VW T6 Multivan im Handelsblatt-Test: Ein Typ, mit dem man Pferde stehlen kann
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VW T6 Multivan im Handelsblatt-TestEin Typ, mit dem man Pferde stehlen kann
Wer im „Bulli“ sitzt, schaut selbst auf große SUV lässig von oben herab. Und muss doch keinerlei Sozialneid fürchten. Dabei ist der neue Multivan ein schneller und ein teurer Spaß.
Nicht nur die Zweifarb-Lackierung in Weiß-Bambus lockt neugierige Betrachter an. Auch der riesige Innenraum und die King-of-the-road-Sitzposition hinterm Lenkrad können begeistern. So gewinnt man mit dem umfassend überarbeiteten VW Multivan Generation Six schnell neue Freunde.
(Foto: Frank G. Heide)
Düsseldorf Das muss ich zugeben: es hat Spaß gemacht, mal von oben auf Riesen-SUV wie Audi Q7 und BMW X6 herabzuschauen. Eine ganz ungewohnte Perspektive. Die habe ich erreicht, ohne Sozialneid auszulösen, voll nachbarschaftsverträglich. Möglich macht es der „Bulli“, auch bekannt als Volkswagen T6 Multivan Generation Six. Der Name ist allerdings ein kleiner Etikettenschwindel, denn es ist doch nur ein Facelift der Transporter-Generation 5, an der sich technisch nicht sehr viel geändert hat.
Optisch erkennen nur eingeschworene Fans den neuen Bulli sofort, einerseits an den Scheinwerfern mit zackig designtem LED-Tagfahrlicht, an den beiden scharfen Bügelfalten auf der Motorhaube, andererseits an der typischen Zweifarb-Lackierung. Beim Testwagen heißt der zweite Farbton Bambus, und er fängt extrem viele Blicke ein, auch so manchen positiven Kommentar.
Der Einstieg ist beim Kastenwagen, der diesen Namen wie kein anderes Modell verdient, elegant nur mit Schwung zu meistern. Denn beim Multivan in seiner jüngsten Evolutionsstufe steigt man nicht einfach ein, sondern hinauf, fast auf Augenhöhe mit echten Truckern. Unterstützung dabei gewähren hilfreiche Haltegriffe, an denen kein Mangel herrscht.
Das Lenkrad, es liegt nicht mehr ganz so flach wie früher, bei T2 und T3, hat immer noch einen etwas merkwürdigen Winkel, es bremst meine kleine Klettertour, weil es den Oberschenkel daran hindern will unter dem Lenkkranz durchzuschlüpfen. Oben angekommen genieße ich erst mal die Aussicht: So ein langes, breites, hohes und großes Fahrzeug, und dabei diese vorbildliche Übersicht. Die einfache, kastige Form macht es möglich, dass man Anfang und Ende so gut einschätzen kann. Und man sitzt wie der Kapitän auf der Brücke.
Sind die gewaltigen Maße erst mal ein paar Kilometer lang verinnerlicht, kommt dem Fahrer der Multivan gar nicht mehr so groß vor, wie er wirklich ist (z.B. 2.30 m breit). Selbst in der Stadt wirkt er handlich für ein Auto dieser Größe. In engen Seitenstraßen wird seine Höhe sogar zum Vorteil: Ein weiter Blick über alle parkenden Autos hinweg vermeidet fummelige Rangiermanöver bei Gegenverkehr – vorausschauendes Fahren mal anders. Und für die wirklich schweren Fälle ist ja mittlerweile eine Rückfahrkamera an Bord, die schärfste Bilder liefert, und sogar ein Parkassistent.
Die wichtigsten Fragen und Antworten
Wer wenn nicht er? Platz für 7 bis 9 Personen, 660 bis 4.300 Liter Kofferraum, eine Tonne Zuladung und 3,5 Tonnen Anhänger ziehen bis 100 km/h. Aber: Er passt mit 1,97 m Höhe nicht in jedes Parkhaus!
Das King-of-the-road-Gefühl hinter dem Lenkrad, auf hoher, übersichtlicher Sitzposition.
Der Kraftaufwand, wenn die Seitenportale und die Hecktür von Hand geschlossen werden müssen. Und die Lautstärke des Diesel-Triebwerks.
