik zeichnet das breite Grinsen des Fahrers nach
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Temposchweller werden gerne mal von der unteren Frontlippe geküßt. Auch die Einfahrt über steile Tiefgaragenrampen erfordert etwas Vorsicht. Schließlich ist der GT4 werksseitig bereits ordentlich tiefer gelegt.
(Foto: Frank G. Heide)
Auffälliges Leitwerk
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Für Abtrieb am Heck sorgt ein gewaltiger Flügel auf dem Kofferraumdeckel. Wer dessen Stellung, etwa für Rundstreckenrennen, verändert, muss aber gleichzeitig den Frontdiffusor richtig anpassen. Eine Operation für echte Enthusiasten. Düe dürfen sich auch am Sportfahrwerk zu schaffen machen, das hat Porsche extra so vorgesehen.
(Foto: Frank G. Heide)
Das Alcantara-Rennlenkrad - befreit von Knopf- und Schalter-Ballast - anfangs etwas zu fest in den klammen Händen, konzentriert sich der Pilot völlig auf die Fahrt. Weil er Kontrolle und Risiko mit Hand und Gasfuß für sich zurückerobert hat. Und mit dem Kupplungsfuß, denn den GT4 gibt es nur mit Sechs-Gang-Handschaltung. Die Älteren werden sich noch erinnern. Für viele moderne Porsche-Fahrer ist es aber ein neues Gefühl, das dritte Pedal im Fußraum zu ertasten.
Vor das Vergnügen, den kurzen und extrem knackig rastenden Schalthebel in die Hand zu nehmen, hat Porsche eine kleine Hürde gebaut: Man steigt nicht einfach hinein, sondern auf Bürgersteigkantenniveau hinunter in den werksmäßig tiefergelegten GT4. Und muss den Körperschwerpunkt noch möglichst elegant über die extrem hochgezogene Seitenschale des hauchdünnen Carbon-Rennsitzes wuchten. Kleiner Tipp: Lassen Sie sich nicht beim ersten Ein- und Aussteigen von einer Handykamera erwischen. Ohne Übung macht hier nur der Profi einen geschmeidigen Eindruck.
Die wichtigsten Fragen und Antworten
Natürlich. Sie leben doch direkt an der Nordschleife, oder?
Eine Kupplung! In einem modernen Porsche! Und eine knackige Sechsgang-Handschaltung! Das wir das noch erleben dürfen.
Bei diesem Auspuffsound kommt selbst ein gutes Autoradio nicht mit. Hätte man sich aus Gewichtsgründen sparen können.
Natürlich ist auch dieser Porsche ein teures Vergnügen. Aber da er sich von vorneherein nur an echte Enthusiasten wendet, wird er ihnen jeden Euro wert sein.
Voluminös, dunkel, ohne aktivierte Klappensteuerung. Ein Tastendruck entfacht eine brachiale und brüllend laute Boxersoundorgie. Gut zu genießen zwischen 4.000 und 6.000 Umdrehungen.
Nicht so wichtig, denn er wird für den Rundstreckeneinsatz gebaut, nicht für den Alltag. Man kann ihn mit 11 Liter Super Plus im Durchschnitt bewegen. Aber auch mit 18,5.
Dieses Indisch-Rot! Ist eine Serienfarbe, zieht aber die Blicke so magisch an wie ein sexy High Heel.
Er ist skeptisch: „Kommen Sie aus dem Sitz auch wieder raus?“ „Falls nicht“, lautet meine Antwort, „fahre ich auch gerne noch eine Runde!“
Alle, die auch nur ein paar Tröpfchen Benzin im Blut haben. Sogar manche Motorradfahrer.
Extrem viel Grip, neutral im Grenzbereich. Sehr direkt, schnell, laut. Und sicher.
Ab und zu auf die Landstraße, regelmäßig auf den Track. Bitte nicht in den Berufsverkehr.
Tief unten in der wie angegossen anliegenden Profisitzschale angekommen, die direkt aus dem GT3 RS stammt, fällt der Blick auf Gurte, Textil(!)-Türgriff und Ziernähte: Die sind alle im gleichen auffälligen orange-rot vom schwarzen Leder und dunkelgrauen Alcantara abgesetzt, das den Innenraum dominiert. Dass man sich im Cockpit trotz intimer Nähe zum Sitznachbarn nicht eingesperrt fühlt liegt auch an der großzügigen Kopffreiheit: Im GT4 ist es selbst für große Fahrer kein Problem, die Beine auszustrecken und Helm zu tragen.