Billig ist der Bulli schon lange nicht mehr. Weit über 60.000 Euro kostet ein Multivan mit Topmotorisierung und Allrad. Aber wer sich die Preisentwicklung von T1, T2 und jetzt sogar T3 anschaut, kann ja auf einen Klassiker der Zukunft hoffen.
Der Klangkörper ist theoretisch gewaltig. Und die Musikanlage ist so gut wie in jedem aktuellen Golf. Aber sie muss bei hohem Tempo oder hoher Drehzahl stärker gegen die Umgebungsgeräusche ankämpfen.
Mit Euro 6 und Effizienzklasse B ist der T6 unterwegs, wenn er mit 2,0-Liter-Vierzylinder-Diesel TDI (150 kW/204 PS) und 7-Gang-DSG ausgerüstet ist. Wie man den Normwert von 6,3 Litern erreichen soll, ist mir aber schleierhaft. 9 Liter waren es im Alltag immer.
Das Raumgefühl und die positiven Reaktionen aller, die mitgefahren sind. So viel Emotionalität hatte ich von einem „Nutzfahrzeug“ nicht erwartet.
„Darf ich mir den für den Umzug leihen?“
Dank der auffälligen Zweifarblackierung schauen dem Testwagen nicht nur alle Handwerker und Familienväter nach. Auch viele Frauen sind begeistert.
Von der Ampel weg gefühlt flotter, als die Stoppuhr ausweist. Sehr entspannend bei Richtgeschwindigkeit auf der Autobahn. Flotten Kurven sieht er etwas wankelmütig entgegen, und für mehr 200 km/h braucht man langen Anlauf und eine feste Hand am Steuer.
Auf große Reise. Und den Baumarktparkplatz. Nur da löst er Neid aus.
Ich bekomme sofort Lust auf eine Eilzustellung, denn VW hat den Testwagen mit dem 204 PS starken Top-Diesel ausgerüstet, dazu die Sieben-Gang-DSG-Automatik. Damit ist der Bulli das erste Mal in seiner langen Geschichte, während der er zu einem Stück deutschen Kulturgut gereift ist, knapp über 200 km/h schnell. Beim Ampelstart sprintet der 5,03 Meter lange Siebensitzer in 9,9 Sekunden aus dem Stand auf 100 km/h, es fühlt sich aber schneller an. Dabei reißen bis zu 450 Newtonmeter Drehmoment immer noch heftig an den Vorderrädern, die im Sportmodus zum leichten Stempeln und Radieren neigen.
Spaß macht es trotz Stempelrisiko dennoch, das Pedal an der Ampel etwas forscher als nötig gen Bodenblech zu drücken. Kleinwagen, die sich schon am großen Blau-Weißen vorbei wähnten, bleiben ratlos zurück. Die sauberen und nur selten spürbaren Gangwechsel der DSG-Automatik leisten Ihren Beitrag zur unerwarteten Bulli-Dynamik.
Ab Richtgeschwindigkeit singt der Fahrtwind allerdings unüberhörbar sein altes Lied vom Luftwiderstand, auch das ist typisch Kastenwagen: Die Aerodynamik ist traditionell kaum besser als die des Wolfsburger Rathauses.
Blick in den Innenraum
Der Multivan ist ein Raumwunder und ein Reiseauto. Mit seinen gut fünf Metern Länge passt er gerade so auch in die Stadt, aber nicht in jedes Parkhaus. Aber als Gefährt für die tägliche Pendelei zur Arbeit und nach Hause wäre er einfach unterfordert ...
(Foto: Frank G. Heide)
Seitenwind findet massig Angriffsfläche. Und so stürmt das Auto zwar überraschend schnell auf eine Reisegeschwindigkeit von 170 – 180 km/h, aber dann ist das Gefühl im Lenkrad auch kein so souveränes mehr. Die Wahl der Fahrlinie wird zum segelähnlichen Erlebnis, wenn man aus dem Windschatten eines LKW auftaucht. Nur Adrenalinsüchtigen im Fond wird das gefallen.
Bei Tempo 120 und Dauerregen machten die riesigen Scheibenwischer unschöne Geräusche, „Klack-Plopp“ kommt von vorn im Sekundentakt am Umkehrpunkt jeder Wischbewegung. So ganz konnten sie dem Familien- und Handwerker-Liebling seinen robusten Nutzfahrzeug-Charakter also doch nicht austreiben. Dabei haben sich die Entwickler alle Mühe gegeben.