Porsche steigert das pure Fahrvergnügen besonders Leistungshungriger, die mindestens 86.000 Euro übrig haben, durch feine Zutaten und eine ungewöhnliche Operation: Fahrwerk und Bremsen kommen von reinrassigen Carrera 911 Sportmodellen wie GT3 und RS, der Mittelmotor kommt aus dem Heck des aktuellen Neunelf S. Die Hinterachse wurde für noch präziseres Lenkverhalten und reduzierte Wankneigung überarbeitet und die upside down-Stoßdämpfer kommen ebenfalls aus dem Motorsport.
Im GT4 leistet der Sauger-Sechszylinder-Boxer ohne Turbo maximal 385 PS und stemmt 420 Newtonmeter an die Kurbelwelle. Der rote Drehzahlbereich beginnt erst über knapp unter 8.000 Umdrehungen, und der gierig hochdrehende Saugmotor vermittelt zusammen mit dem beim runterschalten rotzig-frech aufbrüllenden Auspuffsound vor allem eines: Das hier ist großer Sport, für die meisten ist es Liebe auf den ersten Tritt.
Knackig!
Die Älteren werden sich erinnern: Eine Handschalthebel. Dazu gehört im Fußraum ein drittes Pedal, die so genannte Kupplung. Viele Autohersteller haben sich von dieser Technik verabschiedet, bei der der Fahrer manuell die Gangstufen des Getriebes wechselt. Porsche entdeckt das sinnliche Vergnügen für Sondermodelle wie den Cayman GT4 gerade wieder.
(Foto: PR)
Die großen Emotionen scheinen ansteckend zu sein. Das ist uns auf Landstraßen-Ausfahrten lange nicht mehr passiert, dass uns innerhalb einer Stunde ein Motorradfahrer und der Pilot eines KTM X-Bow den hochgereckten Daumen zeigen. An der Ampel hält neben uns sogar ein sportlicher 5er-BMW, der Fahrer hatte sich eben noch den mächtigen GT4-Heckflügel von hinten angesehen. Jetzt ruft er euphorisch herüber: „Ja, das ist mal ein Auto! Super!“
Da hat der GT4 selbst ohne sportlichen Einsatz schon mal was geschafft, was dem Standard-911er lange nicht mehr gelingt. Letzterer taucht, um große Emotionen zu provozieren, nicht nur zu häufig auf unseren Straßen auf, er wirkt im Vergleich zum giftigsten Cayman auch zu breit, zu schwer, Entschuldigung Porsche, im direkten Vergleich ein bisschen behäbig.
Verführer in Indisch-Rot
Den Heckspoiler finden manche Betrachter ein bisschen prollig. Aber für die neu gestalteten Front- und Heckpartien des aggressiver wirkenden Cayman gibt es Beifall. So sexy muss ein Sportwagen optisch rüberkommen. Und dann noch dieser Auspuffsound ...
(Foto: Frank G. Heide)
Was auch daran liegt, dass der 911er mehr glattbügelt als der GT4, der in jeder Beziehung mehr Emotion rüberbringt. Unser Testwagen läuft bei Geschwindigkeiten von über 240 km/h nicht mehr so selbstverständlich auf der Autobahn schnurgerade wie ein Panamera. Er verlangt nach einer festen Hand am Steuer und etwas Selbstüberwindung.
Auch diese wunderbaren akustisch-mechanischen Rückmeldungen von Getriebe und Schaltung, inzwischen kennt man sie von anderen Porsche-Modellen kaum noch. Im Cayman können Enthusiasten sie wiederentdecken. Das macht nicht unbedingt schneller. Aber glücklicher. Genau so wie die technisch nicht unbedingt nötigen Zwischengasstöße aus dem doppelflutigen Sportauspuff.
Fazit einer ersten rasanten Sommertags-Ausfahrt, natürlich mit permanent gedrückter Sport-Taste: Mission erfüllt, Alltagsflucht gelungen, Fahrer müde, verschwitzt, froh. Und dabei weder die möglichen 295 km/h Spitze gefahren, noch auf der Rennstrecke gewesen, dem natürlichen Habitat für artgerechte GT4-Haltung.
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